Theater Lübeck – SIEGFRIED

von Richard Wagner (1813 – 1883), Zweiter Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“, Libretto vom Komponisten, UA: 1876, Bayreuth
Regie: Anthony Pilavachi, Bühne: Momme Röhrbein
Dirigent: Roman Brogli-Sacher, Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Solisten: Alfons Eberz (Siegfried), Arnold Bezuyen (Mime), Stefan Heidemann (Wanderer), Antonio Yang (Alberich), Daniel Lewis Williams (Fafner), Ulrike Schneider (Erda), Rebecca Teem (Brünnhilde), Andrea Stadel (Stimme eines Waldvogels)
Besuchte Aufführung: 6.September 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
lubeck-siegfried.jpgSiegfried wird vom Zwerg Mime großgezogen. Er kennt weder Respekt, noch Furcht. Wie es der Wanderer prophezeit gelingt es dem Furchtlosen, das Schwert Nothung aus Trümmern neu zu schmieden. Mimes Ziel ist es, Siegfried gegen Fafner aufzustacheln, damit er ihn töte und ihm den Ring verschaffe. Als Siegfried den Riesenwurm getötet hat, bringt er den Ring an sich und erkennt durch das magische Drachenblut die wahren Ziele Mimes. Aus Zorn bringt er ihn um und macht sich auf zum Brünnhildenfelsen, um dort Brünnhilde zu erwecken und ihre Liebe zu erringen. Zuvor trifft er auf den Wanderer – den umherstreifenden Gott Wotan – und zerschlägt dessen Speer, der Wotan die Macht über die Welt sicherte. Wotan tritt ab und macht Siegfried so den Weg frei.
Aufführung
Mime betreibt ein Altersheim. Erda verbringt hier ihre letzten Tage vor dem Fernseher, Alberich lebt als abgedankter Diktator in Uniform und laut klimpernder Ordensbrust im Rollstuhl, Brünnhilde schläft in ihrem Bett seit sie in der Walküre zwangsverrentet wurde, Fafner liegt fett und feist auf seinem Gold (und erinnert mit seiner langen goldenen Perücke an Ludwig XIV.), das Waldvögelein ist die intrigante Krankenschwester im kurzen Rock, die von Wotan bestochen wird, damit sie Siegfried Tips gibt. Wotan selbst wandert nicht, sondern fährt mit dem Motorrad, seinen Speer auf dem Rücken. Siegfried pflegt als junger Naturbursche den Zoo der Anstalt. Von dort treibt er auch den Bären in Mimes Chemielabor, um Mime bei seinen Experimenten zu stören. Später wird er hier das Schwert Nothung neu schmieden, indem er die mit einer Feile zerriebenen Späne auf einer Elektroplatte schmilzt, zum Schwert gießt und den Labortisch damit spaltet. Nachdem er das Schwert Fafner in die verfettete Niere gestoßen hat, tötet er den im Smoking gekleideten Mime in seiner Cocktailbar. Als Wotan in das Zimmer tritt, in dem Erda dahindämmert kommt es zu den berührenden Momenten dieser Produktion: Wotan umarmt weinend ihr Jugend-Porträt – schließlich hat er in ihrer Jugend mit ihr Brünnhilde gezeugt. Zum Schluß erwürgt er sie.
Sänger und Orchester
Im tiefen Graben ist nur Platz für 60 Musiker, das Solo-Horn für den Siegfriedruf als Jägerbursche auf die Bühne zu stellen, schafft kaum Platz. Trotzdem sorgt das Dirigat von Roman Brogli-Sacher für einen aufsehenerregenden Abend. Es dringt satter Wohlklang aus dem Graben, was fast sensationell ist. Genauso preisverdächtig die Leistung von Arnold Bezuyen (sein Bayreuther Loge war eine der Topleistungen des Jahres 2009). Er stellt als Mime klar, daß die Zeit der abgesungenen Tenöre in dieser Rolle ihrem Ende entgegen geht: Genauso wie Wolfgang Schmitt in gleicher Rolle in Bayreuth hat er die überragenden stimmlichen Mittel für einen servilen und schmierigen Mime. Gleiches kann man auch über Antonio Yang als Alberich sagen. Auch er singt die Rolle voll aus, ohne dem Sprechgesang auch nur nahe zu kommen. Alfons Eberz (er war der umjubelte Parsifal im Schlingensief-Parsifal) gibt wie gewohnt mit viel Kraft einen sehr soliden Siegfried, auch wenn ihm gegen Ende etwas die Schönheit in der Höhe schwindet. Stefan Heidemann hat eher ein helles baritonales Timbre und noch manche Schwäche in den tiefen Lagen, aber seine Durchschlagskraft und strahlende Höhe prädestinieren ihn für größere Aufgaben an größeren Häusern. Der Einsatz von Rebecca Teem als Brünnhilde kommt etwas zu früh, dafür begeistert Andrea Stadel als Waldvogel mit glockenklarer Stimme.
Fazit
Der Siegfried wird gemeinhin als Scherzo im Ring bezeichnet. Nun stellt sich die Frage, wie lustig ein Scherzo sein darf. Das Lübecker Publikum sagt sehr lustig, so donnernd war der Schlußapplaus für Regie und Musik. Szenenapplaus erhielt schon der Drache für seinen Kurzauftritt: ein Schoßhund mit Drachenkopf. Zwar bleibt festzustellen, daß die Inszenierung von Anthony Pilavachi einige Anregungen aus anderen Inszenierungen übernommen hat – z.B. erinnert das Chemielabor an die derzeitige Bayreuther Produktion. Aber anders als mancher Kollege, gelingt es ihm eine schlüssige Handlung abzuliefern, da er die Regieanweisungen aus der Partitur Richard Wagners ernst nimmt und so demonstriert wie im modernen Regietheater eine werkgetreue Inszenierung aussehen kann. Das ist schwerlich zu überbieten, wenn die Hamburgische Staatsoper am 13. Oktober mit ihrer Siegfried-Produktion im nordischen Ringkampf nachziehen wird.
Oliver Hohlbach

Nächste Vorstellungen: 20.09. / 3.10. / 25.10.
Bild: Jörg Metzner
Das Bild zeigt: Alfons Eberz als Siegfried.

Veröffentlicht unter Lübeck, Theater, Opern