DER LEUCHTENDE FLUSS – Erfurt, Theater

von Johanna Doderer (*1969), Oper in drei Akten, Text von Wolfgang Hermann

Regie: Guy Montavon; Bühne/Kostüme: Peter Sykora

Dirigent: Walter E. Gugerbauer; Philharmonisches Orchester Erfurt, Opernchor des Theater Erfurt, Choreinstudierung: Andreas Ketelhut

Solisten: John Bellemer (Ira Hayes), Marisca Mulder (May), Florian Götz (Taylor), Peter Schöne (General Curtis), Stéphanie Müther (Captain Smith), Marwan Shamiyeh (Verwundeter), Sebastian Pilgrim (Onkel/Soldat), Franziska Krötenheerdt (Kind) u.a.

Besuchte Aufführung: 31. Oktober 2010 (Uraufführung)

Vorbemerkung

Die Österreichische Komponistin Johanna Doderer ist in ihrer musikalischen Sprache von keinerlei kompositorischen Dogmen beengt, wie sie selbst in einem Interview klarstellte. Diese Freiheit und stilistische Bandbreite merkt man ihrer Musik nur allzuschnell an. Denn viel, vielleicht zu viel, bietet die Musik dieser Oper. Mit dem konventionellen Instrumentarium eines Opernorchesters schafft Doderer einerseits starke emotionale Momente durch den Einsatz einer cineastischen Klangsprache. Der Hörer kann sich dieser Musik reflexionslos hingeben, da sie unseren von Film und Fernsehen geprägten Hörgewohnheiten entspricht. Auch Elemente der Klangmalerei, vor allem in der Kriegsszene, können so wahrgenommen werden. Immer wieder verpufften aber diese großartigen, leidenschaftlichen Musikmomente und der Zuschauer wurde in ein klangliches und leider auch dramaturgisches Nirgendwo befördert. Auf indianische Musik ging Doderer durch den Einsatz von Perkussionsinstrumenten ein. Wenn auch kein Klangmaterial der Pima-Indianer mehr erhalten ist, hätte dieses Element doch auch Eingang in die vokale Klangsprache finden können. Diese war im Gegensatz zur Musik aber eher unmelodisch-prosaisch, eher ein Sprechgesang, und nur selten arios.

Kurzinhalt

Der Pima-Indianer Ira Hayes schließt sich der amerikanischen Armee im Zweiten Weltkrieg an, im Glauben, damit seinem hungerleidendem Volk, welches von den Amerikaner seiner Wasserversorgung beraubt wurde, zu helfen. Zusammen mit Taylor, dem Bruder seiner Geliebten May, und anderen Männern seines Stammes wird er zur Rache für Pearl Harbor nach Japan geschickt. Auf der kleinen Insel Iwo Jima kommt es zum Kampf. Viele seiner Kameraden sterben. Auf dem Berg Suribachi hissen sechs Soldaten die amerikanische Flagge, unter ihnen auch Ira. Das Foto dieses historischen Moments macht Ira zu einem Kriegshelden. Er wird für Kriegspropaganda nach Amerika geschickt. Doch kann er die Schrecken des Krieges und seine ethnische Herkunft nicht vergessen. Er verfällt dem Alkohol. Seine Vorgesetzten machen ihn glauben, daß May gestorben sei. Doch die Indianer haben begonnen, sich gegen die Unterdrückung durch die Amerikaner zu wehren. Bei der Befreiungsaktion Iras wird er von seinen eigenen Kameraden erschossen.

Aufführung

Die Inszenierung und Ausstattung ist klar strukturiert: Während die dominierenden Amerikaner in hellen Säulenhallen und strahlend weißen Paradeuniformen auf der oberen Ebene der Hebebühne Sekt trinken, vegetieren die hungerleidenden Indianer mit zeitgenössischen, verschlissenen Jeans und T-Shirts bekleidet in düstrer Landschaft auf dem unteren Teil vor sich hin. Nur eine klapprige Treppe mit einer Luke verbindet diese beiden kontrastierenden Welten. Die mit Teilen der amerikanischen Verfassung bedruckte Säulenhalle wird im Verlauf der Oper mehrfach umgedeutet: durch Beleuchtungseffekte und vom Schnürboden herabgelassene Soldatenpuppen zum Schlachtfeld auf Iwo Jima, durch sich überlappende Fotoprojektionen von Indianern in traditionellem Schmuck und Bewegung der Säulen zu Iras Alptraum, durch Rednerpult und Stühle zu einer Pressekonferenz. Dem Titel der Oper Ehre erweisend hebt sich zur Schlußapotheose die Bühne etwas und läßt ein leuchtendes Lichtbanner unterhalb der öden Indianerwelt in den Zuschauerraum hineinstrahlen.

Sänger und Orchester

Unter dem Dirigat von Walter E. Gugerbauer schuf das Philharmonische Orchester Erfurt die bereits erwähnten grandiosen musikalischen Momente dieser Uraufführung. Bläser und Schlagwerk übertönten mehrfach das Klanggeschehen in unangenehmer Weise. Der Tenor John Bellemer (Ira Hayes) interpretierte seine Rolle überzeugend. Wegen der Beschaffenheit seiner Gesangspartie konnte er nur bedingt seine stimmlichen Möglichkeiten unter Beweis stellen. Ihm zur Seite begeisterte die Sopranistin Marisca Mulder als Geliebte May mit ihrer glasklaren Stimme, einer besonders deutlichen Artikulation und darstellerischen Leistung vor allem in ihrer Klage im dritten Akt. Auch der Bassist Florian Götz (Taylor) zeigte sich stark in der szenischen Darstellung. Seine Stimme neigte allerdings in der Höhe zu unangenehmer Enge. Peter Schöne (General Curtis) war die wohl einzige „Arie“, in der Auftrittsszene Amerika braucht euch, vergönnt. Mit seinem geschmeidigen Bariton und, als einer der wenigen an diesem Abend, mit deutlicher Textverständlichkeit, erfreute er nicht zum ersten Mal das Erfurter Publikum. Die Mezzosopranistin Stéphanie Müther (Captain Smith) rundete sowohl darstellerisch als auch stimmlich das durch mehrere kleinere Solopartien erweiterte Solistenensemble würdig ab. Besonders im Duett mit John Bellemer konnte sie ihre weiche, unverdunkelte Stimme spielerisch zeigen.

Die wahrscheinlich anspruchsvollste Gesangpartie hatte der Opernchor des Theater Erfurt zu bewältigen. Als Masse Volk war er sowohl auf als auch unter und hinter der Bühne aktiv, und auch die außergewöhnlichen Sprachen Japanisch und Indianisch waren für die Choristen keine Schwierigkeit.

Fazit

Wenn auch das musikalische sowie das dramaturgische Gesamtkonzept der Oper nicht durchweg vollständig überzeugen konnten, so war es dennoch ein spannender Premierenabend und eine unbedingt zu würdigende Leistung, diesen gesellschaftskritischen Stoff einer nicht allzu weit entfernten Epoche der amerikanischen Geschichte auf die Erfurter Bühne bringen und diese damit einem anderen Publikum, als den durchschnittlichen Kinogängern (in Gestalt von Flags of our fathers und Letters from Iwo Jima), näher zu bringen. Sowohl Komponistin und Librettist als auch Regieteam und Opernensemble wurden anschließend mit langanhaltendem Applaus belohnt.

Josephin Wietschel

Bild: L. Edelhoff

Das Bild zeigt: John Bellemer (Ira Hayes) hilft den Soldaten beim Hissen der amerikanischen Flagge.

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