LOVE AND OTHER DEMONS – Köln, Oper

von Peter Eötvös (*1944), Oper in zwei Akten, Libretto: Kornél Hamvai, UA: 2008, Glyndebourne, Glyndebourne Festival Opera
Regie: Silviu Purcarete, Bühne: Helmut Stürmer, Kostüme: Helmut Stürmer, Beleuchtung: Helmut Stürmer, Jerry Skelton, Dramaturgie: Edward Kemp, Birgit Meyer, Choreographische Mitarbeit: Athol Farmer, Video: Andu Dumitrescu
Dirigent: Markus Stenz, Chor der Oper Köln, Choreinstudierung: Andrew Ollivant
Solisten: Anna Palimina (Sierva Maria), René Kollo (Don Ygnazio), Jovita Vaskeviciute (Domingo de Adviento), Miljenko Turk (Father Caetano Delaura), Vladimiras Prudnikovas (Don Tiribo), Dalia Schaechter (Josefa Miranda), Adriana Bastidas Gamboa (Martina Laborde), John Heuzenroeder (Abrenuncio)
Besuchte Aufführung: 29. April 2010 (Premiere) in englischer, spanischer, lateinischer und Yoruba-Sprache

Kurzinhalt
Sierva Maria wird an ihrem zwölften Geburtstag unverhofft von einem Hund gebissen. In der vorherrschenden Atmosphäre von Aberglauben und religiösem Wahn wird der Biß als Auslöser einer Tollwut und in letzter Konsequenz als eine „Tollwut der Seele“ gewertet. Sierva Marias teilweise etwas unübliches Benehmen wird damit erklärt, daß sie von Dämonen besessen ist. Sierva Maria wird in ein Kloster gegeben, um dem Treiben der Dämonen Einhalt gebieten zu können. Dort wird sie allerdings von Alpträumen heimgesucht und vertraut sich nur einer Mörderin, Martina Laborde an, die ihr zu fliehen rät. Ihr gesteht sie, daß sie tatsächlich Dämonen in sich trägt. Zwischen Pater Cayetano Delaura, der mit der Teufelsaustreibung beauftragt ist, und Sierva Maria entspinnt sich eine unaufhaltbare Liebesbeziehung. Das Geschehen zwischen den beiden wird von der Äbtissin Josefa entdeckt. Sofort wird die Teufelsaustreibung eingeleitet: Die Äbtissin will Sierva Marias Dämonen auf sich selbst nehmen. Nach Beendigung der Zeremonie bleibt Sierva Maria allein zurück und stirbt.
Aufführung
Die Bühne stellt eine Mischung aus einer großen Kathedrale und einer Baustelle dar. Durch Bretterkonstruktionen wird eine Atmosphäre des Unfertigen hergestellt. Lichteffekte bringen die Kathedralstimmung mit einfachen Mitteln zur Geltung. Videoinstallationen verdeutlichen die Gefühlswelt der handelnden Personen auf der Bühne. Bunte Kostüme der heidnischen Sklaven stehen im krassen Gegensatz zu den dunklen und farblosen Erscheinungen der Personen, die der Kirche angehören. Die Wandlung  von der farbenfrohen, langhaarigen und kindlich wirkenden Sierva Maria in eine kahlgeschorene verzweifelte Büßerin innerhalb der gesellschaftlichen Regularien der Kirche steht deutlich im Vordergrund.
Sänger und Orchester
Das Orchester, das laut Vorgabe des Komponisten im Orchestergraben in einer zweigeteilten Aufstellung sitzt, entfaltet unter der Leitung von Markus Stenz einen transparenten, aufgefächerten Klang. Trotz der Schwierigkeiten, die eine Oper aus dem Bereich der Neuen Musik mit sich bringt, wirkt das Zusammenspiel innerhalb des Orchesters und zusammen mit den Darstellern auf der Bühne souverän. Anna Palimina (Sierva Maria) in der Hauptrolle zeigt in den lyrischen Passagen am Ende der Oper einen ätherisch-runden Klang, der allerdings im Gegensatz zu ihrer sängerischen Leistung am Beginn der Oper steht; es entsteht ein fast trockener Klang ihrer Sopranstimme. Zudem wirkt sie im Vergleich zum restlichen Ensemble teilweise etwas leise. René Kollo (Don Ygnazio) verfährt genau umgekehrt: Von ihm werden die ersten Passagen mit wohlsitzender Stimme vorgetragen. Besonders die Tonansätze haben aber im weiteren Verlauf der Oper bei ihm nicht mehr die Kopfigkeit und das Vibrato, das zu einer solch ambivalenten Rolle gehören sollte. Außerdem ist das Vibrato an manchen Stellen leider etwas unausgeglichen. Miljenko Turk (Father Caetano Delaura) singt in gewohnter Weise verständlich und sicher, jedoch nicht ganz so nuancenreich, wie es bei seiner Rolle wünschenswert wäre. Seine schöne Stimme klingt durchgängig etwas hart, die widerstreitenden Gefühle, die die Rolle beinhaltet, sind aus seiner Interpretation nicht herauszuhören. Adriana Bastidas Gamboa (Martina Laborde) entwickelt einen überwältigenden und freien Klang in den hohen, dramatischen Tönen auf das mehrere Male audrucksvoll wiederholte Wort Escape. Dalia Schächters (Josefa Miranda) Gesangsleitung wirkt etwas durchschnittlich und ihre Aussprache an manchen Stellen fast übertrieben. John Heuzenroeder (Abrenuncio) schenkt dem Publikum erfreulich weiche und von Schönklang geprägte koloraturartige Stellen im zweiten Teil nach der Pause, insgesamt ist seine Stimmführung jedoch etwas nasal.
Fazit
Es handelt sich um eine Oper in bedrückender Stimmung, die in Köln nachvollziehbar dargestellt und umgesetzt ist. Alle Darstellenden meistern die Schwierigkeiten der Oper aus dem Bereich der Neuen Musik souverän. Die Zuhörenden können einigen Stoff zum Nachdenken mit nach Hause nehmen. Wohlwollende Zuschauerreaktionen und langanhaltender Applaus im Beisein des Komponisten beschließen einen gelungenen Opernabend.

Raika Simone Maier

Bild: Paul Leclaire
Das Bild zeigt: v.l.n.r. Jovita Vaskeviciute (Domingo de Adviento), Anna Palimina (Sierva Maria), Statisterie

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