Der Barbier von Sevilla – Görlitz, Gerhart Hauptmann Theater

von Gioachino Rossini (1792-1868), Melodramma buffo in 2 Akten, Libretto: Cesare Sterbini nach Beaumarchais’ Le Barbier de Séville, in der deutschen Übersetzung von Otto Neitzel, UA: 20. Februar 1816, Rom

Regie: Sabine Sterken, Bühne: Britta Bremer, Kostüme: Julia Burde

Dirigentin: Ewa Strusińska, Choreinstudierung: Albert Seidl; Neue Lausitzer Philharmonie, Opernherrenchor

Solisten: Thembi Nkosi (Graf Almaviva), Ji-Su Park (Figaro), Hans-Peter Struppe (Doktor Bartolo), Jenifer Lary (Rosina), Stefan Bley (Basilio), Robert Rosenkranz (Fiorillo), Yvonne Reich (Berta), Carsten Arbel (Offizier), Torsten Imber (Ambrosio)

Besuchte Aufführung: 17. November 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Graf Almaviva hat sich in Rosina, das Mündel von Doktor Bartolo, verliebt. Doch Bartolo hütet streng die Angebetete, denn er will sie, ein reiches Erbe im Blick, selber ehelichen. Der Barbier Figaro weiß Rat und fungiert als vermittelnder Liebespostbote. Er quartiert Almaviva als Soldat Lindoro in Bartolos Haus ein. Graf Almaviva spielt den Betrunkenen, so daß Bartolo ihn mit Hilfe der Garde festnehmen lassen will. Doch Almaviva entkommt unbehelligt.

Als Musikmeister Don Alonso verkleidet erscheint der Graf erneut in Bartolos Haus, wobei er vorher den echten Musiklehrer Basilio mit Geld ruhigstellen konnte. Bartolo entdeckt den Plan und wirft Almaviva und Figaro, der hinzugekommen war, aus seinem Haus. Ein drittes Mal gelangen beide in Bartolos Haus und können die Ehe, die Doktor Bartolo mit Rosina besiegeln will, gerade noch verhindern. Figaro zwingt den anwesenden Notar, die Ehe zwischen Rosina und Almaviva zu vollziehen. Bartolo wird mit Rosinas Mitgift versöhnlich gestimmt. Letztendlich sind alle glücklich.

Aufführung

Bereits während der Ouvertüre ist die Dominante der Bühnenausstattung zu sehen – es ist eine große, undurchdringliche Hecke und eine moderne Villa, die mit allen technischen Schutzfinessen ausgestattet ist. Es ist der Wohnsitz von Dr. Bartolo. Und schon in den ersten Minuten werden hier auch die Figuren der Handlung umrissen, bedient sich doch der, an langer Leine einen Hund ausführende, geldgierige Don Basilio am goldenen Zierrat des Hauses und während Dr. Bartolo mißtrauisch die Straße. Diese Trutzburg Bartolos, das Gefängnis Rosinas, wie auch die Hecke, bleiben im ganzen Stück Dreh- und Angelpunkt, der durchstiegen, überklettert und durchzogen wird von List und Tücke, Geld und Liebe. Die Kostüme spiegeln dazu die Lebensfreude oder triste Biederkeit der Akteure in modernem Outfit wieder. Die herbeigerufenen Wachen aber, als Sinnbild eines Überwachungsstaates, sind in einem Ufo gelandete Außerirdische, Verkörperungen einer viel höheren Macht, die uns alle im Auge behält.

Sänger und Orchester

Mit lyrisch geschmeidigem Timbre läßt Tenor Thembi Nkosi (Almaviva) seine Kavatine sanft und getragen aufleuchten, und fängt somit den zarten Duft einer Sommerbrise ein. Nicht nur in den leisen und stimmlich zurückgenommenen Partien, auch in den Duetten und Tutti-Szenen weiß Nkosi seine Stimme mit agiler Phrasierung, und in den hohen Lagen mit sauber intonierten Passagen und galanter Stimmführung einzusetzen. Mit großer Durchzugskraft und wendigen Phrasierungen weiß auch Ji-Su Park (Figaro) bereits mit seinem Auftrittslied Ich bin das Faktotum der ganzen Welt bis zu den hintersten Sitzreihen zu begeistern. Die Dynamik seines Baritons, der variantenreich ein großes Spektrum leuchtender Klangfarben mit großer Flexibilität in den Tempi paart, eröffnet eine rauschhaft, stimmliche Sogkraft. Hinzu treten, insbesondere in den Duetten, glanzvolle Phrasierungen und mühelos getragene hohe Tonlagen.

Mit ihrem voluminösen, klaren Sopran verleiht Jenifer Lary (Rosina) ihren Liebesarien hell aufscheinende Klangfarben, die im Zusammenspiel mit lyrisch-dramatischer Wendigkeit bei den dramatischen Abschnitten, von durchzugsstarker Agilität und Leuchtkraft geprägt ist. Bariton Hans-Peter Struppe (Bartolo) spielt köstlich den von Misstrauen zerfressenen Biedermann. Er überzeugt gesanglich mit klarem Duktus sowie mit deutlich zur Geltung gebrachten, warmen Klangfarbenakzentuierungen. Seinen großen Auftritt hat Basß Stefan Bley mit der Verleumdungsarie. Das schleichende Gift der üblen Nachrede, die in einem Gewitter der Verachtung kulminiert, vernehmen wir von ihm mit akrobatischer Stimmflexibilität und stimmlich subtiler Transparenz vorgetragen, so daß man bis zum letzten Ton förmlich an seinen Lippen hängt. Yvonne Reich (Berta), wußte ebenso das Publikum mit ihrer gesanglich durchzugsstarken Darbietung mitzureißen. Herrlich auch das Spiel von Torsten Imber als Ambrosio, der mit seiner köstlich naiv-lapidaren Darbietung wunderbar erheiternde Nebenschauplätze eröffnete.

Ewa Strusińska leitet die Neue Lausitzer Philharmonie agil und wendig aufspielend durch die berauschend repetierenden Klangspektren und eröffnet, im Zusammenspiel mit den Sängern und dem prächtig einstudierten Chor, eine Klangkulissenstaffelung von immenser Sogkraft.

Fazit

Die Inszenierung bietet alles, was man sich für einen wunderbar ausgelassenen Opernabend wünscht. Zahlreiche Verwandlungen, ausgefeilte Choreographien und Kostüme sowie Augenmerk auf das Detail bei Ausstattung und schauspielerischer Leistung, sorgen für köstlich heitere Stunden. Das prickelt und zündet in jeder Minute und sorgt für lang anhaltenden Schlußapplaus.

Dr. Andreas Gerth

Bild: Marlies Kross

Das Bild zeigt: (v.l.n.r.) Yvonne Reich (Berta), Thembi Nkosi (Graf Almaviva), Jenifer Lary (Rosina), Stefan Bley (Basilio), Hans-Peter Struppe (Doktor Bartolo), Torsten Imber (Ambrosio)

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