Aida – Verona, Arena Opera Festival 2018

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: Antonio Ghislanzoni, ursprünglich französischer Prosatext: Camille du Locle, Entwurf: Edouard Mariette-Bey, UA: 4. Dezember Kairo 1871, Italienisches Theater; Februar 1872 Mailand, Teatro alla Scala;

Regie/Bühne: Franco Zeffirelli, Kostüme: Anna Anni, szenische Einrichtung: Giuseppe Gaetano Petrosino

Dirigent: Daniel Oren, Orchester, Chor, Ballett der Arena Verona und Choreographie: Vladimir Vasiliev, Choreinstudierung: Vito Lombardi

Solisten: Romano Dal Zovo (König, Pharao), Carmen Topsciu (Amneris), Susanna Branchini (Aida), Gregory Kunde (Radamès), Rafat Siwek (Ramfis), Amartuvshin Enkhbat (Amonasro), Carlo Bosi (ein Bote), Alina Alexeeva (Priesterin)

Prima Ballerina: Beatrice Carbone, Petra Conti, Mick Zeni

Besuchte Aufführung: 2. August 2018

Vorbemerkung

In Heft 4/OPERAPOINT 2017 können Sie eine Rezension der damals in der Arena von Verona stattgefundenen Aufführung nachlesen, die die Inszenierung von Aida aus dem Jahr 1913 beschreibt und kritisiert, womit die seit 1913 existierenden Festspiele Oper eröffnet wurden. Seither ist sie die am häufigsten aufgeführte Oper von Giuseppe Verdi. Der Regisseur von 1913, Gianfranco de Bosio, hielt sich bei seiner Inszenierungsarbeit eng an Verdis Beschreibungen zu Opernpremieren, die dieser seit 1850 von den Premieren seine Opern aufzeichnete (disposizioni sceniche). Grundlage der Regie von 1913 war der Entwurf von Edouard Mariette, Ägyptologe und Begründer der ägyptischen Denkmalpflege. Diese Aufzeichnung Mariettes nahm Verdi, um mit Antonio Ghislanzoni das Libretto zu Aida zu verfertigten. Was dabei herauskam habe ich in meiner Rezension in Magazinheft 4 voriges Jahr geschildert. Das Geschehen auf der Bühne mit den altägyptischen Papyrussäulen, den Palmen im Nilakt, den Harfenistinnen auf der Bühne (während im Graben vier Harfen gegenüber dem Dirigenten spielten), den aufmarschierenden Standartenträger, die Pferde und anderer lebendiger Tiere ist das, was unsere Phantasie vom altägyptischen Leben sich vorstellt. Von museal redet nur jemand, der wohl weniger ins Museen als in Fußballarenen geht. Kurz gesagt, es war ein dem Verdi-Ghislanzoni Libretto und Verdis Musik adäquate Aufführung. Und diese sollten auch andere Melomanen erleben (es war eine Lesereise von OPERAPOINT). Wie groß aber war meine Enttäuschung, als die zuerst auch für dieses Jahr angekündigte Wiederholung derInszenierung von 1913 mit einer von Franco Zeffirelli ausgewechselt war! Wer hat das zu verantworten?

Nun, das weitere Attribut guter Inszenierungen war zufriedenstellend gelöst wie Personenführung, Stimmen, Licht, Orchester.

Kurzinhalt

Feldherr Radamès ist begierig darauf, zum Heerführer gegen die Äthiopier erwählt zu werden. Er wird es! Aber er wird auch von Amneris,  Tochter des Pharao, geliebt. Da Radamès Aida, die Tochter des äthiopischen Königs Amonasro, liebt, ist er in einem Dilemma. Dies hätte er als klardenkender Heerführer berücksichtigen müssen. Doch er träumt und muß zum Schluß den Tod durch Ersticken erleiden, der ihm durch die Anwesenheit Aidas, die mit ihm stirbt, versüßt wird.

Amneris weiß ziemlich bald, daß Radamès in die Äthiopierin verliebt ist. Sie belauscht beide und erfährt, daß Radamès Aida den geheimen Plan der Ägypter zum Angriff auf die Äthiopier unbedacht verrät. Sie bringt ihren Geliebten vor das Tribunal der Priester, die ihn zum Tode verurteilen. Sie ist sodann verzweifelt, daß sie, die ihn doch immer noch inbrünstig liebt, seinen Tod verursacht hat. Aida, die geflohen war, kehrt heimlich zurück und stirbt zusammen mit Radamès im unterirdischen Verlies.

Aufführung

Mit senkrechten und verqueren Stangen will man die Illusion einer ägyptischen Pyramide erwecken!? Eine riesige Tutanchamun Goldmaske überhöht den Pharaothron, begleitet von zwei Riesenfiguren, links Pharao, rechts Horus (Königsgott, auch Emblem am Heck ägyptischer Flugzeuge). An den Bühnenrändern riesige Sphinxen mit menschlichen Gesichtern sowie – beim Triumphmarsch – Krieger, Würdenträger, Standartenträger etc., in allen Farben gewandet. Die königlichen Personen erscheinen in Gewänder mit helleren Farben. Die beiden Vortänzer des Balletts sind nur mit Hose und Bikini bekleitet. Die zum Teil recht ausgeprägten athletisch, akrobatischen Tänze scheinen recht gewollt und ein wenig überzogen – soweit man das überhaupt sagen kann, denn Aufzeichnungen von altägyptischen Balletten gibt’s wohl nicht.

Die Protagonisten sind durchweg in bunten, wallenden Gewändern festlich gekleidet. Aida, anfangs in bescheidener dunkler Sklavenkleidung, kommt in Amneris Privatgemächer rot gewandet, im Nilakt, ist ihre Kleidung blau. Auch Amneris trägt im Opernverlauf blaue, prächtige Kleidung und eine ebensolche Kopfbedeckung. Am auffallendsten ist Amonasros Aussehen: grünes Hemd, rote gemusterte Toga und grüner, von der linken Schulter zu Hüfte geschlungenen Schärpe. Radamès schließlich zeigt sich in einer grün-blauen Toga mit Bauchschärpe und blauem Stirnband.

Sänger und Orchester

Die erste große Bewährungsprobe für Radamès, Amneris und Aida kommt beim Terzett im ersten Aufzug. Die tiefsitzenden Leidenschaften treten dabei zögernd zutage. Hier ist neben Dramatik, die die jetzt noch unterdrückten Gefühlswallungen, Empfindungen und Stimmungen in Körperhaltung und Gestik ausdrückt, auch große stimmliche Treffsicherheit gefordert. Alles dies geschieht durch die von Verdi jeder Person zugeordneten Motive. Und diese sollten tongerecht und wortverständlich klingen, Maßstäbe fürs Gelingen oder Scheitern. Allen Protagonisten glückte ihr Einsatz schauspielerisch, körperlich, gestisch (Personenführung!) und besonders stimmlich. Bis auf den letzten Platz der Riesenarena war alles zu sehen und bestens zu hören! Mit ihrem warmen, lyrischen Sopran, der keine Höhe zu scheuen braucht und nie schrill wirkt, schwebt Susanne Branchini (Aida) mit ihren langen Tönen zum Terzettende über den beiden anderen Stimmen, über den tiefgeführten Mezzo von Carmen Topciu (Amneris) und den sich ob seiner Liebe zu Aida ertappte Radamès (Gregory Kunde) mit seinem, keine Höhen scheuenden, strahlenden Tenor. Durch einen langen Applaus beweist das Publikum, auch durch Rufen der Sängernamen, seine Kenntnis und Vertrautheit mit dem Operngeschehen.

Es folgt das perfide, ja infame Hinterfragen Amneris. Das statt „Nachfragen“ heute benutzte „Hinterfragen“ will die Boshaftigkeit der Pharaotochter andeuten! In Aktion und Stimme gelingt hier Carmen Topciu mit ihrem fokussierten Mezzo eine Meisterleistung.

Im Nilakt (3. Akt) erleben wir mit Amartuvshin Enkhbat (Amonasro) einen den Staatsgedanken höher als die Liebe zu seiner Tochter wertenden Vater, der mit langem, ausgefranstem Bart und schulterlangen Haaren eine fast angsteinflößende Person darstellt. Seinen wohllautenden, rollenden Bariton weiß er schmeichelnd und drohend einzusetzen. Dann trifft Gregory Kunde (Radamès) seine Geliebte Aida. Seine anfängliche Abwehr einer gemeinsamen Flucht erlahmt unter der sanften Sopranstimme Aidas. Nachdem er mit Celeste Aida – holde, himmlische Aida am Opernanfang seinen heldischen Tenor ohne jede Mühe und Forcieren in die Höhen des zweigestrichenen B’s führte, zeigt er nun ein überzeugendes Verhalten in der Gerichts- und Sterbeszene. Von seiner Stimmführung, seinem Verhalten hängt ja schließlich auch der Erfolg des Opernendes ab. Es gelingt ihm über die Maßen gut. Abgerundet wird das Bild der Sängerriege mit den wohllautenden und klar gesungenen Bässen von Romano Dal Zovo (König, Pharao) und Rafat Siwek (Ramfis).

Fazit

Ja, hätte das mit dem vom Ägyptologen Mariette und Gianfranco de Bosio, dem Regisseur von 1913, geschaffene Bühnenbild den Rahmen, ja die Atmosphäre für diese hervorragenden Sänger gebildet, es wäre des Applauses kein Ende gewesen. Jetzt ist er dünn, was von der gegenüber der Aufführung 2017 sehr reduzierten Besucherzahl z.T. herrührte und vor allem kurz. Wieviel hängt doch das Gelingen und Erleben einer Opernaufführung u.a. vom Bühnenbild ab! Sicher, der Geschmack, aber auch die Kenntnisse von Operntext und Musik ergibt im einzelnen unterschiedliche Zustimmung. Aber das „wovon“ und „warum“ sollte einmal an anderer Stelle im Magazin besprochen werden. Die hierzulande anzutreffenden Magazine lassen den wißbegierigen Melomanen aber nicht selten im Stich. Allerdings machen manche Tageszeitungen ab und an eine rühmliche Ausnahme.

Dr. Olaf Zenner

Bild: ©Ph Ennevi. Courtesy of Fondazione Arena di Verona

Das Bild oben zeigt: Susanne Branchini (Aida)

Bild unten zeigt: Susanne Branchini (Aida), Gregory Kunde (Radamès), Amartuvshin Enkhbat (Amonasro)

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