OTELLO – Kassel, Staatstheater

von Giuseppe Verdi (1813–1883), Dramma lirico in vier Akten, Libretto: Arrigo Boito, UA: 1887, Mailand.

Regie: Volker Schmalöer, Bühne: Daniel Roskamp, Kostüme: Sabine Böing

Dirigent: Marco Comin, Staatsorchester Kassel, Opernchor, Extrachor und Kinderchor Cantamus des Staatstheaters Kassel, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti

Solisten: Ricardo Tamura (Otello), Sara Eterno (Desdemona), Espen Fegran (Jago), Dong Won Kim (Cassio), Janos Ocsovai (Roderigo), Mario Klein (Lodovico), Igor Durlovski (Montano), Inna Kalinina (Emilia), Henning Leiner (Herold).

Besuchte Aufführung: 5. Februar 2011 (Premiere 29.01.2011)

Kurzinhalt

Nach dem Sieg über die Türken kehrt Otello nach Zypern zurück. Während der Siegesfeier beginnt Jago eine Intrige: Er verleitet Cassio dazu sich zu betrinken, worauf Otello ihn suspendiert. Dann schickt Jago Cassio zu Otellos Geliebter Desdemona, um über sie eine Begnadigung zu erlangen. Otello belauscht das Gespräch der beiden und wird eifersüchtig. Jago spinnt seine Intrige immer weiter, bis Otello Desdemona erdrosselt. Er ersticht sich neben ihrem Leichnam.

Aufführung

Das Einheits-Bühnenbild von Daniel Roskamp zeigt einen Raum, an dessen Seitenwänden und Decke überdimensionale Ventilatoren angebracht sind. An der linken Seite befindet sich eine Rampe, den Boden bedeckt Kunststoff-Granulat. Die Hinterwand läßt sich teilen, um den Blick auf den Nachthimmel freizugeben. Hier versammeln sich die türkischen Zyprioten (in schwarz gekleidet mit Kopftuch) zum Schutz vor Krieg und Sturm, um dann anteilslos die Siegesfeier der Venezianer zu verfolgen, bei der der Alkohol in Strömen fließt und die Leichen der Gefallenen verbrannt werden. Anschließend huldigen die italienische Gemeinde und Kinder im weißen Firmkleid mit dem Rosenkranz in der Hand Desdemona. Im dritten Akt laufen die Ventilatorenschächte mit dunklem Wasser voll. Die Kostüme von Sabine Böing könnten einem italienischen Modemagazin entsprungen sein. Zum Empfang Lodovicos trägt der Chor elegante Sommerabendgarderobe, die Herren Offiziere italienische Phantasieuniformen im modischen Schnitt, Desdemona ein weißes Kleid, später ein weißes Brautkleid, während Otello hilflos durch die bunten Reihen des Chors irrt.

Sänger und Orchester

Das vorzügliche Orchester unter der Leitung von Marco Comin zeigt in der herrlich transparenten und messerscharfen Akustik des Staatstheaters, was für die musikalische Untermalung dieser Tragödie notwendig ist: Er versucht das Blech zurückzuhalten, und ihm gelingt mit viel Gefühl eine tiefschürfende und damit mitfühlende musikalische Beschreibung der inneren Handlung. Die eindringliche Sturmschilderung im Orchester oder der nicht pompöse, sondern verhalten gestaltete Jubel-Chor mögen als Beispiele ausreichen. Ricardo Tamura als Otello folgt diesem Konzept. Er ist ein strahlender italienischer Tenor und verfügt über Schmelz in der Mittellage und eine glänzende, mühelos ansprechende Höhe. Sara Eterno gibt der Desdemona eine jugendliche Ausstrahlung, besonders in der Höhe. Ihr glockenklares Gebet geht wirklich zu Herzen. Espen Fegran gibt einen in allen Registern überzeugenden Jago, er ist ein Dämon in der Maske des Biedermannes. Seinen Bariton läßt er in allen Farben erstrahlen, sein Bekenntnis zum Bösen treibt einem Schauder über den Rücken. Inna Kalinina ist ein volltönender Mezzosopran und verleiht der Figur der Emilia Glaubwürdigkeit. Mühelos kann man sie in den Choreinsätzen heraushören. Der Chor ist ausgewogen und klanglich harmonisch. Besonders erwähnenswert ist der Kinderchor, der die Huldigung Desdemonas wirklich herzergreifend und musikalisch einwandfrei in hoher Stimmlage ausführt. Auch in den Nebenrollen kann das Haus mit hervorragenden Kräften aufwarten. Besonders erwähnenswert Dong Won Kim (Cassio), der als Spieltenor den betrunkenen Cassio hervorragend singt.

Fazit

Zum Ende eine gespaltene Publikums-Reaktion: Während die musikalische Seite, also vor allem. das Protagonistenpaar, lautstark gefeiert wird, ist die Reaktion auf die Regie nicht rundum positiv. Offensichtlich hält ein Teil der Zuschauer die drei überdimensionalen Ventilatoren für eine interessante Metapher für den Sturm oder die Intrige, während des anderen Zuschauerteils kein Verständnis für das Bühnenbild aufzubringen vermögen. Da vermögen auch die konventionelle Personenführung sowie die hervorragenden Sängerdarsteller nicht zu versöhnen.

Oliver Hohlbach

Bild: N. Klinger

Das Bild zeigt: Mario Klein (Lodovico), Dong Won Kim (Cassio), Maren Engelhardt (Emlilia) und Sara Eterno (Desdemona) (v.l.n.r.), Chor (hinten)

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