Lucio Silla – Kassel, Staatstheater

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Giovanni de Gamerra, UA: 26. Dezember 1772 Mailand, Teatro Regio Ducale

Regie: Stephan Müller, Bühne: Siegfried E. Mayer, Kostüme: Carla Caminati, Bewegungscoach: Dhimas Aryo Satwiko

Dirigent: Jörg Halubek, Staatsorchester Kassel, Opernchor des Staatstheaters Kassel (Leitung Marco Zeiser Celesti)

Solisten: Tobias Hächler (Lucio Silla), Elizabeth Bailey (Giunia), Maren Engelhardt (Cecilio), Benedicte Tauran (Cinna), Lin Lin Fan (Celia), Younggi Moses Do (Aufidio)

Besuchte Aufführung: 9. Dezember 2017 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Diktator Lucio Silla (historisch korrekt: Lucius Sulla) läßt den römischen Senator Cecilio für tot erklären, damit er dessen Braut Giunia selbst zur Frau nehmen könnte. Diese wehrt sich heftig gegen die Werbungen des Diktators. Heimlich trifft Giunia sich mit ihrem Geliebten Cecilio, der unerkannt zurück kehrte. Gemeinsam mit seinem Freund Cinna schmiedet Cecilio Pläne, Silla zu töten. Dieser versucht mit Hilfe seiner Schwester Celia bei Giunia anzukommen. Doch wird er von ihr erneut verschmäht, und er schwört Rache. Die Mordpläne mißlingen, aber Silla begnadigt alle – und beendet unerwartet seine Diktatur, verheiratet seine Schwester Celia mit Cinna und ebenso Cecilio mit Giunia.

Aufführung

Das Bühnenbild ist relativ einfach: Das Mozart-Orchester sitzt kreisförmig im Orchestergraben, drumherum befindet sich ein kreisförmiger Laufsteg, auf dem die Darsteller die Handlung präsentieren. Den Abschluß nach hinten bildet eine große Wand, auf die man verschiedene Farben oder Bilder als Kommentar zur Handlung projizieren kann. Diese Handlung, die Machtdemonstrationen des Lucio Silla, Verhaftungen oder Drohgebärden werden durch die zusätzlich eingeführte Leibgarde verstärkt und veranschaulicht, die als Bewegungsgruppe aufwendig und eindrucksvoll choreographiert ist. Die Kostüme sind phantasievoll und sowohl von der römischen Mode, als auch vom Barock inspiriert.

Sänger und Orchester

Nicht weniger als 42 Streicher standen Mozart zur Uraufführung in Mailand zur Verfügung: Dazu kamen noch 4 Oboen/Flöten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten und 2 Cembali. Die Zahl erreicht man in Kassel nicht ganz, aber wie in Mailand stehen sich die zwei Cembali im Halbkreis mittig gegenüber, vom linken leitet Jörg Halubek die Vorstellung. Darum herum gruppieren sich die Musiker, die einen zur Bühne, die anderen zum Publikum – alle Musiker sehen sich gegenseitig und können z.T. die Bühne sehen.

Jörg Halubek hat das richtige Fingerspitzengefühl für Lucio Silla, für die lyrischen, aber auch dramatischen Momente. Er kann dem Staatsorchester Kassel einen silbrigen, erzählfreudigen Klang entlocken – durchaus entsprechend der derzeitigen Aufführungspraxis für Barockopern. Das überbrückt auch die langen Orchesterzwischenspiele innerhalb der Rezitative. Da geht keine Spannung verloren, da hört man schon den großen Meister Mozart deutlich heraus. Für Spannung innerhalb der vielen orchesterbegleiteten Rezitative sind die Solisten zuständig:

Tobias Hächler gibt den Diktator Lucio Silla mit lässiger Leichtigkeit als leichter italienischer Tenor, der dann manchmal wie ein Heldentenor explodieren kann. LinLin Fan ist die unauffällige Schwester Celia dank ihres bravourösen und hochbeweglichen hohen jugendlichen Soprans. Sie klebt an der Gesangslinie, man hört einzelne Passagen teilweise sehr deutlich aus den Koloraturen heraus. Etwas weniger eloquent ist Maren Engelhardt als Mezzo in der Hosenrolle des Cecilio. Doch ihrem Mezzo fehlt der Glanz in den Höhen, er klingt brüchig und neigt etwas zum Tremolieren. Sie ist aber dadurch als Mann sehr glaubhaft. Als Cecilios geliebte Giunia überzeugt Elizabeth Bailey mit klaren, sauberen, hohen Spitzentönen, auch die Koloraturen perlen wie Sand.

Auch die vermeintlich kleinen Rollen können für sich einnehmen: Der noch studierende Younggi Moses Do (als Berater und Intrigant Aufidio) kann mit einem sehr höhensicheren Tenor aufwarten. Er ist auch im Charakterfach zu Hause. Benedicte Tauran hat viel Erfahrung mit französischer barocker Aufführungspraxis. Das kommt ihr für die zweite Hosenrolle Cinna sehr zugute. Auch ohne den angeklebten Bart kann sie mit herbem Charme und sicheren Koloraturen männlich wirken.

Fazit

Es ist eindrucksvoll, wie es Jörg Halubek gelingt dieses selten gespielte Frühwerk Mozarts musikalisch in den Vordergrund zu rücken und Spannung zu erzeugen. Dank der durchdachten Personenführung von Stephan Müller, der zusätzlichen Bewegungsgruppe und den phantasievollen Kostümen im Kontrast zum schlichten Bühnenbild ist eine Produktion entstanden, die eine eigentlich etwas „dröge Handlung“ gewaltig aufwertet, die man zu den Höhepunkten der Spielzeit 2017/2018 rechnen muß. Begeisterter Applaus für einen spannenden Opernabend.

Oliver Hohlbach

Bild Kassel: Nils Klinger

Das Bild zeigt: Elizabeth Bailey (Giunia) und Lucio Silla (Tobias Hächler)

Veröffentlicht unter Kassel, Staatstheater, Opern