Köln, Oper – TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG

Musik und Text von Richard Wagner, Romantische Oper in drei Aufzügen.
UA: 19. Oktober 1945, Hoftheater, Dresden (sog. Dresdner Fassung, in Köln verwandt).
Regie: Jasmin Solfaghari, Bühnenbild: Frank Philipp Schlößmann, Kostüme: Mechthild Seipel
Dirigent: Markus Stenz, Gürzenich-Orchester und Chor der Oper, Einstudierung: Andrew Olivant
Solisten: Andreas Hörl (Hermann, Landgraf), Torsten Kerl (Tannhäuser), Miljenko Turk (Wolfram von Eschenbach), Martin Homrich (Walter von der Vogelweide), Andrés F. Orozco Martinez (Heinrich der Schreiber), Daniel Henriks (Biterolf), Wilfried Staber (Reinmar von Zweter), Camilla Nylund (Elisabeth, Nichte des Landgrafen), Dalia Schaechter (Venus), Susanne Nieblung (ein junger Hirt) u.a.
Besuchte Aufführung: 15. März 2008, Premiere

Kurzinhalt
koeln-tannhauser.jpgBeim Erwachen aus tiefem Schlaf weiß Tannhäuser nicht, wie lange er schon bei der Göttin Venus sich aufhält. Doch er sehnt sich zurück nach der frischen Natur in der Menschenwelt. Schließlich findet er sich in einem schönen Tal wieder. Der Landgraf und die Ritter, von der Jagd zurückkommend, finden ihn hier und begrüßen ihn freudig. Als schließlich Wolfram ihm von der auf ihn wartenden Elisabeth berichtet, geht Tannhäuser mit ihnen auf die in der Nähe liegende Wartburg. Hier gibt’s ein freudiges Wiedersehen mit Elisabeth.
Die Vorgabe des Landgrafen beim Sängerwettstreit ist, daß die Lieder das Wesen der Liebe beschreiben sollen. Die Minnesänger Wolfram, Walther und Biterolf tagen ihren abstrakten, mehr moralisierenden Liebesbegriff vor. Tannhäuser antwortet jedes Mal – immer hitziger – auf die einzelnen Sänger und setzt dagegen seine Ansicht von irdischer, sinnlicher Liebe, die er beglückt erlebt hat. Der Höhepunkt ist sein Preislied auf Venus. Die Minnesänger sind so aufgebracht, daß sie ihn mit dem Tod bedrohen. Doch Elisabeth, obwohl bis ins Herz durch Tannhäusers Aufenthalt bei Venus getroffen, stellt sich zwischen die Kontrahenten. Tannhäuser wird ausgestoßen und zur Bußfahrt nach Rom gezwungen. In der Zwischenzeit betet Elisabeth für Tannhäusers Seelenheil. Im Herbst kehrt er zurück, nicht mit den Pilgern, sondern allein. Er ist zutiefst enttäuscht, denn der Papst konnte ihn von seinen Sünden nicht lossprechen. So will er in den Venusberg zurückkehren, doch Wolfram erinnert ihn an die sterbende Elisabeth. Tannhäuser besinnt sich und stirbt in den Armen Wolframs als Erlöster.
Die Aufführung
Die Vorstellung der Teheranerin Jasmin Solfaghari zur Darstellung einer Romantische Oper nachzuvollziehen, verlangt Ungewöhnliches: Wir sehen eine Einheitsbühne, die am ehesten einer Sparkassenhalle gleicht, beleuchtet mit Neonröhren, möbliert mit einer schwarzledernen, rechteckigen Sitzcouch und vielen Stühlen, begrenzt von Glaswänden. Zuvor diente – mit riesigem blutrotem Bettlaken auf der Sitzcouch – diese Halle dem Liebesnest Venus/Tannhäuser. Nach seiner Flucht findet sich Tannhäuser nach der Spielanweisung Wagners … plötzlich in einem schönen Tal, mit blauem Himmel und heiterer Sonnenbeleuchtung. Diese von Wagner gewollte Pastorale, betont durch den Hirten, ist bei Frau Solfaghari ein Sparkassenvestibül. Durch den hinteren Teil des Vestibüls zieht eine Pilgergruppe, unschwer an roten Kreuzen auf den weißen T-Shirts erkennbar. Elisabeth tritt auf im Männerhemd mit nackten Beinen. Daß sie sich in diesem Aufzug auf den zurückkehrenden Tannhäuser freut, kann man verstehen, denn sie ist wohl am frühen Morgen noch nicht angezogen. Daß sie aber in gleicher Montur Tannhäuser und den Landgraf begrüßt, ist weniger begreifbar.
Bei der Rückkehr von seinem Rom-Büßergang findet Tannhäuser die Halle zertrümmert vor: sämtliche Fensterscheiben sind zerbrochen, die Neonröhren liegen auf der Erde, selbst die „Lustcouch“ ist umgestürzt. Bei Wagner ist es lediglich Herbst, ohne daß die Halle verwüstet ist. Mit rotem Vorhang erscheint Frau Venus wieder, doch Tannhäuser beachtet sie nicht und stirbt in Gedanken an seine keusche Elisabeth.
Die Sänger
Andreas Hörls (Landgraf Hermann) tiefer Baß hallte wohltönend durch die Sparkassenlobby. Er war für den erkrankten Reinhard Dorn eingesprungen und gestaltete seinen Part glänzend. Von Torsten Kerl (Tannhäuser) kann man das leider nicht behaupten: von Anfang an preßte er seinen Tenor durch Höhen und Tiefen, daß man manchmal Angst hatte, wann die Stimme kippen würde. Eine wahre Freude war Miljenko Turk als Wolfram. Er sang einigermaßen verständlich und seine Baritonstimme durchmaß alle Fährnisse souverän. Auch an allen anderen Minnesänger – Martin Homrich (Walter), Orozco Martinez (Heinrich), Daniel Henriks (Biterolf) sowie Wilfried Staber (Reinmar) – war nichts sängerisch auszusetzen. Beeindruckend setzte Susanne Niebling (ein junger Hirt), ihren hohen Sopran ein. Allein ihr Kostüm, mit weißen Kniestrümpfen und klobigen schwarzen Schuhen, widersprach der Sparkassenhallenumgebung. Irgendwas muß Jasmin Solfaghari im Kopf gehabt haben, das sie uns damit kundtun wollte. Vielleicht hat sie tatsächlich an eine Hirtenlandschaft (Pastorale) gedacht?
Camilla Nylund (Elisabeth) war eine Augen- und Ohrenweide: ihre Intonationssicherheit ist bewundernswert, nur ihre Aussprache ist grauenvoll: ich verstand fast nichts! Sollte man nicht doch auch bei deutschen Opern einen Übertitel mitlaufen lassen? Die schnelle Einstudierung der Gesangsrollen erlaubt zeitlich meist nicht, durch die Vokalisierung noch die Konsonanten verständlich zu singen. Dalia Schaechter (Venus) sang und bewegte sich venusgerecht.
Der Chor war gut trainiert, aber oft sehr laut. Lauter allerdings war das Orchester unter Stenz’ Stabführung. Auch eine massive Wagnerpartitur kann man zurücknehmen. Die Sänger haben es allemal schwer.
Fazit
Warum meinen eigentlich viele Regisseure, durch robustes Modernisieren eine Oper verständlicher oder sogar attraktiver zu machen? Bei dieser Inszenierung geschieht es ohne irgendwelchen Gewinn an Klarheit oder Spannungserhöhung. Im Gegenteil, es sind so viele unverständliche Einzelheiten, daß man sich langweilt oder sich ärgert oder alles beim Gesang vergißt und die Augen schließt. Ist das der Sinn einer Modernisierung, gegen die ja grundsätzlich nichts einzuwenden ist?
Einstimmiges Buhen begrüßte dann auch das Regieteam. Später kam auch Applaus auf, wohl für die Sänger, die sich dem Team hinzugesellten. Das wiederum quittierte Frau Solfaghari mit deutlichem Lachen.
Vom Sängerischen ist die Aufführung zwiespältig aufzufassen: neben hervorragenden Stimmen die Stimme des Titelhelden, der einem eigentlich den Abend verleidet.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Klaus Lefebvre, Pilger mit T-Shirt und rotem Kreuz bei ihrer Rückkehr aus Rom

Veröffentlicht unter Köln, Bühnen der Stadt

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