LUTHER – Hof, Theater

von Roland Baumgartner (geb. 1955), Neoromantische Oper in zwei Aufzügen, Libretto von Rolf Rettberg, UA:2010, Hof.
Regie: Uwe Drechsel, Bühne: Rudolf Rischer
Dirigent: Arn Goerke, Hofer Symphoniker, Opernchor, Kinderchor und Ballett Theater Hof.
Solisten: Thomas Rettensteiner (Martin Luther), Yelda Kodalli (Heilige Anna), Ingrid Katzengruber (Katharina von Bora), Karsten Schröter (Friedrich III. Kurfürst von Sachsen), Peter Dittmann (Johann Tetzel), Jürgen Schultz (Michelangelo), Thilo Andersson (Teufel), Karsten Jesgarz (Papst Leo X.), Stefanie Rhaue (Äbtissin), Marianne Lang (Maria, eine Jüdin), u.a.
Besuchte Aufführung: 5. März 2010 (Uraufführung)

Kurzinhalt
Die in abgeschlossene Episoden (Bilder) gegliederte Oper  zeigt das Leben Martin Luthers von seinem Sendungserlebnis als Mönch (als ihn die heilige Anna aus einem Gewittersturm rettet) bis zu seiner Erkenntnis, daß er die Welt ins Chaos gestürzt hat. In den weiteren Stationen wird die Geschichte der Katharina von Bora erzählt, die später Luthers Frau wird. Ebenso wird seine Auseinandersetzung mit Papst Leo X., dem Ablaßprediger Tetzel und Kaiser Karl dargestellt, ihr Drang nach Geld und ausschweifendem Leben. Sein Beschützer Kurfürst Friedrich von Sachsen ermöglicht ihm hingegen die Bibelübersetzung, nachdem er seine Thesen an die Wittenberger Schloßkirche genagelt hat.
Aufführung
Sehr bunt, sehr detailreich, mit vielen Einfällen und verschwenderisch in der Ausstattung, so kann man diese Bebilderung der einzelnen Szenen durch Uwe Drechsel charakterisieren. Jedes Bild ist in sich abgeschlossen und bedingt dann im Abschluß eine unterschiedlich lange Umbaupause. Dabei ist es offensichtlich gewollt, daß man die musikalische Nähe zum Musical auch szenisch durch Anspielungen auf bestimmte Musicals unterstreicht: Die Tierwelt scheint aus Der König der Löwen übernommen zu sein, die Choreographie aus Cats, die Heiligen im Himmel tauchen wie im Phantom der Oper auf, das Nonnenballett ist sichtlich von Sister Act beeinflußt, die Heiligenverehrung erinnert blasphemisch an den Triumphzug der Evita Peron und manche Bewegungschoreographie läßt ein bißchen an die Rocky Horror Picture Show denken. Folge ist, daß dadurch die wenigen Opernarien (vor allem die der Heiligen Anna) in der optischen Bilderflut bzw. der Choreographie untergehen. Die aufwendigen Kostüme sind im Stil der Zeit Luthers gehalten und lassen verstärkt durch passende Hintergrundbilder, wie z.B. Breughels Werke, die Vergangenheit bildlich wiederauferstehen.
Sänger und Orchester
Einen Vorwurf muß man Roland Baumgartner auf jeden Fall machen: Er verlangt ein riesiges Ensemble, glänzen können mit ihren Auftritten jedoch nur wenige. Dazu zählt Thomas Rettensteiner als Martin Luther, der mit ausdrucksstarker Stimme zu Werke geht. Yelda Kodalli (Heilige Anna) ist der weibliche Gesangsstar des Abends. Ihre sicheren Koloraturen besonders in den hohen Registern verzaubern die Zuhörer. Stefanie Rhaue legt als Äbtissin eine Einlage à la Sister Act aufs Parkett, die dieses Musical zu übersteigern sucht. Thilo Andersson verkörpert wie schon in Offenbachs Orpheus in der Unterwelt den Teufel mit Dämonie und Häme in der Stimme. Karsten Jesgarz als Papst sei stellvertretend für die vielen Nebenrollen genannt, die in jeder Hinsicht zufriedenstellend besetzt werden konnten. Arn Goerke führt die Hofer Symphoniker sicher durch die wirre Mischung aus Musical und Opernarien, ohne klären zu können, wo der Schwerpunkt musikalisch zu suchen ist.
Fazit
Wahrlich ein Augenschmaus, mit welch eindrucksvollen Bühnenbildern, mit wieviel Mühe und wieviel Personal (bis zu 130 Darsteller stehen auf der Bühne) man in Hof dieses Werk in Szene setzt. Zu Recht langer und heftiger Applaus für alle Beteiligten, vor allem für die beiden Hauptdarsteller und das Regie-Team um den Hofer Intendanten Uwe Drechsel. Daß die angekündigte „Neoromantische Oper“ leider im Treibsand bekannter Musicals stecken blieb, dafür konnten die Beteiligten nichts. Das Publikum ignorierte allerdings Komponisten und Librettisten fast völlig. Zu Recht, denn Luther hätte mehr opernähnliche Momente verdient als an diesem musikalisch lauen Abend. Trotzdem unbedingt sehenswert!

Oliver Hohlbach

Bild: Fotodesign Hof, Harald Dietz
Das Bild zeigt: Thomas Rettensteiner (Luther) gerät auf dem Reichstag von Worms unter Druck.

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