MACBETH – Nürnberg, Staatstheater

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: G. Verdi, Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach The Tragedy of Macbeth (1606) von William Shakespeare UA: 1865, Paris, (Zweitfassung)

Regie: Georg Schmiedleitner, Bühne: Harald Thor

Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnberger Philharmoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Edgar Hykel

Mikolaj Zalasinski (Macbeth), Lisa Houben (Lady Macbeth), Nikolai Karnolsky (Banquo), David Yim (Macduff), Kalle Kanttila (Malcolm), Isabel Blechschmidt (Kammerfrau), Michael Dudek (König Duncan).

Besuchte Aufführung: 5. März 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Dem schottischen Fürsten Macbeth prophezeien Hexen nach einer Schlacht, daß er zum neuen Than von Cawdor ernannt werden wird. Mit diesem tatsächlichen Aufstieg ist sein – und seiner Gemahlin – Ehrgeiz angestachelt, auch nach der Königswürde zu greifen. Macbeth ersticht den König im Schlaf, um danach selbst gekrönt zu werden und zusammen mit seiner Gattin eine von Angst, Mißtrauen und Terror gekennzeichnete Epoche in der schottischen Geschichte einzuleiten. Das Blut der zahllosen Opfer fällt schließlich auf die beiden zurück: Lady Macbeth tötet sich im Wahn und Macbeth wird bei einer Revolte umgebracht, kurz nachdem ihm die Sinn- und Fruchtlosigkeit seines gesamten Handelns aufgegangen ist.

Aufführung

Das Bühnenbild ist relativ simpel: Vier nebeneinander liegende Stahlplatten lassen sich zu einem Raum zusammensetzen und bilden einen Boden, zwei Seitenwände und eine Hinterwand. Sie lassen sich auch in gekippten Positionen fixieren. Eine vom Schnürboden herabgelassene Platte bildet dabei eine Decke, bietet aber auch den beständig anwesenden Hexen eine Plattform, um durch ihre Fäkalien mit der schottischen Gesellschaft zu interagieren. Am Anfang tragen Macbeth und Lady Macbeth weiße unschuldige Kleidung, aber schon der Mord an Duncan führt zu häßlichen Flecken. Das Blut der zahllosen Opfer wird von den Hexen an den Stahlwänden verwischt, wobei auch diese ihre Unisex-Kleidung beflecken. Die Kinderpuppen, die von Lady Macbeth zerschlagen werden und die für die zahllosen Morde im Auftrag Macbeths stehen, werden zuvor vom Bewegungschor geboren. Zum Schluß überreicht Macduff zunächst Macbeth ein Bäumchen und sticht dann mit dem Messer auf ihn ein, während Malcolm zusieht. Macbeth ersticht sich, während Lady Macbeth unter einer Plastikfolie erstickt.

Sänger und Orchester

Daß es den Protagonisten nicht gelingt, die inneren Gefühle der dargestellten Personen zu veranschaulichen, ist die eine Seite. Daß sie aber auch stimmlich eindimensional in der Wirkung bleiben, ist etwas befremdlich und wahrscheinlich den hohen Anforderungen der Inszenierung geschuldet. Denn Mikolaj Zalasinski zeigt durchaus Ansätze zu einer differenzierten Darstellung des wachsenden Wahnsinns des Macbeth, jedoch bleiben sie irgendwo im Dauerforte stecken. Daß er jedoch in der Lage ist, die Partie so durchzustehen, ohne daß die Stimme gepreßt klingt, sondern immer geschmeidig bleibt, rückt seine Leistung durchaus in den Bereich der Weltklasse. Lisa Houben (Lady Macbeth) kann über weite Strecken mithalten, doch in der Höhe und besonders im Forte kann die Stimme nur noch gepreßt geführt werden und das Tremolo nimmt überhand. Nicolai Karnolsky (Banquo) ist ein volltönender, fast schwarzer Baß, der auch mit einer soliden Höhe glänzt und damit über eine gewaltige Reichweite verfügt. David Yim (Macduff) ist ein beeindruckender italienischer Tenor mit Eloquenz besonders in den hohen Lagen und kann im Finale volle Durchschlagskraft auffahren. Über viel lyrischen Wohlklang verfügt Kalle Kanttila, der den Malcolm eher im deutschen Tenor-Fach ansiedelt.

Ebenso sehr gefordert ist der Bewegungschor, der beständig in allen möglichen und unmöglichen Positionen als Hexen oder schottische Edle über die Bühne wuselt. Daß dabei manchmal die Einheitlichkeit der Einsätze auf der Strecke bleibt, ist wohl unvermeidlich. Jedoch findet man, wohl wegen der guten Einstudierung durch Edgar Hykel, zu den gewohnten gewaltigen Klangbildern zurück. Der einzige Gewinner des Abends ist neben Giuseppe Verdi das Orchester unter Guido Johannes Rumstadt, das in gewohnter Weise die Manierismen der italienischen Romantik zelebriert und so die tiefen Gefühlswelten des Werkes aufzeigen kann.

Fazit

Eigentlich paradox, daß bei so viel auf der Bühne verwischtem Theaterblut und menschlichen Fäkalien aller Art, so eine blutleere Inszenierung entstanden ist. Die Beziehung zwischen den Hauptdarstellern, besonders Macbeth und Lady Macbeth, wurde kaum deutlich, genausowenig wie der fortschreitende Wahnsinn, hervorgerufen durch irrsinnige Machtgier. Dafür waren die zahlreichen Hexen nicht furchteinflößend, sondern eher ansehnlich. Und das dramatische Finale, wenn Macduff ein Bäumchen aus Birnam überreicht und Malcolm mit der Axt über der Schulter auftritt, wird mit Gelächter quittiert. Genauso unentschlossen die Publikumsreaktion: Verhaltener Beifall für die musikalische Seite traf auf unentschlossene Buh-Rufer für eine unentschlossene Regie.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Stehen knietief im Blut: Lady Macbeth, die Hexen (und die Spitzen der Gesellschaft)

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