DIE WALKÜRE – Paris, Opéra Bastille

Musik und Text von Richard Wagner,  Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Erster Tag in drei Akten. UA: 26 Juni 1870, Königliches Hof- und Nationaltheater, München

Regie: Günter Krämer,  Bühne: Jürgen Bäckmann, Kostüme: Falk Bauer, Licht: Diego Leetz, Choreographie: Otto Pichler

Dirigent: Philippe Jordan, Orchester der Opéra National de Paris

Solisten: Robert Dean Smith (Siegmund),  Gümther Groisböck (Hunding), Thomas Johannes Mayer (Wotan),: Ricarda Merbeth (Sieglinde), Katarina Dalayman (Brünnhilde), Yvonne Naef (Fricka) u.a

Besuchte Aufführung: 31. Mai 2010  (Premiere)

Kurzinhalt

Im Kampf um die Weltherrschaft hat Wotan den Ring, der die Macht enthält, dem Nibelungenzwerg Alberich entrissen, ihn dann aber den Riesen überlassen müssen. Durch seine Verträge mit den Riesen unfrei, hofft er, das von ihm gezeugte Menschengeschlecht der Wälsungen wird einst den Ring zurückgewinnen.

Der verfolgte Wälsunge Siegmund findet bei der verlorengeglaubten Zwillingsschwester Sieglinde Zuflucht, wird ihr Geliebter und zeugt Siegfried. Da Sieglinde durch Zwang mit Hunding verheiratet ist, fliehen die beiden Liebenden. Wotan läßt sie durch  die Walküre Brünnhilde beschützen. Doch Fricka verlangt Sühne für Ehebruch und Blutschande. Durch die eigenen Gesetze gebunden, muß Wotan Siegmund opfern. Todgeweiht will dieser die Schwester lieber töten, als ungeschützt zurückzulassen. Da beschließt Brünnhilde, entgegen Wotans Befehl,  die Wälsungengeschwister zu retten. Doch Wotan bewirkt Siegmunds Tod. Brünnhilde flieht mit Sieglinde vor Wotans Strafe. Ihre Schwangerschaft gibt Sieglinde neuen Lebenswillen. Sie flieht in den Wald der Riesen. Wotan versetzt Brünnhilde in wehrlosen Schlaf, aus dem jeder Sterbliche sie erwecken und nehmen kann. Erkennend, daß sie nur tun wollte, was er nicht tun durfte, wird er vom strafenden Gott zum liebenden Vater, nimmt bewegt Abschied von seiner Lieblingstochter und bettet sie, auf ihren letzten Wunsch, in einen Feuerring, aus dem nur ein wirklicher Held sie erretten kann.

Aufführung

Nur einige Beispiele: Die Oper begann mit dem Bajonettmassaker unbewaffneter Zivilisten durch eine uniformierte Miliz. Auch während anderer, meist intimer Szenen befanden sich unerklärte Statisten auf der Bühne. Während des schwierigen Zwiegesangs Siegmund-Brünnhilde (2. Akt), mußte letztere in neurotischem Bestreben die über die ganze Bühne verstreuten Ewige-Jugend-Äpfel Freias aufklauben und feinsäuberlich hintereinander aufreihen. Als Walküreritt schleppten weißbekittelte Walküren-Krankenschwestern nackte, blutbeschmierte junge Männer heran, schrubbten sie auf Operationstischen sauber und erweckten sie mit Kuß zum Leben. Die Oper schließt mit dem Feuerzauber eines apocalypse-now – Bildes.

Der Spiegeleffekt der Bühne im zweiten Akt läßt das Geschehen sowohl von vorne, wie auch von oben erscheinen.

Die Kostüme waren für die Frauen weiß gehalten und grau-schwarz für Männer. Nur das leuchtend rote Krinolinenkleid Frickas fällt wie eine wunderbare Blume bühnenwirksam auf.

Sänger und Orchester

Ricarda Merbeth (Sieglinde) kam im ersten Akt nicht genügend zur Geltung und entfaltete die ganze Dimension ihrer eindrucksvollen Stimme erst ab der Verzweiflungsszene im. Hinweg! Hinweg! Flieh’ die Entweihte! (2. Akt). Hervorragende Heldentenöre sind bekanntlich schwer zu finden, doch Robert Dean Smith sang den Siegmund gefühlvoll und nuanciert, besonders in den mittleren Lagen. Die volle, kräftige Baßstimme Günther Groissböcks (Hunding) erfüllte alle Erwartungen. Yvonne Naef (Fricka) glänzte durch ihren kräftigen, vollen Mezzosopran in Wo in den Bergen du dich birgst als vorwurfsvolle, betrogene Göttermutter. Mag sein, daß Thomas Johannes Mayer, der im letzten Moment für Falk Struckmannn einsprang, indisponiert war. Jedenfalls, entbehrte seine Stimme die dramatische Kraft wie auch die lyrische Wärme, welche die Rolle Wotans erfordert, was bedauerlich war, vielleicht besonders in der Abschiedszene Wotans von Brünnhilde Leb’ wohl, du kühnes, herrliches Kind (Schlußszene). Der entschiedene Star des Abends war die schwedische Sängerin Katarina Dalayman (Brünnhilde), deren schöner, klarer, dramatischer Sopran fast an die großen Walküre-Interpretinnen der Vergangenheit heranreicht. Der Reigen der übrigen Walküren kam mit kraftvollen Stimmen zur Geltung.

Philippe Jordan vermied alle Exzesse und schaffte eine nuancierte Orchesterbegleitung, die in manchen intimen lyrischen Szenen fast kammermusikalische Züge annahm.

Fazit

Nicolas Joel, der Direktor der Opéra National wollte Den Ring des Nibelungen, die in der Pariser Oper seit 1957 nicht mehr gegeben worden war, auf zwei Spielzeiten verteilt, wieder auf die Bühne bringen. Und er hat Wort gehalten. Doch wie auch seine anderen Musikdramen hat Richard Wagner Die Walküre mit ihrer komplexen Thematik von unmöglicher Liebe, von Zwang und Freiheit, als ein Gesamtkunstwerk gesehen, in der Musik, Dichtung und Bühnenkunst, miteinander verwoben, einander unterstützend ein kohärentes Ganzes schaffen. In dieser Aufführung ist das musikalisch gelungen, die Bühnenkunst, hingegen, ging manchmal Wege – und das unabhängig davon, ob sie modern war oder nicht –, die von der Thematik und der Musik ablenkten, statt sie hervorzuheben. Und das ist sicherlich nicht im Sinne des großen Meisters.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Opéra national de Paris/ Elisa Haberer

Das Bild zeigt: Falk Struckmann (Wotan), Robert Dean Smith (Siegmund) und Yvonne Naef (Fricka)

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