LOHENGRIN – Freiburg,Theater

von Richard Wagner (1813-1883), Romantische Oper in drei Akten, Libretto: Richard Wagner, UA: 1850, Weimar, Großherzogliches Hoftheater

Regie: Frank Hilbrich, Bühne: Stefan Heyne, Kostüme: Nicole von Graevenitz, Licht: Michael Philipp Dramaturgie: Dominica Volkert

Dirigent: Fabrice Bollon, Orchester: Philharmonisches Orchester, Opernchor, Extrachor und Zusatzchor Freiburg, Choreinstudierung: Bernhard Moncado

Solisten: Christian Voigt (Lohengrin), Christina Vasileva (Elsa), Neal Schwantes (Telramunt), Jin Seok Lee (König Heinrich), Sigrun Schell (Ortrud), Juan Orozco (Heerrufer), Vera Stöckle (Königin Mathilde), Andreas Hauser (Gottfried), Se-Hun Jin, Moritz Kallenberg, Se Hun Park, Won Kim (Brabantischen Edlen), Kristina Bolkenius, Franziska Gündert, Claudia Mundi, Katharina Schwesinger (Brautjungfern)

Besuchte Aufführung: 21. Januar 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Am Gerichtstag unter König Heinrich dem Vogler verteidigt ein mysteriöser, von einem Schwan über das Wasser gezogene Ritter, die von Friedrich von Telramund angeklagte Elsa von Brabant. Elsa soll ihren Bruder, den Thronfolger Gottfried, ermordet haben. Der Schwanritter besiegt Telramund im Zweikampf, läßt ihn aber am Leben. Unter der Bedingung, daß ihn Elsa nie nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen dürfe, willigt er ein, Elsa zu heiraten und die Herrschaft über Brabant zu übernehmen. Telramund und Ortrud, seiner Frau, jedoch gelingt, es nach und nach Zweifel in Elsa zu wecken, so daß sie die Frage nach der Hochzeit mit dem Schwanritter schließlich doch stellt. Da gibt Lohengrin sich zu erkennen: Er ist ein Gralsritter und der Sohn Parzivals. Nun müsse er für immer auf die Gralsburg Montsalvat zurückkehren. Zuvor jedoch verwandelt er den von Ortrud in einen Schwan verzauberten Gottfried wieder in seine menschliche Gestalt zurück.

Aufführung

Die in einer riesigen Bibliothek spielende Aufführung arbeitet mit und gegen Wagner die negativen Seiten von dessen Künstlerbild heraus. So bricht nach dem Sieg des revolutionären Erlösers Lohengrin über den Denker-Bürokraten Telramund ein Tumult aus, der sich in der Zerstörung der Bibliothek durch die bürgerlichen Massen äußert. Die vom gesellschaftlichen Außenseiter Lohengrin freigesetzte Dynamik schafft keine Utopie, sondern drückt sich in der gewalttätigen Entladung des kollektiven Ressentiments gegen alles Intellektuelle aus. In der Folge nimmt die Verehrung Lohengrins und Elsas kultisch groteske Züge an: Seine Untergebenen kriechen auf dem Boden, indem sie die Bewegungen eines Schwans imitieren. Zu Beginn des dritten Aktes wird ein echter Schwan wie ein Götze angebetet, seine Eier als Machtsymbole hochgehalten. Lohengrins Abschiedsbekundung mündet am Ende in die Selbstzerfleischung der Menge, die die geständige Ortrud lyncht, und der anschließend zurückverwandelte Gottfried scheint wie tot. Daß Lohengrin am Ende doch nicht geht, sondern von erhöhter Position aus auf sein Trümmerfeld herabschaut, wirkt so hoffnungslos wie egoistisch. Dies zumal auch die in Wagners Textbuch nicht vorgesehene Figur der Mathilde, Heinrichs Frau, stumme Zuschauerin bleibt, ohne jeglichen Einfluß auf das Geschehen.

Sänger und Orchester

Christian Voigt singt mit wenig Vibrato, klarer Diktion und tenoralem Höhenglanz einen überzeugenden Lohengrin. Daß ihm auf dem Höhepunkt der Gralserzählung kurz die Stimme wegbricht, vergißt man darum rasch. Ebenso macht Christina Vasileva als Elsa ihre leichten sprachlichen Defizite durch ein weites Spektrum an Klangfarben und Tonfällen vergessen. Die Gewandtheit der Stimmführung steht bei ihr im Dienst der dramatischen Auslotung ihrer Rolle. Von der vokalen Durchdringung her steht ihr Sigrun Schells Ortrud in nichts nach, so daß die Duette zwischen den beiden zu den Höhepunkten der Aufführung zählen. Majestätische Größe verstrahlt der in seiner vokalen Plastizität nahezu ideale König Heinrich von Jin Seok Lee, dessen Anweisung Juan Orozcos Heerrufer mit volltönender Würde bekannt gibt. Neal Schwantes liefert als Telramund ein vokal äußerst vielseitiges wie darstellerisch einfühlsames Charakterportrait ab. Auch die brabantischen Edlen sowie die Brautjungfern bieten mehr als adäquate Ensembleleistungen. Zu den eindrücklichsten Teilen der Aufführung zählen jedoch die Szenen mit dem Freiburger Opernchor, der den Hochzeitszug sublim gestaltet, in den anderen Szenen dagegen so kraftvoll agiert, daß die Gewalt der Massen auf fast beängstigende Weise verdeutlicht wird. In den hohen Streichern des Vorspiels anfangs noch ungenau, steigert sich das Philharmonische Orchester Freiburg unter Fabrice Bollon in einen veritablen Wagner-Rausch, der die instrumentatorischen Besonderheiten dieser romantischen Oper prachtvoll zur Entfaltung bringt.

Fazit:

Das Publikum zeigte sich am Premierenabend einhellig begeistert. Selbst die obligatorischen Buhs für die Regie blieben aus. Der entlarvende, dabei nie am Werk vorbeigehende Blick auf Wagners Künstlerbild macht diesen Lohengrin in Verbindung mit den herausragenden musikalischen Leistungen wohl zu einem der Glanzpunkte in der aktuellen Freiburger Spielzeit.

Aron Sayed

Bild: M. Korbel

Das Bild zeigt: Christian Voigt (Lohengrin), Christina Vasileva (Elsa), und Chor

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