Der Liebestrank – Pforzheim, Stadttheater

von Gaetano Donizetti (1797-1848), Oper in zwei Akten, Libretto: Felice Romani, UA: 12. Mai 1832 Mailand, Teatro della Canobbiana,

Regie: Wolfgang Lachnitt, Bühne/Kostüme: Christian Albert, Dramaturgie: Annika Hertwig

Dirigent: Florian Erdl, Badische Philharmonie Pforzheim, Chor und Extrachor des Theaters Pforzheim

Solisten: Elisandra Melián (Adina), Theodore Browne (Nemorino), Paul Jadach (Belcore), Aleksandar Stefanoski (Dulcamara), Natasha Sallés (Giannetta)

Besuchte Aufführung: 17. November 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Wir befinden uns auf einem ländlichen Gutshof. Dort hat Nemorino (der kleine Niemand) ein Auge auf die Tochter des Gutsbesitzers Adina geworfen. Als er ihr seine Zuneigung gesteht, hat sie nur Spott für ihn übrig. Dann kommt noch ein Bataillon Soldaten vorbei, deren Anführer Belcore augenblicklich großen Eindruck bei Adina hinterläßt. Nemorino ist verzweifelt. Kurz darauf tritt der Quacksalber Dulcamara auf, der für alle Leiden und Nöte ein Heilmittel bei sich hat: alte Frauen werden wieder jung, Kranke wieder gesund und auch der Liebe will Dulcamara mit einigen Mitteln auf die Sprünge helfen können. Nemorino erwirbt bei ihm einen Liebestrank, der innerhalb von einem Tag Wirkung zeigen soll (in Wirklichkeit handelt es sich um eine Flasche Rotwein). Während Nemorino sich schon darauf freut, Adina für sich zu gewinnen, stirbt in Abwesenheit Nemorinos Onkel. Als einziger Erbe verfügt er nun über einige Millionen und erobert augenblicklich die Herzen der Frauen  …

Aufführung

Die Inszenierung stammt von Wolfgang Lachnitt und erzählt originalgetreu die Geschichte von Nemorino und Adina. Auf der Bühne (von Christian Albert) sieht man eine Anzahl großer Sonnenblumen auf blauem Hintergrund, der Bühnenboden ist teilweise mit Rasen bedeckt. Es entsteht eine sommerliche Atmosphäre, als zu Beginn die Arbeiter in erdfarbener Bekleidung die Bühne betreten. Belcore erscheint zu Beginn in einer Art Musketier-Uniform, seine nachfolgenden Uniformen verkörpern keine konkreten Regimenter. Dulcamara trägt einen grünen Anzug und sitzt bei seinem Auftritt auf einer Art grünem Thron, in welchem er all seine Mittel und Salben aufzubewahren pflegt. Wie ein Zirkusdompteur hat er bei seiner Ansprache die Gemeinschaft im Griff. Diese scheinen wie hypnotisiert von seinen Bewegungen und reagieren spiegelbildlich zu seiner Gestik. Als Nemorino nach dem Liebeselixir fragt, etikettiert Dulcamara kurzfristig seine Weinflasche mit einem roten Herz. Am Anfang des zweiten Aktes ist die Bühne anläßlich der Hochzeit festlich mit Rosen geschmückt. Zum Essen gibt es Spaghetti, und die Hochzeitsgesellschaft begibt sich zum Tanz. An einigen Punkten wirkt die Umsetzung ein wenig operettenhaft, was der Wirkung jedoch keinen Abbruch tut.

Sänger und Orchester

Die Badische Philharmonie Pforzheim wird an diesem Abend von Florian Erdl geleitet. Sein Dirigat ist sehr impulsiv und phasenweise etwas stürmisch. An einigen Stellen tendiert die Interpretation dazu, sich in ihrer Geschwindigkeit zu überstürzen und an Präzision zu verlieren. Dann wieder werden Generalpausen in die Länge gedehnt, um die Sänger auf der Bühne schauspielerisch mehr Freiraum zu geben. Der Höhepunkt dieses Abends ist ohne Frage Elisandra Melián als Adina. Ihr Sopran ist klar, warm und beweglich. Ihr Italienisch ist deutlich in der Artikulation, der Ausdruck bald kokett, bald verliebt, bald ernsthaft. Auch in der tiefen Lage Me l‘hai da pagar – Das zahlst du mir heim hat sie noch genügend Volumen – nicht allen Sängerinnen gelingt das.

An ihrer Seite ist Theodore Browne als Nemorino zu erleben. Sein Tenor ist sehr schlank und lyrisch, wenn auch oftmals etwas bieder. Das Italienische geht ihm nicht allzu authentisch über die Lippen und so wirkt er an vielen Stellen noch etwas blaß und farblos, obwohl das sanglich-stimmliche Potential hier auf alle Fälle gegeben ist. Aleksandar Stefanoski ist der Dulcamara dieses Abends. An vielen Stellen tendiert die Partie des Dulcamara bekanntlich zum Sprechgesang, was Stefanoski eindrucksvoll gelingt. Oft verfällt er vom Singen ins Sprechen, was der Interpretation eine große Vielfältigkeit verleiht. Nur schade, daß die Textsicherheit an einigen markanten Stellen nicht gegeben war. Dagegen gelingen ihm die sehr schnellen Parlando-Passagen ohne jeden Makel: er ist ein markanter Baß und eine gute Besetzung für diese Partie.

Belcore wird von Paul Jadach mit einem sonoren Bariton interpretiert, der das soldatische Element gut in den Vordergrund rückt. Seine Auftritte haben stimmlich große Präsenz, die Gesangsbögen sind melodiös und die Parlando-Partien zeugen von guter Textverständlichkeit. Die eher kleinere Partie der Giannetta wird mit großer Verspieltheit von Natasha Sallés in Szene gesetzt. Auch der Opernchor leistet an diesem Abend einiges: sowohl gesanglich als auch schauspielerisch erkennt man die Liebe zur künstlerischen Umsetzung und Freude an Gesang und Spiel.

Fazit

Dieser Liebestrank wurde von Wolfgang Lachnitt sehr bodenständig und authentisch auf die Bühne gebracht. Er ist ein Regisseur der alten Schule, der sein Handwerk versteht und das Werk in seiner ursprünglichen Gestalt sehr ernst nimmt. Viele Kandidaten des Ring-Awards könnten sich hier eine Scheibe abschneiden. Die Ausstattung ist einfach, aber sehr charmant und der Zuschauer muß nicht um die Ecke denken, um die Handlung zu verstehen. Der Schlußapplaus gibt den Künstlern und dem Regisseur recht. In Pforzheim schätzt man sein Publikum, und der Zuschauer hat das Gefühl, ernst genommen zu werden. So darf man dem Theater Pforzheim für die kommenden Vorstellungen dieser Oper ein stets gut gefülltes Haus wünschen!

Daniel Rilling

Bild: Sabine Haymann

Das Bild zeigt: Elisandra Melián (Adina), Paul Jadach (Belcore), Natasha Sallés (Giannetta)

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