OTELLO OSSIA IL MORO DI VENEZIA – OTELLO ODER DER MOHR VON VENEDIG – Zürich, Opernhaus

von Gioachino Rossini (1792-1868), Dramma per musica in drei Akten,. Libretto: Maria Berio di Salza nach William Shapespeares Othello

UA: 4. Dezember 1816 Neapel, Teatro del Fondo

Regie: Moshe Leiser und Patrice Caurier, Bühne: Christian Fenouillat, Kostüme: Agostino Cavalca, Licht: Hans-Rudolf Kunz und Christophe Forey

Dirigent: Muhai Tang, Orchester Orchestra La Scintilla und Chor und Zusatzchor, Choreinstudierung: Jürg Hämmerli

Solisten: John Osborn (Otello), Cecilia Bartoli (Desdemona), Peter Kálmán (Elmiro), Javier Camarena (Rodrigo/Lucio), Edgardo Rocha (Jago), Liliana Nikiteanu (Emilia), Nicola Pamio (Doge), Ilker Arcayürek (Gondoliero)

Besuchte Aufführung: 10. Februar 2012 (Premiere, Otello erstmals in Zürich aufgeführt)

Kurzinhalt

Die Handlung spielt im sechzehnten Jahrhunderts. Dem venezianischen Feldherrn Otello gelingt es, die Seeschlacht in Zypern gegen die Türken zu gewinnen. Otello ist mit der adligen Venezianerin Desdemona heimlich verheiratet. Doch ihr Vater Elmiro fängt die Briefe Otellos ab, denn er will Desdemona mit dem Sohn des Dogen Rodrigo vermählen, wogegen sie sich wehrt. Otello trifft ein und bekennt offen, Desdemona zu lieben. Hierauf kommt es zu einer Auseinandersetzung mit Rodrigo. Otello verlangt von seinem Vertrauten Jago Beweise hinsichtlich der Untreue seiner Frau. Jago überreicht ihm einen an ihn gerichteten Brief Desdemonas, sagt ihm allerdings, er sei von Rodrigo. Auch der Vater Elmiro sieht sich in seiner Ehre verletzt und weist seine Tochter von sich. Höllische Eifersucht flammt bei Otello auf, so daß er die schlafende Desdemona aufsucht und sie ersticht. Kurze Zeit später Otello erkennt seinen Irrtum und nimmt sich das Leben.

Aufführung

Die venezianische jedoch eher zeitlose Stimmung ist sofort durch einige stilechte Einrichtungsgegenstände hergestellt. Ein besonderes Schmuckstück stellt ein sehr großer Glasleuchter dar, der über der Mitte der Bühne schwebt und den Raum optisch erweitert. Wie aus einem alten Gemälde heraus entflohen tritt der alte Doge in seiner historischen Robe mit der klassischen Kopfbedeckung auf. Eine weitere Augenweide sind die bunten Kleider und anmutigen Masken der venezianischen Gesellschaft.

Genau eingepaßt bewegt sich das Appartement Otellos vom Hintergrund her und schließt an die Kante des Orchestergrabens auf. Das chaotische Gemach (alte Möbeln, ein Ventilator an der niedrigen Decke und grüne Wände) des dunkelhäutigen Otello steht in einem deutlichen Kontrast zum vorangehenden Bühnenbild und dem in Venedig geordneten Lebensstil.

Das Schlafzimmer des Elmiro zeigt ein mit kostbar schimmerndem Gewebe bedecktes Bett. Ein besonderes Bild entsteht, als Desdemona unter die Decke schlüpft und darin einschläft.

Sänger und Orchester

Unter der hinreißenden Leitung von Muhai Tang spielte das Orchestra La Scintilla auf historischen Instrumenten die Sänger untermalend und so begleitend, daß man den Gesang sehr deutlich wahrnehmen konnte. Exakte und präzise Einsätze, weiche und gleichwohl dynamisch lebendige Linienführung prägte die Instrumentalmusik. Die klargesungenen und kraftvollen Chorpassagen waren der Chorleitung von Jürg Hämmerli zu verdanken.

Das Sängerensemble debütierte in ihren Rollen mit der Ausnahme des John Osborn, welcher die Rolle des Otello mitreißend echt, angenehm weich und mit Leichtigkeit im Klang meisterte. Überzeugende Ausstrahlung brachte Cecilia Bartoli (Desdemona) auf die Bühne. Sie war stets authentisch mit ihren schwingend ausgestalteten Koloraturen. Die flexible, kräftige, bestens intonierende und artikulierte Stimme des temperamentvollen Javier Camarena (Rodrigo) wuchs immer mehr im Verlaufe des Abends und baute kräftig am Gerüst der dramatischen Spannung mit. Etwas klangliche Schärfe empfand man bei Edgardo Rocha (Jago). Während Ilker Arcayürek (Gondoliero) seine kantabele Passage sang, schrieb Desdemona zitternd die Worte seines Liedes an die Wand. Nicola Pamio (Doge) gab das Bild eines alten und in Ehren ergrauten Dogen, der seinen kurzen, jedoch wirkungsvollen Auftritt vorzüglich meisterte. Peter Kálmán (Elmiro) gab seiner Vaterrolle eine entsprechend leidenschaftliche Strenge. Liliana Nikiteanu verkörperte mit ihrer tragenden tiefen Stimme eine liebliche Emilia und brachte das sanfte Fundament gut zustande, welches in Duetten besonders gut zur Geltung kam. Die kunstvoll auskomponierten Ensembles bildeten die musikalischen Höhepunkte des Abends, indem sie als kostbar funkelnde und bezaubernde Klangteppiche im Raum schwangen, als die Sänger jeweils den eigenen Stimmcharakter unverkennbar darbietend, mit den in einander greifenden und ausgezeichneten Koloraturen durchwoben.

Fazit

Beifall des Publikums begleitete wärmstens viele der Solopartien. Nach dem dritten Akt wollte der Applaus nicht mehr enden; bei dieser außergewöhnlich starken Besetzung des Abends war dies auch nicht verwunderlich. Ein erstklassiges Klangerlebnis mit künstlerischem Höchstanspruch war in jeder Hinsicht garantiert.

Ruta Akelyte Hermann

Bild: Hans Jörg Michel

Das Bild zeigt John Osborn (Otello) und Cecilia Bartoli (sterbende Desdemona)

Veröffentlicht unter Opern, Zürich, Opernhaus