TRISTAN UND ISOLDE – Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein

Handlung in drei Aufzügen, Musik und Text von Richard Wagner, UA 10. Juni 1865, München

Regie: Claus Guth, Bühne/Kostüme: Christian Schmidt

Dirigent: Axel Kober, Düsseldorfer Symphoniker, Chor und Statisterie der Deutschen Oper am Rhein

Solisten: Ian Storey (Tristan), Janice Baird (Isolde), Hans-Peter König (Marke), Annette Seiltgen (Brangäne), Oleg Bryjak (Kurwenal) u.a.

Besuchte Aufführung: 29. Mai 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Tristan führt die irische Prinzessin Isolde, deren Verlobten Morold er im Zweikampf getötet hat, seinem Onkel König Marke von Kornwall als Braut zu. Auf der Überfahrt nach England verlangt Isolde Sühne für Morolds Tod. Sie fordert Tristan auf, gemeinsam mit ihr Gift zu trinken. Ihre Magd Brangäne hat jedoch das Gift heimlich gegen einen Liebestrank ausgetauscht. Tristan und Isolde entbrennen in heftiger Leidenschaft füreinander. Isolde heiratet König Marke, trifft sich aber immer wieder mit Tristan. Dessen Freund Melot verrät die Liebenden und verwundet Tristan schwer. Während Isolde zurückbleibt, bringt der Knappe Kurwenal Tristan in Sicherheit. In der Hoffnung, daß sie Tristans Verwundung heilen kann, schickt Kurwenal nach Isolde. Tristan stirbt jedoch im Moment ihrer Ankunft. Als letzte Konsequenz ihrer Liebe folgt Isolde ihm in den Tod.

Aufführung

Die Handlung ist in die Entstehungszeit des Werkes, also in die Mitte des 19. Jahrhunderts, verlegt. Es ist die Welt von Bürgertum und Geldadel, die Marke als Großindustrieller mit pelzverbrämtem Mantel repräsentiert. Das Innere einer Villa mit hohen Decken und Türen, Wintergarten und kahlen Fluren bestimmt das Bühnenbild. Immer wieder irren die Figuren, unterstützt von einer Drehbühnen-Konstruktion, in den Zimmern umher. Reale Situationen und solche, die nur in Träumen oder Erinnerungen exstieren, vermischen sich. Isolde ist von Anfang an eine psychisch labile Frau, ein Opfer bürgerlicher Zwänge, deren Symbol die festlich gedeckte Tafel ist, der zentrale Ort bürgerlicher Geselligkeit. Gefühle haben hier zu schweigen. Aus diesen Zwängen versucht Tristan sich und Isolde zu befreien, wenn er im zweiten Aufzug das Geschirr vom Tisch fegt, um Platz zu schaffen für einen – nicht vollzogenen – Liebesakt. Der Preis ist hoch: Im dritten Aufzug vegetieren Tristan und Kurwenal in einer Gasse zwischen zwei heruntergekommenen Häusern dahin, Ausgestoßene wie der Isoldes Ankunft meldende Hirt, der hier ein Obdachloser ist. Sterbend träumt sich Tristan zurück an die Tafel in Markes Villa. Hier findet ihn Isolde – und zieht die letzte Konsequenz: Nach dem „Liebestod“ nimmt sie ihre Umwelt nicht mehr wahr.

Sänger und Orchester

Ian Storeys (Tristan) kraftvolle Stimme hat die notwendigen Reserven für die Fieberausbrüche des dritten Aufzugs. Zu einer Ausnahmeleistung wird seine Interpretation aber durch die leisen Töne, die dem Helden eine berührende Verletzlichkeit geben, und die Storey, trotz seiner hünenhaften Statur, auch in der Körpersprache umsetzt. Weniger differenziert geht Janice Baird (Isolde) ihre Partie an. Die Energie der Amerikanerin ist bis zum Ende atemberaubend. Ihr fehlt allerdings, vor allem im Duett des zweiten Aufzuges, die Fähigkeit, die Stimme zurückzunehmen, weshalb Baird und Storey hier nicht wirklich zueinander finden. Annette Seiltgen (Brangäne) kostet intonationssicher, mit schlanker Stimme und großer Textverständlichkeit die weiten Melodiebögen der oft stiefmütterlich behandelten Partie aus. Brangänes Habet acht-Rufe sind ein Höhepunkt des Abends. Komödiantische Momente bringt Oleg Bryjak (Kurwenal) als sympathisch polternder Naturbursche ins Spiel. Der stimmgewaltige Hans-Peter König (Marke) gibt einen autoritären und dabei mit balsamischem Wohlklang singenden Herrscher. Die Stärken der Düsseldorfer Symphoniker sind die flüssigen Tempi und die bis in hohe Lagen brillant spielenden Streicher und Holzbläser. Passagen mit voller Orchesterbesetzung geraten dagegen zu derb, hier wird Leidenschaft mit Lautstärke verwechselt. Trotzdem: Generalmusikdirektor Axel Kober hat in seiner zweiten Düsseldorfer Saison ein Fundament gelegt, auf dem sich aufbauen läßt.

Fazit

Die Inszenierung von Claus Guth, in der vergangenen Spielzeit bereits in Zürich gezeigt, ist ästhetisch anspruchsvoll und packend – sieht man von wenigen Längen ab. Daß Guth die Handlung ins 19. Jahrhundert verlegt, muß nicht nur als Anspielung auf Wagner und seine Beziehung zu der verheirateten Mathilde Wesendonck interpretiert werden. Hier scheint es vielmehr um den geistigen Hintergrund des Werkes im allgemeinen zu gehen. Gerade deshalb geht Guths Konzept auf, trotz gelegentlicher Reibungspunkte mit dem Text. Ein szenisch wie musikalisch starker Abend, der mit großem Jubel – und einigen Buhs für die Regie – zu Ende geht.

Dr. Eva-Maria Ernst

Bild: Hans Jörg Michel

Das Bild zeigt: Ian Storey (Tristan) und Janice Baird (Isolde)

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