ORLANDO – Paris, Théâtre des Champs Élysées

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Opera seria in drei Akten, anonyme Umarbeitung des Librettos von Carlo Sigismondo Capeci nach Ludovico Ariosts Orlando Furioso. UA: 27. Januar 1733, Haymarket Theatre, London

Regie: David McVicar, Bühne/Kostüme: Jenny Tirami, Choreographie: Andrew George, Licht: Davy Canningham

Dirigent: Emmanuelle Haïm, Orchester Le Concert d’Astrée

Solisten: Sonia Prina (Orlando), Henriette Bonde-Hansen (Angelica), Stephen Wallace (Medoro), Lucy Crowe (Dorinda), Nathan Berg (Zoroastro), Colm Seery (Amore – stumme Rolle), Tänzer

Besuchte Aufführung: 3. November 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Orlando liebt Angelica, aber hat ihre Liebe verloren, denn Angelica hat sich in Medoro verliebt, der auch von Dorinda geliebt wird. Trotz der Mahnungen Zoroastros, nicht hoffnungslos der Liebe zu verfallen, sondern sich weiterhin ganz seinem heldenhaften Streben zu widmen, hält Orlando an seiner Leidenschaft für Angelica fest. In geistiger Verwirrung glaubt der Held schließlich in eifersüchtiger Wut Angelica und Medoro getötet zu haben. Mit Hilfe des Magiers kommt er wieder zu Sinnen. Zoroastro hat die beiden Totgeglaubten gerettet. Erleichtert vergibt Orlando Angelica und Medoro ihren Liebesverrat an ihm und siegt damit über sich selbst und über die Liebe. Auch Dorinda entsagt ihrer Liebe für Medoro und lädt alle zum Feiern ein.

Aufführung

Orlando ist nicht eins der besten Libretto, die Händel vertont hat. Dennoch ist es David McVicar gelungen mit einer Vielzahl witziger und phantasievoller Einfällen die Handlung lebendig und dramatisch zu gestalten. Die Bühnenbilder sind einfacher Rokoko, die Sänger in entsprechende Kostüme gekleidet – alles in gedämpften Watteau-Farben. Dem Walten in diesem geschmackvollen Dekor läßt McVicar eine skurrile Zauberwelt nebenherlaufen. Da gibt es stolzierende weiße Masken, erotische Halluzinationen, Laboratorien à la Frankenstein, reizvolle Schattenspiele, livrierte wilde Tiere, und einen Amor (hier eher eine Eifersuchtsgestalt), der mit  weißer Nosferatu-Fratze und -Glatze, dunkler Brille, in schwarzem Glitzerkostüm und mit Spinnenbewegungen allgegenwärtig ist.

Sänger und Orchester

Sonia Prina stellt mit ihrer technisch hervorragenden männlichen Bruststimme, bei Sinnen wie im Wahn, einen eindrucksvollen Orlando dar. Souverän erfreut Henriette Bonde-Hansen durch ihren schönen klaren Sopran in der Rolle der Angelica. Doch die Aufführung wäre fad geblieben ohne Lucy Crowes frische, vielseitige Stimme sowie ihr lebendiges, oft humorvolles Spiel wie in S’è corriposto un core – wenn ein Liebhaber Erwiderung findet (3. Akt) als die unglücklich verliebte Magd Dorinda. Stephen Wallace gefällt als Medoro, und der wunderschöne Zusammenklang der Stimmen im Schlußterzett Angelica – Medoro – Dorinda im Consolati, o bella – tröste dich o Schöne (1. Akt), nimmt fast schon Mozart vorweg. Nathan Berg ist der drahtziehende, zaubernde, strafende und belohnende Magier Zoroastro, dessen  voller Sarastro-Baß leider etwas indisponiert klingt.

Emmanuelle Haïm meistert mit dem Ensemble Le Concert D’Astrée gekonnt die schwierige Partitur, in der Händel versucht, besonders in der Wahnsinnszene im 2. Akt, durch wechselnde Tempi und ungewöhnliche Rhythmen die Unstetigkeit seines irrenden Helden zu unterstreichen.

Fazit

Zwischen 1732 und 1735 komponiert Händel drei Opern über das Orlando-Thema: Orlando, Ariodante und Alcina. Orlando ist vor allem durch seine innovativen musikalischen Ausdrucksformen in Erinnerung geblieben. Trotz der Schwäche des Librettos bleibt diese Oper, wenn richtig inszeniert und interpretiert, durch die Musik Händels ein Schmuckstück des Opernrepertoires. Ein wohlwollendes Publikum im Théâtre des Champs-Elysées hat sie gebührend gewürdigt.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Alvaro Yanez

Das Bild zeigt: Henriette Bonde-Hansen (Angelica), Stephen Wallace (Medoro), Colm Seery (Amore), dahinter zwei Diener, v.l.

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