DON PASQUALE – Paris, Théâtre des Champs Élysées

von Geatano Donizetti (1797-1848), Opera buffa in drei Akten, Libretto: Giovanni Rufini und Geatano Donizetti, UA: 3. Januar 1843 Paris, Théâtre Italien

Regie: Denis Podalydès, Bühne: Eric Ruf, Kostüme: Christian Lacroix, Dramaturgie: Emmanuel Bourdieu, Choreographie: Cécile Bon, Licht: Stéphanie Daniel

Dirigent: Enrique Mazzola, Orchestre National de France, Chor von Radio France, Choreinstudierung: Nathalie Steinberg

Solisten: Alessandro Corbelli (Don Pasquale), Désirée Rancatore (Norina), Gabriele Viviani (Dr. Malatesta), Francesco Demuro (Ernesto), Richard Tronc (Der Notar)

Besuchte Aufführung: 15. Februar 2012

Kurzinhalt

Als Ernesto darauf besteht, nicht die von seinem Onkel Don Pasquale ausgewählte reiche Braut, sondern seine arme Freundin zu heiraten, enterbt und verstößt ihn sein Onkel und erklärt ihm gleichzeitig, daß er selbst noch einmal zu heiraten gedenkt. Dr. Malatesta läßt sich auf ein Doppelspiel ein, einerseits stellt er seinem Freund Don Pasquales ein bezauberndes, unschuldiges, junges Mädchen als Braut in Aussicht, andererseits wählt er im Einvernehmen mit Ernesto und Norina, letztere als Braut für diese Scheinehe aus. Norina spielt blendend erst das unerfahrene Mädchen aus der Klosterschule und, sobald die Heiratsurkunde unterschrieben ist, den üblen Hausdrachen. Und sie spielt ihre Rolle so gut, daß der ahnungslose Don Pasquale, völlig entwaffnet, die schlimmsten Erniedrigungen, ja sogar eine heftige Ohrfeige hinnehmen muß. Dem Selbstmord nahe, läßt er schließlich Dr. Malatesta freie Hand, ihn von seiner Megäre zu befreien. Dr. Malatesta verheiratet kurzerhand Norina mir Ernesto und stellt ihnen auf Don Pasquales Kosten eine anständige Jahresrente aus. Don Pasquale, völlig erschöpft und verwirrt, stimmt allem zu und sieht ein, daß in seinem Alter die jugendliche Liebe ein Ende haben muß.

Aufführung

Der französische Schauspieler und Regisseur Denis Podalydès und sein Team haben die Handlung mit viel Geschick und Witz ins Arbeitermilieu und auf eine Vorstadt-Straße der 1950iger Jahre verlegt. Fast die ganze Handlung läuft ab mit einen alten Citroën Lieferwagen im Zentrum der Bühne, dessen hintere Plattform sich, auf drei Seiten aufklappbar, jeweils in Verkaufsstand, Büro, Eßzimmer oder Schlafzimmer verwandelt. Don Pasquale ist ein kleiner Unternehmer, der mit seinen drei Arbeitern Beleuchtungskörper herstellt und verkauft. Sie sind entsprechend gekleidet: er in Hose, Hemdsärmeln und roter Weste, die übrigen in Arbeitsoveralls. Doch sobald Don Pasquale auf Freiersfüßen steht, tritt er in grauen Anzug mit orangefarbener Glitzerweste auf. Norina mit schwarzer Glitzerbluse, Bluejeans und hohen roten Stöckelschuhen, darüber ein Trenchcoat, später mit rotem Rock und Bluse. Als Braut von weißen Spitzen verhüllt, wird sie dem Bräutigam in einem Schrankkoffer zugeführt. Ernesto bleibt bis zum Schluß unauffällig in Pullover und Hose, Dr. Malatesta als Hauptdrahtzieher in schwarzem Anzug, und während besonders arglistigen Szenen mit roten Mephistohörnchen auf den Kopf. Der Trompeter, der im zweiten Akt Ernestos Arie begleitet, spielt auf der Bühne gegen einen Pfosten gelehnt, wie ein Straßenmusikant.

Sänger und Orchester

Alessandro Corbelli singt und spielt mit warmer Baritonstimme und unwiderstehlicher Komik und Tragik den verliebten, eitlen, egoistischen und letztlich pathetischen Don Paquale. Désirée Rancatore mit kraftvollem, wandelbarem Sopran als kokette Norina läßt ihm durch ihre überlegenen Ränke keinerlei Chancen. Beider Sänger- plus Komödiantenkönnen ergötzt besonders im Duett Signorina, in tanta fretta mein Fräulein, in großer Eile, dem Höhepunkt ihrer Auseinandersetzungen. Francesco Demuros helles Timbre (er ist erst vor wenigen Jahren vom sardinischen Volksgesang zur Oper übergewechselt) kommt in der schon sehr romantischen Serenade Com’è gentil – wie lieblich ist sowie im anschließenden Duett mit Norina Tornami a dir que m’ami (3. Akt 6. Szene) besonders schön zum Ausdruck. Last, but not least, Gabrielle Viviani, Obermeister der Kabale, gibt gleich zu Beginn der Oper, stimmlich und schaupielerisch in Duett mit seinem „Kunden und Freund“ Don Pasquale È permesso – ist’s erlaubt (1.Akt, 2. Szene) den Ton an. Sei noch erwähnt Richarch Tronc als williger Pseudo-Notar und ein kräftiger Chor. In dieser sich überstürzenden Raserei gelingt es Enrique Mazzola con brio Solisten, Chor und Orchester zusammenzuhalten.

Fazit

Als Verdi 1842 in Mailand mit Nabucco und Wagner 1843 in Dresden mit dem fliegenden Holländer schon neue Opernstile ankünden, bringt Donizetti noch im selben Jahr 1843, beauftragt vom Théâtre Italien, mit Don Pasquale die letzte buffa Oper auf die Bühne. Sie ist zu einem anhaltend weltweiten Erfolg geworden, doch ist mit ihr die jahrhundertelange Tradition der italienischen Opera buffa endgültig zu Ende gegangen.

Das Théâtre des Champs-Élysées hat uns dieses letzte Glanzstück der Rossini-Bellini-Donizetti-Ära in einer fast ausschließlich italienischen Besetzung wiederbeschert. Das Ergebnis ist eine einheitlich hervorragende ensemble Darbietung auf sehr hohen musikalischem und – bei einer buffa Oper nicht zu vergessen – schauspielerischem Niveau. Es ist eine wohldurchdachte Inszenierung, voll witziger Einfälle, in welche die schwungvolle, ausgelassen-heitere bis psychologisch grausame Handlung glaubwürdig eingebettet ist. Es gab viel Applaus.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Vincent Pontet/WikiSpectacle

Das Bild zeigt: Francesco Demuro (Ernesto), Desiree Rancatore (Norina), Alessandro Corbelli (Don Pasquale) und Gabriele Viviani (Dr. Malatesta) v.l.n.r.

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