MANON – London Covent Garden – Royal Opera House

von Jules Massenet (1842-1912), Opéra-comique in fünf Akten, Libretto: Henri Meilhac und Philippe Gille nach dem Roman von Abbé Prévost Histoire de Chevalier des Grieux et de Manon Lescaut, UA: 17. April 1884 Paris.

Regie: Laurent Pelly, Bühnenbild: Chantal Thomas, Licht: Joël Adam

Dirigent: Antonio Pappano, Orchester und Chor des Royal Opera House, Choreinstudierung: Renato Belsadonna

Solisten: Anna Netrebko (Manon), Vittorio Grigolo (Chevalier Des Grieux), Russell Braun (Lescaut), Christof Fischesser (Comte des Grieux), Christophe Mortagne (Guillot de Morfontaine), William Shimell (Brétigny), Simona Mihai (Poussette), Louise Innes (Javotte), Kai Rütel (Rosette) Lynton Black (Innkeeper), u.a.

Besuchte Aufführung: 1. Juli 2010 (Premiere 22. Juni 2010)

Kurzinhalt

In einem Gasthof im französischen Amiens begegnet Manon, eigentlich auf dem Weg zu ihrer Klostererziehung, dem jungen und ärmlichen Chevalier Des Grieux. Die beiden verlieben sich, Manon kehrt der Klostererziehung und ihren Verehrern de Brétigny und Guillot den Rücken und entflieht zusammen mit Des Grieux in Guillots Kutsche nach Paris. Sie leben in einer ärmlichen Pariser Wohnung. Als Des Grieux seinem Vater schreibt, um die Verbindung zu legalisieren, läßt dieser ihn gewaltsam zu sich zurückholen.

Manon lebt danach mit de Brétigny als große Pariser Dame. Auf einem Volksfest trifft sie zufällig Des Grieux’ Vater und erfährt vom Plan seines Sohnes, Priester zu werden. Sie trifft ihn heimlich in Saint-Sulpice, wo dieser gerade ordiniert werden soll. Beide werden erneut von ihrer Liebe überwältigt. Ihr gemeinsames Liebesglück wird jedoch von Armut überschattet, als Des Grieux sein mütterliches Erbe aufgebraucht hat. Manon überredet ihn zum Glückspiel im Hôtel de Transylvanie. Dort gewinnt Des Grieux gegen Guillot, wird aber von diesem des Spielbetrugs angeklagt und zusammen mit Manon verhaftet. Des Grieux kommt aufgrund väterlicher Intervention frei, Manon jedoch soll als Diebin nach Übersee deportiert werden. Des Grieux besticht die Wärter, um Manon noch einmal zu sehen. Bei diesem Wiedersehen stirbt Manon in seinen Armen an Entkräftung.

Aufführung

Das bekannte und erprobte Gespann Laurence Pelly und Chantal Thomas versetzt diese Neuinszenierung des Royal Opera House deutlich mit Elementen aus dem 19. Jahrhundert. Die schlicht gehaltenen, meist angemessenen Bühnenbilder beeindrucken oft durch schöne Details, wie beispielsweise Des Grieux’ buchübersäte Schlafecke in Saint-Sulpice oder eine auf Zinndächern aufgesetzte Pariser Mansarde im zweiten Akt. Schiefe Ebenen dominieren die Bilder. Diese waren schön anzusehen und effektvoll, jedoch mit unzureichender Trittschalldämmung versehen (3. Akt). Die meist aufwendig gearbeiteten und üppigen Kostüme und Hüte in Anlehnung an das 19. Jahrhundert boten einen starken, aber willkommenen Gegensatz zu den eher schlicht Bühnenbildern.

Sänger und Orchester

Der Abend wurde erwartungsgemäß vom Sopransuperstar Anna Netrebko dominiert, welcher die Rolle der Manon gesanglich auf den Leib geschrieben schien. Ihre beinahe charakteristische leichte Überdehnung gehaltener Töne unterstrich und bereicherte den melancholischen Unterton vieler ihrer Arien Voyons, Manon, plus des chimières – Hab acht, Manon, keine Träume (1. Akt), Adieu, notre petite table – Adieu, mein kleiner Tisch (2. Akt). Die musikalische Leistung der anderen Sänger war jedoch nicht minder beeindruckend. Besonders ist dabei der erstmals im Royal Opera House auftretende Vittorio Grigolo (Chevalier des Grieux) mit einem kristallklaren Tenor und als angemessener Partner Netrebkos im Duett Avez-vous peur que mon visage frôle votre visage –Haben Sie Angst, mein Gesicht berühre das ihre (Beginn 2. Akt) zu erwähnen. Gesanglich wie schauspielerisch stellte Grigolo überzeugend die innerliche Abhängigkeit und Zerrissenheit des Chevaliers dar. Christof Fischesser besitzt einen sehr klaren Baß und war daher eine angemessene Besetzung für den Comte des Grieux. Obgleich schauspielerisch glaubhaft, wirkte Russell Brauns Bariton dagegen als eine eher glanzlose Besetzung von Lescaut.

Unterstützt wurden die Sänger von schön ausgearbeiteten Linien und rhythmischer Präzision des Royal Opera House Chores (Einstudierung Renaldo Belsadonna). Antonio Pappano als Musikdirektor des Royal Opera House dirigierte ein sehr bewegliches, fast spritziges und leidenschaftlich spielendes Orchester elegant und rhythmisch genau.

Fazit

Dieser Abend war musikalisch wie auch optisch eine sehr gelungene Inszenierung. Das Publikum würdigte diese große musikalische Leistung mit rauschendem Beifall.

Dr. Dominik  Zenner

Bild: Bill Cooper

Das Bild zeigt: Anna Netrebko (Manon) und Chor

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