L’ELISIR D’AMORE – DER LIEBESTRANK – Venedig, Teatro La Fenice

von Gaetano Donizetti (1797-1848), Melodramma giocosa in zwei Aufzügen, Libretto: Felice Romani nach Le Philtre von Eugène Scribe, UA: 12. Mai 1832 Mailand, Teatro della Canobbiana

Regie: Bepi Morassi, Bühne/Kostüme: Gianmaurizio Fercioni, Licht: Vilmo Furian

Dirigent: Matteo Beltrami, Orchester und Chor des Teatro La Fenice, Choreinstudierung: Claudio Marino Moretti)

Choreographie: Barbara Pessina

Solisten: Beatriz Díaz (Adina), Enrico Iviglia (Nemorino), Marco Filippo Romano (Belcore), Elia Fabbian (Dulcamara), Oriana Kurteshi (Giannetta)

Besuchte Aufführung: 6. November 2010

Kurzinhalt

Der arme Nemorino liebt die schöne reiche Bauernhofbesitzerin Adina, hat aber mit seiner geringen Bildung kaum eine Chance, Adina zur Frau zu bekommen. Als dann ein Regiment Soldaten mit ihrem Anführer Belcore erscheint, macht dieser Adina den Hof, die scheinbar auf seine Heiratsabsicht eingeht. Beim gerade im Dorf aufkreuzenden Medizinmann Dulcamara kauft Nemorino ein Liebeselixier, um Adina doch zu gewinnen. Als die erste Flasche nicht ihre gewünschte Wirkung zeigt, verdingt er sich bei Belcore als Soldat, um das Geld für einen zweiten Liebetrank zu bekommen. Darüber ist Adina so beeindruckt, daß sie ihm ihre heimliche Liebe gesteht und ihn schließlich heiratet.

Aufführung

Zu Opernbeginn sitzen zahlreiche Männer und Frauen an langen Holztischen. Adinas Bauernhaus ist schemenhaft im Hintergrund aufgebaut. Beim Erscheinen von Belcore mit seinen Soldaten in blau-roten Uniformen und weißen Hosen ist eine riesige Kanone dabei, die auch einmal mit viel Qualm abgefeuert wird. Dulcamara erscheint auf einem großen Wagen (s. unsere Abb.). Schließlich zeigt man noch in einem scheunenähnlichen Saal eine große Hochzeitstafel und zum Schluß die festlich gekleidete Adina mit ihrem Nemorino. Die Bühnenbilder entsprachen den im Libretto vorgeschriebenen Szenenwechseln.

Sänger und Orchester

Das Orchester unter der Leitung von Matteo Beltrami spielt die schmissige Musik mit viel Energie und rhythmischer Genauigkeit. Leider verschwinden die Sängerinnen und Sänger allzu oft unter den Klangmassen. Elia Fabbian (Dulcamara) hat darunter am wenigsten zu leiden, denn sein mächtiger Baß kann die Orchestermassen mühelos übertönen. Sehr gut gelingt dem Orchester der tänzerisch, muntere Auftakt beim Erscheinen der Soldaten.

Marco Filippo Romano (Belcore) singt mit großer Energie seine Auftrittsarie: Come Paride vezzoso – so wie der schöne Paris, ergänzt vom rhythmisch genau singendem Chor, worüber die klare Sopranstimme von Oriana Kurteshi (Giannetta) hörbar ist. Während Romanos Stimme in den höheren Tönen klar und schlank ist, ist der Ansatz in der mittleren Lage ein wenig zu breit. Aber seine starke Bühnenpräsenz gleicht auch einige Intonationstrübungen glänzend aus.

Enrico Iviglias (Nemorino) klare Tenorstimme wird durch sein dauerndes Vibrato, das auch manchmal in ein Tremolo abgleitet, beeinträchtigt, obwohl er genau intoniert, auch mit Geschmack die Schwelltöne (mezza voce) einsetzt und in den Koloraturen rhythmische Genauigkeit zeigt. Beim berühmten Una furtiva lacrima – eine verstohlene Träne bekommt er ausgedehnten Beifall. In den Duette zusammen mit Beatriz Díaz (Adina) macht er eine gute Figur und ist dort zuweilen der bessere Sänger. Sehr gut ist die Gestaltung, gesanglich und schauspielerisch in der Szene, in der sich die Dorfmädchen Nemorino zum Tanz anbieten. Die Einheit von Chor- und Einzelstimmen (von Beatriz Díaz und Enrico Iviglia) sind gut dabei gegeneinander abgewogen. Beatriz Díaz (Adina) hat nicht nur die Hauptrolle hinsichtlich des Handlungsablaufs, sondern mit ihrer Gesangsleistung steht und fällt die Aufführung dieser Oper. Insgesamt ist ihre Leistung gut. Aber ihre mittleren Töne nimmt sie leider oft allzu breit, ja zu kehlig. Besonders fällt in ihrer Arie: Prendi per me sei libero – nimm, durch mich bist du frei das zu starke Forcieren in der höheren Stimmlage auf, sie trifft hier die Töne genau (was ihr nicht in allen Gesängen gelingt) und der Koloraturverlauf ist annehmbar. Doch ihre Atemtechnik läßt sie etwas bei längeren Läufen im Stich, so bei den herrlichen, aufsteigenden Triolenketten Il mio rigor dimentica – vergiß meine Härte im letzten Teil dieser Schlußarie. Die Stimmeneinwürfe von Enrico Iviglia konnte ich nicht ausmachen. Allerdings wird während der ganzen Aufführung die Kabaletta (schneller Schluß) häufig weggelassen. Dadurch geraten nicht nur die Proportionen aus dem Gleichgewicht, sondern es fehlen vor allem die überwältigenden Schlußsteigerungen.

Zum Schluß gibt’s ein Überraschungscoup: für das Vaudeville Ei corregge ogni difetto – er heilt alle Gebrechen erscheint Elia Fabbian mit hochaufgetürmten Dulcamara-Haaren inmitten des Parketts, wo er mit seiner mächtigen Baßstimme die Zuschauer fast zum Mitsingen stimuliert.

Fazit

Die äußerst farbenfrohen Bühnenbilder, die zeitgemäßen bunten Kostüme und die gekonnte Personenführung sowie das energiegeladene Singen mit der (vielleicht allzu) frischen Orchesterbegleitung veranlassen einen ausgedehnten Applaus zum Ende dieser gar nicht so heiteren Oper.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Michele Crosera

Das Bild zeigt: Elia Fabbian (Dulcamara) verkauft sein Liebeselixier an Dorfbewohnern

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