GESPRÄCHE DER KARMELITINNEN – Berlin, Komische Oper

von Francis Poulenc (1899-1963), Oper in drei Akten, Text: Francis Poulenc, nach dem Drehbuch von Georges Bernanos, deutsche Textfassung von Peter Funk und Wolfgang Binal, UA: 26. Januar 1957, Teatro alla Scala, Mailand

Regie, Calixto Bieito, Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Info Krügler, Dramaturgin: Bettina Auer, Licht: Franck Evin, Video: Robert Lehniger

Dirigent: Stefan Blunier, Orchester und Chorsolisten der Komischen Oper Berlin, Einstudierung: André Kellinghaus

Solisten: Claudio Otelli (Marquis de La Force), Maureen McKay (Blanche de La Force), Dmitry Golovnin (Der Chevalier), Christiane Oertel (Madame de Croissy), Erika Roos (Madame Lidoine) Irmgard Vilsmaier (Mutter Marie), Julia Giebel (Schwester Constance) u.a.

Besuchte Aufführung: 26. Juni 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Das Leben von Blanche De La Force wird seit ihrer Geburt, während derer ihre Mutter starb, von unerklärlicher Angst überschattet. Sie beschließt darum in der Abgeschiedenheit eines Karmelitinnenklosters in Compiègne zu leben – gegen den Willen ihrer Familie, zu Zeiten der Französischen Revolution. Obwohl die Priorin Blanches Motivation bei der Bewerbung für das Kloster anzweifelt, wird Blanche in den Orden aufgenommen.

Während die Priorin qualvoll im Sterben liegt, prophezeit Schwester Constance ihrer Mitnovizin Blanche den gemeinsamen frühen Tod; die Priorin vertraut Blanche auf dem Sterbebett Mutter Marie an. Blanche wird immer wieder von Angstzuständen geplagt. Als die Schwestern die Blutzeugenschaft ablegen, flieht Blanche in das Haus ihres ermordeten Vaters. Dort erfährt sie von der Verhaftung der Mitschwestern, denen das Todesurteil verkündet wird. Auf dem Weg zum Schafott singen sie das Salve Regina. Plötzlich stimmt Blanche ein und folgt ihren Mitschwestern in den Tod.

Aufführung

Die Aufführung wird von einem sperrigen Bühnenbild dominiert: eine regalartige Bettenburg auf einer Drehbühne in tristen Farben und in sich vollkommen unbeweglich. Links und rechts davon jeweils eine vertikale Reihe von Bildschirmen, welche die Bühne visuell zusammendrängen – und durch Spiegelungen bisweilen während der Aufführung den Dirigenten in Aktion zeigen. Dazwischen bahnen sich die Akteure ihre Wege, inmitten des unterkühlten Szenarios stirbt die Priorin und wird das Todesurteil verlesen. Hier wandelt auch die vom Regisseur hinzugefügte zombieartige Zusatzfigur in transparenter Kleidung umher, die das Geschehen bis zum Ende passiv mitverfolgt. Auf ihren Körper wird das Grauen visuell mit projiziert (z.B. durch das Scheren ihrer blonden Haare). Weitere Dramatisierung erfolgt durch den Einsatz ausgedehnter Generalpausen. Eine immer wieder auftretende lange Stille, die es auszuhalten gilt, bis die Bettenkonstruktion schließlich direkt zum Schafott umfunktioniert wird und das brutale Niederrauschen der Klinge zum Salve Regina das Ende verkündet. Das dominante Bühnenbild tritt dann in den Hintergrund, wenn die Karmelitinnen während der Ensembles als Chor geschlossen am Bühnenrand stehen und frontal in den Zuschauerraum singen.

Sänger und Orchester

Die stärkste Gesangsleistung des Abends zeigte das Vokalensemble der Karmelitinnen. Mit den höchst empfindsam vorgetragenen liturgischen Texten, durch schöne Bögen und gut abgestimmte Dynamik schafften sie es, trotz des Bühnenbildes eine intime, fragile Atmosphäre zu erzeugen. Ähnliches gilt für Maureen McKay als Blanche, die in lauteren Passagen allerdings manchmal zu starkes Vibrato einsetzte, dafür aber bei sehr guter Textverständlichkeit besonders im Pianissimo mit beeindruckender Zartheit sang. Gerade die bedrückende Szene am Sterbebett der Priorin gewann durch diese stimmlichen Möglichkeiten, während Julia Giebel in der Rolle der Schwester Constance leider vor allem im ersten Akt sehr oft dynamisch übertrieb – schade angesichts ihrer lyrischen Stimme. Ein negativer Beigeschmack der gesamten Premiere bleibt das Schauspielerische: Man sah in jedem Augenblick, dass auf der Bühne gespielt wurde, und man fragt sich, ob das Stehtheater passend zur brachialen Bühne Absicht des Regisseurs ist.

Schön anzuhören waren jedenfalls den gesamten Abend über Irmgard Vilsmaier (Mutter Marie), ebenso Claudio Otelli (Marquis de La Force) und Erika Roos (Madame Lidoine). Christiane Oertel gefiel dank ihrer wohldosierten Deklamation besonders als alte Priorin, ging nur leider im insgesamt sehr laut klingenden Orchester schon in den mittleren Lautstärkeregistern häufig unter. Perlte das Orchester noch in der Anfangsszene (mit einem bestens aufgelegten Schlagwerk), so ließ es später deutlich nach: Zwar produzierten Streicher und Harfe einen durchweg warmen, einnehmenden Klang, doch wurde alle Expressivität durch die oft schwachen, unkoordiniert einsetzenden Bläser gedämpft. Auch dafür gilt: Schade, denn gerade die Interludes hätten mit den kraftvollen Bässen – aber eben insgesamt mit mehr Homogenität – oft eine wahrhaft mystische Stimmung kreieren können.

Fazit

Das Publikum reagierte mit anfangs eher zurückhaltendem Applaus; auch wenn es sogar Fußtrampeln und vereinzelte Bravorufe gab: man wirkte irritiert. Während der langen Generalpausen begann hier und dort eine private Konversation. Die bewußt eingesetzte Stille im Bühnenraum konnte offenbar nicht fesseln. Diese Unkonzentriertheit im Publikum ging konform mit dem letztlich nicht ganz einnehmenden musikalischen und schauspielerischen Gesamtverlauf des Abends. Schade um die Musik, schade um die vielen guten einzelnen Koordinaten der Aufführung.

Carolin Krahn

Bild: Monika Rittershaus

Das Bild zeigt: Maureen McKay (Blanche de La Force)

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