von Gioacchino Rossini (1792-1868), komische Oper in einem Aufzug, Libretto: Luigi Balocchi, UA: 19. Juni 1825 Paris
Regie: Matthias Davids, Bühne: Marina Hellmann, Kostüme: Leo Kulaš, Chor: Dan Ratiu
Dirigent: Gregor Bühl, Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Solisten: Karen Frankenstein (Corinna), Monika Walerowicz (Marquise Melibea), Nicole Chevalier (Gräfin von Follevill), Ania Vegry (Madame Cortese), Ivan Turšić ( Chevalier Belfiore), Sung- Keun Park (Graf von Libenskof), Tobias Schabel (Lord Sidney), Frank Schneiders (Don Profondo), Shavleg Armasi (Baron von Trombonok), Jin- Ho Yoo (Don Alvaro), Young Myoung Kwon (Don Profondo), Anke Briegel (Delia), Mareike Morr (Maddalena), Sandra Fechner (Modestina), Marek Durka (Antonio)
Besuchte Aufführung: 10. April 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Verschiedene Personen aus aller Herren Länder sind auf dem Weg zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X., die am folgenden Tag in Reims stattfinden sollen. Die Gesellschaft steigt in Plombières in Madame Corteses Badehotel Zur goldenen Lilie ab, wo die verschiedenen Charaktere sich begegnen, begehren, beäugen und jeden denkbaren Anlaß zu einer musikalischen virtuosen Gefühlsäußerung nutzen. Alle trifft der Schlag, als sie die Nachricht erreicht, daß in ganz Plombières keine Kutschpferde mehr zu bekommen seien. Madame Cortese erhält von ihrem reisenden Gemahl einen Brief, der berichtet, daß ein großes Fest für den König gefeiert werden soll, bei dem jeder der Gäste eine musikalische Kostprobe aus seiner Heimat vorträgt. Man lost Karl X. als Thema aus, über das die Improvisationskünstlerin Corinna zur Harfe eine Arie vorträgt. Lob und Preis Frankreichs und seines neuen Königs beenden den Abend.
Aufführung
Die Handlung ist in einen großzügigen Wartebereich im Flughafen verlegt. Schilder verweisen auf die verschiedenen Terminals, auf An- und Abflugbereich. Ein großer Empfangstresen befindet sich auf der rechten Seite, von hier aus werden immer wieder per Mikrophondurchsage, Mittlungen an die Reisenden weitergegeben. Vor dem Empfangsbereich befindet sich eine einladende Warte – und Sitzgelegenheit, in dem ein Flachbildfernseher für Unterhaltung sorgen soll. Eine Wendeltreppe auf der linken Seite führt nach oben zu weiteren Terminals und dient den Sängerinnen und Sängern als weitere Auftrittsmöglichkeit. Zeitungsständer und Gepäck fehlen ebensowenig wie ein Verweis auf den Duty-Free-Shop. Die Kostüme sind der Umgebung angepaßt. So tritt Madame Cortese (Ania Vergy) als leitende Stewardesse auf und die Flugreisenden entsprechen in jeder Hinsicht ihren nationalen Klischees.
Sänger und Orchester
Rossini komponierte für diese Oper sehr virtuose und technisch höchst anspruchsvolle Arien. Das gesamte Ensemble bewegt sich sängerisch wie schauspielerisch auf höchstem Niveau. Ania Vergy (Madame Cortese) mimt die übermäßig motivierte Leiterin des Bodenpersonals am Flughafen. Mit ihrem Sopran schafft sie es, daß sie die rasend schnelle Arie Di vaghi raggi adorno, il ciel resplende il sole – Mit lieblichen Strahlen gezieret, lacht die Sonne vom Himmel herab nicht gehetzt, sondern gut akzentuiert durch die Koloraturen führt und die Tonsprünge mit beachtlichem Umfang lupenrein trifft. Eine ganz andere Seite zeigt sie, wenn sie bei dem Gesangsvortrag der einzelnen Nationen, die amüsante Jodelnummer zum Besten gibt. Nicole Chevaliers (Gräfin von Follevill) führt ihre Stimme gewollt und sehr passend überzogen durch die Koloraturpassagen, in dem Sie die hohen Töne spitz anreißt und abfallende Tonsequenzen in die Länge zieht. Ihre schauspielerischen Einlagen, wie z.B. ihre übertriebene und absolut komische Hingabe zu ihrem pinkfarbenen Hut, bringen das Publikum ein ums andere Mal zum Lachen. Auch die männlichen Hauptrollen singen ihre Parts mit Bravour: Ivan Turšić (Belfiore) und Sung- Keun Park (Graf von Libenskof) mit kräftigem und beweglichem Tenor, Frank Schneiders (Don Profondo), vor allem mit seinem spritzig ironischen Gesang über die Gepflogenheiten der einzelnen Nationalitäten, und Shavleg Armasi (Baron von Trombonok) als fulminante Baßbuffos.
Selbst die Nationalhymnen werden mit Gefühl interpretiert und vermögen auch den Zuschauer im Saal mit der gewissen Portion Pathos zu beglücken. Auch die Übertitel geben häufig Anlaß zum Schmunzeln, so erscheint bei der himmlisch schön gesungenen Arie All‘ ombra amena del Gieglio d’Or – Im lieblichen Schatten der Goldenen Lilie von Karen Frankenstein (Corinna) kein Text, sondern kleine Herzchen.
Fazit
Mit viel Liebe zum Detail wird Il viaggio a Reims zu einer entzückenden Geschichte und einer amüsanten Inszenierung. Auf der Bühne gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken, und das Publikum ist begeistert und lacht herzlich. Die schwierigen Rollen und hochvirtuosen Koloraturpartien stellen ein Opernhaus und das dazugehörige Ensemble vor eine große, schwierige Aufgabe, eine Aufgabe, die das Ensemble der Staatsoper Hannover fantastisch gelöst hat. Ein anspruchsvoller und zugleich lustiger Opernabend, der sich für die ganze Familie lohnt. Unbedingt ansehen!
Katharina Rupprich
Bild: Jörg Landberg
Das Bild zeigt: Shavleg Armasi (Baron von Trombonok), Mareike Morr (Maddalena), Nicole Chevalier (Gräfin von Follevill), Ania Vergy (Madame Cortese), Marek Durka (Antonio), Young Myoung Kwon (Don Profondo), v.l.n.r.