Münster, Städtische Bühnen – LULU

von Alban Berg (1885-1935), Oper in drei Akten, Libretto: A. Berg nach Frank Wedekind, dritter Akt vervollständigt von Friedrich Cerha, UA: 2. Juni 1937 (unvollendete Fassung), Zürich, Opernhaus
Regie: Ernö Weil, Bühne und Kostüme: Daniel Dvořák, Dramaturgie: Jens Ponath und Justus Wenke
Dirigent: Fabrizio Ventura, Sinfonieorchester Münster
Solisten: Henrike Jacob (Lulu), Suzanne McLeod (Gräfin Geschwitz), Olaf Plassa (Dr. Schön/Jack the Ripper), Wolfgang Schwaninger (Alwa), Judith Gemmrich (Theatergarderobiere/Gymnasiast/Groom), Andrea Shin (Maler), Donald Rutherford (Schigolch), Johannes Schwärsky (Athlet), Fritz Steinbacher (Prinz), Peter Jahreis (Medizinalrat) u.a.
Besuchte Aufführung: 31. Januar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
munster-lulu.jpgLulus erste Ehe mit dem betagten Medizinalrat findet ihr Ende, als der sie beim Liebesspiel mit dem Maler überrascht und daraufhin einen Herzschlag erleidet. Die Heirat mit dem Maler beschert Lulu großen Wohlstand, da der er ihre Portraits teuer verkaufen kann. Als der Chefredakteur Dr. Schön dem Maler jedoch von seiner langjährigen Liaison mit Lulu berichtet, begeht der Betrogene voller Verzweiflung Selbstmord. Dr. Schön muß als dritter Ehemann Lulus seine Gattin mit vielen Verehrern teilen. Als er seine Frau zum Selbstmord zwingen will, bringt Lulu stattdessen ihn um. Lulus anschließender Gefängnisaufenthalt ist jedoch nicht von langer Dauer, da ihr Gräfin Geschwitz, die ihr ebenfalls verfallen ist, zur Flucht verhelfen kann. Mit Alwa und Schigolch lebt sie als Börsenspekulantin in Paris und flieht nach Verlust ihres gesamten Vermögens nach London. Als Prostituierte wird sie von einem ihrer Freier ermordet.
Aufführung
Im ersten und zweiten Akt zeigt das Bühnenbild viele alte Möbel. Großzügige Räume mit antiken Sesseln werden von warmem Licht durchflutet. Die Wohnung von Dr. Schön ist dagegen schlicht eingerichtet. Im dritten Akt wird ein grell erleuchteter, silberner Festsaal gezeigt. Die letzte Szene findet in einem leeren, dunklen Zimmer statt. Eine Glühbirne baumelt von der Decke und unentwegt tropft Wasser in zwei Eimer. Das einzige durchgehende Element der Inszenierung ist das Portrait Lulus. Es taucht in jeder Szene auf, etwa als Deckengemälde oder als zerknittertes Plakat. In weißer Unterwäsche und mit roter Schleife im Haar betritt Lulu das Atelier des Malers. Im zweiten Akt nähert sie sich optisch der männlich anmutenden Gräfin Geschwitz an, indem sie einen Herrenfrack trägt. Im dritten Akt ist Lulu zunächst mit einer ausladenden blonden Perücke, einem schrillen Hosenanzug und Plateauschuhen zu sehen. Als Prostituierte trägt sie knappe Hot Pants und pinkfarbene Lackstiefel.
Sänger und Orchester
Henrike Jacob (Lulu) gelang eine feinfühlige Koordination von impulsiven und einschmeichelnden stimmlichen Nuancen. Überdies überzeugte sie bei den zahlreichen Übergängen zwischen Gesang und Sprache. Besonders in ihrem Wenn sich die Menschen um meinetwillen umgebracht haben, so setzt das meinen Wert nicht herab beeindruckte sie durch scheinbar mühelos gesungene Koloraturen. In schauspielerischer Hinsicht stellte sie die Femme fatal glaubhaft dar, indem sie sich sowohl verführerisch auf der Bühne räkelte als auch zum anderen mimisch keinen Zweifel an der Abgebrühtheit Lulus aufkommen ließ. Die innere Zerrissenheit Dr. Schöns zwischen der hörigen Liebe zu Lulu und seinen moralischen Grundsätzen stellt Olaf Plassa glaubhaft dar. Seinen klaren Bariton bringt er mit viel Energie zur Geltung, Gleichzeitig gelingt es ihm, seine Stimme an den richtigen Stellen bewußt brüchig klingen zu lassen. Auf diese Weise trägt er zur authentischen Darstellung eines verzweifelten Mannes bei. Wolfgang Schwaninger (Alwa) überzeugte mit seiner lyrischen und zugleich kräftigen Tenorstimme. Besonders die sehr anspruchsvollen, auf Zwölftonreihen basierenden Passagen bewältigte er mit beeindruckender Selbstverständlichkeit. Den väterlichen Schigolch stellte Donald Rutherford nachvollziehbar dar, mit dunkler und dennoch durchdringender Baßstimme. Daneben beeindruckte er durch sein Spiel, indem er seiner Figur das richtige Maß an Zwielichtigkeit und Altersmüdigkeit zumaß. Vor dem Hintergrund des beinahe durchweg atonalen musikalischen Materiales zeichnete sich das gesamte Ensemble durch Souveränität und Sicherheit seiner Tongebung aus.
Das Dirigat Fabrizio Venturas ließ die Komplexität der Komposition mit enormer Leichtigkeit Klang werden. Mit Feingefühl wurden die Tempi gestaltet und tonale anmutende Passagen oder die Leitmotivik wirkungsvoll herausgearbeitet. Besonders die Bläser imponierten durch affektvolle dynamische Kontraste.
Fazit
Trotz einer Dauer von knapp vier Stunden läßt die Inszenierung dank ihrer Variationen von Kostümen und Bühnenbild keine Längen entstehen. Das Ensemble zeigte ausnahmslos gesangliche Höchstleistungen und vermittelte dem Zuschauer auf diese Weise anschaulich die atonale Musik Bergs.
Laura Hamdorf

Bild: Michael Hörnschemeyer
Das Bild zeigt: Henrike Jacob (Lulu), Wolfgang Schwaninger (Alwa)

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