SEMELE – Paris, Théâtre des Champs-Élysées

von G.F. Händel (1685-1759), Weltliches Oratorium in drei Akten, Libretto William Congrave  nach Ovids Metamorphosen, Libretto: Newburgh Hamilton (?)

Regie: David McVicar, Bühne: Tanya McCallin, Kostüme: Brigitte Reiffenstuel, Licht: Paule Constable, Choreographie: Andrew George

Dirigent: Christophe Rousset, Les Talens Lyrique, Chor des Théâtre des Champs-Elysées

Solisten: Richard Croft (Jupiter), Peter Rose (Cadmus/Somnus-Schlaf), Danielle De Niese (Semele), Vivica Genaux (Juno/Ino), Jaël Azzaretti (Iris), Stephen Wallace (Athamas), Claire Debono (Cupid)

Besuchte Aufführung: 30. Juni 2010 (Premiere, szenische Aufführung, in englischer Sprache )

Kurzinhalt

Im Tempel der Juno in Theben haben sich König Cadmus, seine Töchter Semele und Ino, sowie Prinz Athamas versammelt. Semele soll mit Athamas verheiratet werden, doch diese ist heimlich die Geliebte Jupiters. Wegen eines heftigen Gewitters fliehen alle nach draußen, wo Semele plötzlich von einem Adler in die Lüfte entführt wird. Jupiters Gemahlin Juno sinnt auf Rache. Sie lobt in Inos Gestalt Semeles Schönheit und rät ihr, Unsterblichkeit von Jupiter zu erbitten, indem sie Semele dazu anstachelt, sich Jupiter solange zu verweigern, bis dieser schwört, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Sie verlangt, Jupiter solle sich in seiner göttlichen Gestalt zeigen. Jupiter erfüllt ihren Wunsch. Als er sich  mit Donner und Blitz ihr nähert, wird sie in der Glut verbrannt. Doch Jupiters Sohn Apoll erscheint bei Cadmus und den Priestern im Tempel und erklärt, daß der gemeinsame Sohn von Semele und Jupiter, Bacchus, die Menschen von Sorgen und Leiden befreien würde.

Aufführung

Die Bühne zeigt einen halbrunden Raum in weiß-blau gehalten, ohne jeden Schmuck, mit einer zentralen hohen Tür und zwei weiteren Türen im Halbrund. Umlaufend eine Galerie, die schießschartenähnliche Fenster besitzt. Der Chor der Priester, im schwarzen Frack gekleidet, sitzt auf barocken weißen Stühlen. Zwischen den Stuhlreihen öffnet sich ein Mittelgang, durch den Cadmus und Athamas im Gehrock mit weißen Strümpfen auf treten. Ino und Semele tragen ausladende Barockgewänder. Cupido fällt durch sein rotes Kostüm auf. Das halbrunde Bühnenbild erfährt während des Handlungsverlaufs wenig gravierende Änderungen: einmal steht zentral ein riesiges Bett für Semele und Jupiter, dann gibt es eine runde Scheibe, auf der sich Juno und Iris mit ihren bunten Barockkleidern vorteilhaft abheben. Auf der umlaufenden Galerie erscheint des öfteren der Priesterchor. Zum Opernende seilt sich Apollo vom Bühnenhimmel herab, um den Menschen Bacchus anzukündigen. Im Schlußbild liegt der gesamte Priesterchor auf dem Boden, wirft die Kleidungsstücke von sich und wackelt mit den hochgestreckten Beinen. Ein Bacchanal, eine Orgie?

Sänger und Orchester

Zuallererst muß der Chor (Priester) erwähnt werden. Selten erlebt man eine Gesangsleistung von solcher Präzision, Artikulationsklarheit, Dynamik und rhythmischer Genauigkeit wie hier. Schon der Eingangschor: Lucky omens bless our rites – Glückliche Vorzeichen segnen unser Zeremoniell und besonders die Fuge: Attend the pair – Erwartet das Paar lassen große Erwartungen aufkommen, die bis zum Ende nicht enttäuscht werden. Les Talens Lyrique unter Christophe Rousset macht mit der Ouvertüre und der rhythmisch ungemein reizvoll vorgetragenen Gavotte den Hörer bereit für die nachfolgende ungewöhnliche Handlung Ovidscher Provenienz. Bis Opernende lassen Dynamik und blitzsauberes Spiel nicht nach. Vivica Genaux (Juno/Ino), wird ihren beiden Rollen mehr als gerecht: ihre Koloraturtechnik, ihre messa di voce (Schwellton), ihr Passagio (Registerwechsel) sind von höchster Qualität, wobei ihr schauspielerischer Einsatz, besonders in der Szene mit Peter Rose (Somnus) keineswegs geringer ist. Danielle De Niese ist leider nicht durchweg auf ihrem sonst gezeigten Niveau, denn oftmals kommen die sicher unglaublich schwierigen Koloraturpassagen, etwa in Myself I shall adore – mich selbst muß ich bewundern nicht perlend heraus. Ebenso kommen die Triller undeutlich. Doch in No, no, I’ll take no less – nein, ich akzeptiere nichts weniger macht sie alles wieder durch ihren behenden Registerwechsel bei enormer Geschwindigkeit wett. Umwerfend Peter Rose (Somnus/Cadmus) in seiner Rolle als Schlaf. Seine mit sonorem Baß vorgetragenen Koloraturen werden nie durch die schauspielerischen Aktionen (er sinkt immer wieder durch seine Schlaftrunkenheit in sich zusammen) gestört. Stephen Wallaces (Athamas) Counter hat einen sanften Klang, was  schwer zu beurteilen ist, da sein Stimmvolumen für den großen Raum doch etwas zu gering ausfällt. Auffallend tadellos im Technischen und Dynamischen ist Richard Croft (Jupiter). Trotz seiner Brillanz weiß man bei ihm nie genau, singt er jetzt Tenor oder Bariton.

Fazit

Es istDominique Meyers letzte Oper vor seinem Stellenantritt als Intendant der Wiener Staatsoper. Die Inszenierung von David McVicar stammt aus dem Jahr 2004. Sie ist etwas stilisiert, was die Langatmigkeit gewisser Szenen, besonders im ersten Akt, nicht hilfreich ist.  Dennoch, die Kostüme stellen das Gleichgewichtwieder her und gesungen wird exzellent.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Alvaro Yanez

Das Bild zeigt: Vivica Genaux (Juno) rechts, Jaël Azzaretti (Iris), links

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