CARMEN – Bonn, Opernhaus

von George Bizet (1838-1875), Opéra comique in 4 Akten, Libretto:Henri Meilhac und Ludovic Halévy, UA: 4. März 1875, Paris, Opéra Comique

Regie: Florian Lutz, Bühne/Kostüme: Andrea Kannapee

Dirigent: Robin Engelen, Beethovenorcheste, Chor, Extrachor und Kinder- und Jugendchor, Einstudierung Sibylle Wagner und Ekaterina Klewitz

Solisten: Jean-Noël Briend (Don José), Mark Morouse (Escamillo), Susanne Blattert (Carmen), Julia Kamenik (Micaëla), Judith Gauthier (Frasquita), Kathrin Leidig (Mercédès), Giorgos Kanaris (Dancairo), Mark Rosenthal (Remendado), Ramaz Chikviladze (Zuniga), Sven Bakin (Moralès)

Besuchte Aufführung: 5. Dezember 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Nach einem Streit unter den Arbeiterinnen einer Zigarettenfabrik verspricht die festgenommene Zigeunerin Carmen die Geliebte des Brigadiers Don José zu werden, wenn er sie freiläßt. José gibt nach und muß wegen dieses Vergehens ins Gefängnis. Als er freikommt bedrängt ihn Carmen, sich gemeinsam mit ihren Freundinnen Mercédès und Frasquita den Schmugglern Dancaire und Remendado anzuschließen und das Leben als Soldat aufzugeben. José folgt der Bande. Carmen hat sich inzwischen in den berühmten Torero Escamillo verliebt. Als José sie während eines Stierkampfes zwingt, sich zwischen beiden zu entscheiden, gibt sie ihm den Laufpaß. Blind vor Liebe tötet José die Geliebte.

Aufführung

Die Bühne gibt den Blick auf einen Platz mit weißen Kartons frei. Im Hintergrund ist ein Fabriktor zu sehen, aus dem die Arbeiterinnen später strömen. Im Vordergrund gibt es eine kleine Polizeiwache, vor der das Verhör der Carmen stattfinden wird. Die Arbeiterinnen (der Chor) sind in einheitlichem Schwarz gekleidet. José sowie sein Vorgesetzter Zuniga sind von Choristen in Polizeiuniformen umgeben. Carmen wird (abweichend vom Original) nicht wegen Handgreiflichkeiten festgesetzt, sondern wegen der eindrucksvollen Sprengung, mit der sie die Fabrik in die Luft gejagt hat. Sie ist eine Rebellin, die gegen die bestehenden Klassenverhältnisse kämpft. Der Regisseur hat einen Karl-Marx-Darsteller als Sprechrolle (Roland Silbernagl) eingefügt, der regelmäßig inmitten der Fabrikarbeiter aus dem Kapital rezitiert, um das zu verdeutlichen. Carmen trägt Jeans und T-Shirt, eine eher kühl wirkende Aufmachung im Vergleich zu der vorgegebenen erotisierenden Darstellung. Im weiteren Verlauf wartet das Bühnenbild mit allerlei Comiceffekten auf, gezeichneten Szenen, die sich mit dem Operngeschehen vermischen. Im dritten Akt entsteigt Don José einem gezeichneten Comic-Hubschrauber, später entschwindet er mit einem Fallschirm. In authentischer Torero-Aufmachung wirkt er in der ganzen Szene wie ein Fremdkörper. Die Stierkampfszene (4. Akt) wird szenisch so umgesetzt, daß alle Mitwirkenden als Arena-Besucher in einem mit Kartons angedeuteten Amphitheater sitzen und Richtung Orchestergraben blicken. Als sich der Streit zwischen Carmen und José entzündet, erstarrt das bewegte Bild. Die Schmugglergruppe wirkt als bunter Farbtupfer wohltuend in der ansonsten, abgesehen von den Comiceffekten, schlichten Ausstattung.

Sänger und Orchester

Allem voran kann die hervorragende Leistung der Chöre erwähnt werden, die sich auch schauspielerisch gelungen einbrachten. Das Beethovenorchester seinem neuem ersten Kapellmeister Robin Engelen steigerte sich nach einer etwas plump vorgetragenen Ouvertüre hörbar, Flöte und Harfe spielten ihre wichtigen Partien bestens, auch das Blech war gut. Susanne Blattert gab eine raffinierte Carmen, deren optische Aufmachung allerdings, wie erwähnt, zu wünschen übrig ließ. Erstaunlich war, was sie gesanglich und darstellerisch aus der zur Revolutionärin gewendeten Rolle machte. Jean-Noël Briend (Don José) überzeugte vor allem im 3. und 4. Akt, verfügt über eine schöne Höhe und widerstand der Versuchung, zu laut zu singen. Mark Morouses bot mit sonorem Bariton als Escamillo eine durchweg hörenswerte Leistung mit klangvollen Tiefe und solider Stimmführung. Als Darsteller blieb er aber in seiner Bühnenpräsenz etwas steif. Gesanglich machten die Banditen ihre Sache gut, ohne daß einzelne herausgeragt hätten. Gleiches gilt für Julia Kamenik als Micaëla.

Fazit

Florian Lutz hatte die ungewöhnliche Idee, die Geschichte mit Kapitalismus-Kritik zu verbinden. Kein völlig unangebrachter Gedanke zwar, wirkte er im Verlauf allerdings bemüht und leider nicht selten unfreiwillig komisch, was dem Regisseur wohl die unüberhörbaren Buhs am Ende der Aufführung einbrachte. Der Versuch, die Aufführung durch zeichnerische Effekte in Richtung Comicstrip aufzupeppen, war ein oft zusammenhanglos dastehender und ziemlich bemüht wirkender Regieeinfall. Vollkommen mißlungen war die in einen düsteren Beatkeller verlegte, eigentlich als feurige Tanzszene gedachte Episode bei Lillas Pastia. Musikalisch war die Aufführung durchschnittlich. Die Solisten waren gut, herausragend waren die Chorpassagen, der Kinder- und Jugendchor eingeschlossen.

Felicitas Zink

Bild: Thilo Beu

Das Bild zeigt: Susanne Blattert (Carmen)

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