Chemnitz, Oper – TANNHÄUSER

Musik und Text von Richard Wagner (1813-1883), Romantische Oper in 3 Akten, UA: 19. Oktober 1845, Dresden
Regie: Michael Heinicke, Bühne/Kostüme: Peter Sykora
Dirigent: Frank Beermann, Robert-Schumann-Philharmonie, Chor und Extrachor der Oper Chemnitz
Solisten: Kouta Räsänen (Landgraf), Jon Ketilsson (Tannhäuser), Heiko Trinsinger (Wolfram von Eschenbach), Johan Weigel (Walther von der Vogelweide), Matthias Winter (Biterolf), André Riemer (Heinrich), Martin Gäbler (Reinmar), Astrid Weber (Venus/Elisabeth), Jana Büchner (Hirt) u. a.
Besuchte Aufführung: 28. November 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
chemnitz-tannhauser.jpgTannhäuser frönt im Venusberg ausgiebigen Ausschweifungen mit der Liebesgöttin. Schon bald sehnt er sich in die reale Welt zurück und zieht mit dem Landgrafen und seinem Gefolge, die ihn im Wald finden, zurück zur Wartburg. In einem Sängerwettstreit soll das Geheimnis der Liebe von Elisabeth, der Nichte des Landgrafen, zu Tannhäuser offenbart werden. Doch im Gegensatz zu Wolfram, der die Liebe als unantastbaren, entrückten Quell besingt, entfacht Tannhäuser mit seinem Lobpreis auf die fleischliche Sinnenlust einen heftigen Streit. Tannhäuser, der zur Buße als Pilger nach Rom geschickt wird, erhält dort keine Absolution, doch Elisabeth opfert sich für sein Seelenheil.
Aufführung
Für die dargebotene Pariser Fassung des Werkes orientierte man sich vorwiegend an einem klar durchstrukturierten, neoromantischen Bühnenbild, bei dem in allen drei Akten mit gotischen Spitzbogenfenstern durchbrochene, monumentale Fassadenelemente den Bau der Wartburg andeuten sollen. Während im ersten und dritten Akt die Elemente frontal von durchscheinenden Stellwänden, die den Blick, je nach Ausleuchtung, in das Innere freigeben können, abgeschlossen werden, rücken die Fassadenteile im zweiten Akt als Sängersaal in den Bühnenmittelpunkt. Eine facettierte, verschließbare Halbkugel mit Liegefläche simuliert zudem im ersten Akt die Liebesgrotte der Venus. Während das Stück im Bühnenaufbau weitgehend von düsteren Farben und Ausleuchtungen dominiert wird, zeigen warme Rottöne den Einflußbereich der Liebesgöttin an. Das Bacchanal im ersten Akt wird zudem von Pantomimen-Damen in durchscheinenden Gewändern mit ruhigen Gesten gegeben, wobei die Kostüme des Landgrafen und seines Gefolges zeitlos modern anmuten.
Sänger und Orchester
Beim Sängerensemble dominierte in Bezug auf die sängerische Leistung eindeutig das Licht, dennoch wurden auch Schatten geworfen. Allen voran ist Astrid Weber zu loben, die gleichzeitig die Rolle der Venus und der Elisabeth übernahm. Ihr druckvoller Sopran mit seinen strahlend reinen Höhen läßt Dich teure Halle grüß ich wieder zu einem großen Auftritt werden. In der Verwandlung der lasziven Venus zur scheuen, reinen Elisabeth zeigt sie sich als Könnerin in Bezug auf sängerische und spielerische Wandlungsfähigkeit, der insbesondere durch nuancenreich eingesetzte Farbtonmodulationen im Gesang zur Geltung kommt. Jon Ketilsson kann im ersten Akt als Tannhäuser gesanglich nicht ganz überzeugen. Zu unkonzentriert und fahrig wirkt sein Spiel, zu angestrengt in den Spitzen sein Dir Töne Lob! Die Wunder sei’n gepriesen. Ab dem zweiten Akt scheint er völlig ausgewechselt. Er besticht mit voller Bühnenpräsenz und seinem warmen, insbesondere in der Mittellage gut situierten Tenor. Wolfram von Eschenbach ist mit Bariton Heiko Trinsinger ideal besetzt. Das Lied an den Abendstern gerät mit tiefer Emphase seiner raumgreifenden Stimme zu einer wahren Sternstunde. Kouta Räsänen liefert als Landgraf mit seinem geschmeidig schlanken Baß bei lupenreinem Duktus untadelig ab, ebenso wie die durchweg guten sängerischen Leistungen von Johan Weigel, Matthias Winter, André Riemer und Martin Gäbler das hohe gesangliche Niveau unterstreichen. Besonders hervorzuheben sei zudem noch Jana Büchners gesanglich ergreifender Auftritt als Hirte. Die auf hohem Niveau spielende Robert-Schumann-Philharmonie unter Frank Beermann schafft es, Wagners Musik in einem satten, impulsiv aufleuchtenden Klangrausch vorzutragen, der jedoch keine erdrückend wabernde Klangmasse, sondern feinste Gespinste nuancenreicher Klangtiefenstaffelung entstehen läßt. Der Chor der Oper Chemnitz ist gesangstechnisch gut aufgestellt und die Einsätze gelingen auf den Punkt.
Fazit
Die Inszenierung ist mit ihrem Zwiespalt klassischer und neoromantisch-moderner Ausstattung nicht Fisch und nicht Fleisch, da sie weder interpretatorische Wagnisse eingeht, noch fließend dynamisch umgesetzt wird, sondern vielmehr die Handlung teilweise in einer statischen Bewegungslosigkeit ausbremst. Die wilden Exzesse im Venusberg geraten so z. B. zu einem, im übertragenen Sinn, einschläfernden Altersheimausflug, der optisch wenig Berauschendes bereithält. Einzig das mitreißend hohe Niveau und Engagement der Sänger und des Orchesters lassen die Flamme des Opernhauses Chemnitz als sog. Sächsisches Bayreuth wieder aufleuchten.
Dr. Andreas Gerth

Bild: Dieter Wuschanski
Im Venusberg: Astrid Weber (Venus) und Jon Ketilsson (Tannhäuser).

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