New York, Metropolitan Opera – PETER GRIMES

von Benjamin Britten (1913-1976), Oper in einem Prolog und drei Akten, Text von Montagu Slater nach einem Gedicht von George Crabbe; UA: 1945 London
Regie: John Doyle, Bühnenbild: Scott Pask, Kostüme: Ann Hould Ward, Licht: Peter Mumford
Dirigent: Donald Runnicles, Chor der Metropolitan Opera, Einstudierung: Donald Palumbo
Solisten: Anthony Dean Griffey (Peter Grimes), Patricia Racette (Ellen Orford), Dean Peterson (Hobson), John Del Carlo (Swallow), Felicity Palmer (Mrs. Sedley), Jill Grove (Auntie), Greg Fedderly (Bob Boles), Anthony Michaels-Moore (Captain Balstrode), Bernard Fitch (Rev. Horace Adams), Leah Partridge und Erin Morley (zwei Nichten), Teddy Tahu Rhodes (Ned Keene)
Besuchte Vorstellung: 15. März 2008 (Premiere 28. Februar 2008)

Kurzinhalt
ny-peter-grimes.jpgDie Handlung spielt zu Beginn des 19. Jh.s in dem kleinen Fischerdorf Borough an der rauhen englischen Westküste. Der überaus erfahrene Fischer Peter Grimes ist angeklagt, den Tod seines Lehrlings verschuldet zu haben, was ihm jedoch nicht nachzuweisen ist. Die Stimmung im Dorf wird ihm gegenüber daraufhin immer feindseliger, lediglich die Schulmeisterin Ellen Orford und Captain Balstrode, halten noch zu ihm, auch wenn ihm letzterer dazu rät, die Gegend zu verlassen. Doch Grimes hat andere Pläne: Seine genaue Kenntnis des Meeres, die ihm stets erfolgreiche Fischzüge erlaubt, will er ausnutzen, um genug Geld für eine sichere Existenz auf dem Lande zu verdienen und Ellen zu heiraten. Als er einen neuen Lehrling bekommt, führt er ihn sogleich mit größter Strenge in sein Handwerk ein. Zwar versucht ihn Ellen daran zu hindern, zuviel von dem Jungen zu verlangen, doch Grimes verliert darüber die Fassung und schlägt sie ins Gesicht. Die Dorfbevölkerung beginnt unruhig zu werden, und wütend zieht man zu Grimes’ Hütte, der seinen Lehrling so unbedacht hinaus scheucht, daß er die Klippen hinunterstürzt. Für einige Tage gelingt es ihm zwar noch, dieses tragische Vorkommnis geheim zu halten, doch als man über den Tod auch des zweiten Lehrlings zu spekulieren beginnt, macht sich der rasende Mob wiederum zu seiner Hütte auf. Grimes setzt die Segel und versenkt sein Boot in einem aufkommenden Sturm.
Die Aufführung
Die rezensierte Aufführung wurde weltweit in Kinos in über 15 Ländern live übertragen, was sich, um es vorwegzunehmen, als wahrhafter Glücksgriff erwies. Musikalisch und szenisch bekam das Publikum an diesem Nachmittag Leistungen auf allerhöchsten Niveau geboten, wofür es sich mit stehenden Ovationen bei dem Sänger der Titelpartie und lauten Bravorufen für Dirigent und Orchester vor dem zweiten und dritten Akt bedankte, und das völlig zurecht. Donald Runnicles vermochte es, wirklich jeden Klang der Britten’schen Partitur an diesem Abend zum Ereignis werden zu lassen. Es dürfte wohl kaum möglich sein, diese Musik noch präziser – die gestochen scharfe Phrasierung in Holz- und Blechbläsern, wie sie für amerikanische Orchester bezeichnend ist, kam hier voll zur Geltung –, klanglich ausgewogener – auch in den extrem lauten und leisen Passagen – und dabei so packend und atmosphärisch dicht aufzuführen. Dem Zuhörer wurde die Wucht von See und Sturm praktisch physisch erfahrbar, man glaubte förmlich, das Salz in der Luft zu schmecken.
Die Sänger boten allesamt hervorragende Leistungen und klangschöne Stimmen – lediglich Patricia Racette (Ellen Orford) bildete aufgrund ihres unangenehm starken Tremolos eine Ausnahme – und erwiesen sich darüber hinaus als äußerst versierte Darsteller. Natürlich gebührt neben Felicity Palmer (Mrs. Sedley) dem Sänger der Titelpartie, Anthony Dean Griffey, hier das höchste Lob, denn seine enorme Bandbreite in der Tongebung, vom beinahe schon sprechenden Ton bis hin zum lyrischen, an Peter Pears – für den diese Partie komponiert wurde – erinnernden, leicht verschleierten Schmelz, paart sich mit einer großen darstellerischen Begabung, die dem Publikum diese düstere Figur in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit nahebringt.
Bühnenbild, Regie und Kostüme sind halb naturalistisch und greifen sehr geschickt die von der Oper geschilderte, bedrückende dörfliche Enge auf: Die Handlung spielt auf engstem Raum, am vorderen Rand der Bühne, der durch eine gewaltige Schuppenwand, die sich über die volle Höhe und Breite der Bühne erstreckt und keinen Himmel darüber erkennen läßt, abgegrenzt wird. Die Personenführung und Choreographie ist sehr intelligent und ökonomisch, nichts, was die musikalische Dramaturgie in irgendeiner Form stören würde. Das Publikum blieb, was für New Yorker Verhältnisse völlig ungewöhnlich ist, bis zum letzten Ton und sogar noch darüber hinaus auf seinen Plätzen und feierte die Ausführenden.
Fazit
Man kann der Met nur zu dieser Produktion gratulieren. Die schon beinahe hypnotische Wirkung von Runnicles’ Dirigat wird durch die unaufdringliche, kultivierte Regie Doyles verstärkt und ergänzt. Ein Muß für jeden New-York-Besucher!

Dr. Martin Knust
Bild: Ken Howard, Das Bild zeigt  Patricia Racette (Ellen Orford) und Erikson

Veröffentlicht unter New York, Metropolitan Opera

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