Mozartfest 2017, Würzburg

Le nozze di Figaro KV 492

Ouvertüre

Akt I / 1.Szene Duettino Cinque, dieci... – Duettino Se a caso, Madama

Akt I / 2.Szene Kavatine Se vuol ballare

Akt I / 6.Szene Arie Non so piu cosa son, cosa faccio

Akt II / 3.Szene Kanzone Voi che sapete

Akt I / 8.Szene Arie Non oiu andrai farfallone amoroso

Akt III / 2. und 3.Szene Duett Crudel! Perche finora / Recitativo accompagnato Ha gia vinta la causa! / Arie Vedro mentre io sospiro

Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550

Molto Allegro, Andante con moto

Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 Jupiter

1. Allegro vivace

2. Andante cantabile

3. Molto allegro

Un bacio di mano Arie für Bariton und Orchester F-Dur KV 541

Die Zauberflöte KV 620 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

Akt II, 18. Szene Arie Ach ich fühl’s, es ist verschwunden; Akt I, 14. Szene Duett Bei Männern, welche Liebe fühlen

Rene Jacobs, B’Rock-Belgian Baroque Orchestra Ghent

Solisten: Mari Eriksmoen (Sopran), Johannes Weisser (Bariton)

Besuchte Aufführung: 7. Juni 2017, Würzburger Residenz, Kaisersaal

Bella mia fiamma Konzertarie KV 528 von W. A. Mozart (1756-1791), Prag, 3. November 1787

Lichtes Spiel – Ein Sommerstück für Violine und kleines Orchester

von Wolfgang Rihm (1952), UA: 18. November 2010, New York.

Infelice! Konzertarie MWV H 4 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), UA: 19. Mai 1834, London.

Symphonie Nr. 41 C-Dur KV 551 (Jupiter) von W. A. Mozart, Sommer 1788

Dirigent: Leo Hussain, Bamberger Symphoniker

Solisten: Christiane Karg (Sopran), Bart Vandenbogaerde (Violine).

Besuchte Aufführung: 15. Juni 2017 im Kaisersaal der Würzburger Residenz

Sinfonie Nr. 5 B-Dur WAB 105

von Anton Bruckner (1824-1896), UA: 1894, Graz (Fassung Franz Schalk 1935)

Dirigent: Herbert Blomstedt, Bamberger Symphoniker

Besuchte Aufführung: 20. Juli 2017 Würzburg, Kiliansdom

Vorbemerkung

Seit 1922 findet das Mozartfest in Würzburg statt. Es entwickelt sich aus Konzerten im Kaisersaal der Residenz, der ab 1919 für Konzerte genutzt werden konnte. 1921 veranstaltet Hermann Zilcher, Direktor des Staatskonservatoriums, ein erstes Konzert mit klassischen Werken. Er fand, daß Mozarts Werke mit Ambiente und Architektur der Residenz harmonieren. Daher organisierte er im Folgejahr die erste Mozartwoche in der Residenz.

Mittlerweile sind einige Spielorte neben der Residenz hinzugekommen, wie der Hofgarten für die Nachtmusik (Freiluft-Picknick-Konzert). Ein Schwerpunkt mit szenischen Opernproduktionen besteht nicht. Bis heute ist das Fest eng mit der Julius-Maximilian-Universität verbunden. Die etwa 50 Konzerte werden teilweise mit Weltstars besetzt und ziehen bis zu 30.000 Besucher an. Weltstars wie René Jacobs, der erstmals nach Würzburg kommt, Herbert Blomstedt, der seinen 90.Geburtstag feiert, Christiane Karg, dieses Jahr Artiste étoile, und Wolfgang Rihm, dem das Komponistenporträt gewidmet ist.

Aufführung, Sänger und Orchester

Der Kaisersaal der Würzburger Residenz ist der Gründungsort des Mozartfestes. Es ist ein barocker, erzbischöflicher Repräsentationsraum mit großen Fensterfronten und viel barockem Zierrat. Es verfügt über eine messerscharfe, sehr hellhörige Akustik: ein Mischklang der einzelnen Stimmen ist schwierig und auch abhängig von der Plazierung des Konzertpodiums auf der Stirnseite. Ebenso schwierig zu steuern ist der Hall in diesem Raum. Bei dem Konzert von René Jacobs ist er bis zu drei Sekunden lang. Nach einer Attacke im Forte überdeckt er manchen folgenden Takt. Die Bamberger Symphoniker haben im zweiten Konzert eine andere Sitzordnung, hier ist der Hall zwar genauso lange, aber die folgenden Passagen sind noch hörbar. Im Dom hat gibt es auch eine Hallakustik,  die aber bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie in der Residenz, eher gedämpfter, weicher, aber länger auslaufend. Ein wirklicher Konzertsaal für höchste Ansprüche fehlt. Das Mainfranken-Theater wird für das Fest nicht genutzt.

Ein heimlicher Höhepunkt des Mozartfestes Festwochen ist der erste Auftritt von René Jacobs mit seinem belgischen Orchester B’Rock. Dieses und die beiden Solisten arbeiten seit langem mit Jacobs zusammen und sind erfahrene Mozart- und Alte-Musik Interpreten. Zur Aufführung gelangen Arien, Ausschnitte und einzelne Sätze aus der Hochzeit des Figaro, der Zauberflöte und den beiden Sinfonien Nr. 40 und Nr. 41.

Keines der Werke wird vollständig, dafür aber in wirrer Reihenfolge gespielt – eine chronologische Ordnung und eine vollständige Darstellung zumindest einer der Sinfonien hätte Sinn gemacht. Jedoch wird eines an diesem Abend deutlich: daß man in der Alten Musik an René Jacobs kaum vorbeikommt! Selten kann man diese Werke Mozarts so transparent, die Stimmgruppen so vielschichtig hören. Die einzelnen Notenlinien vereinen sich immer wieder zu einem wohligen Teppich des Wohlklangs. Der Esprit des historischen Instrumentariums des B’rock Orchestra zieht alle in seinen Bann! Selten hat man barocke Blechbläser so sauber intonieren hören – im Zusammenspiel ist das noch viel beeindruckender.

Johannes Weiser ist ein sehr vielschichtiger Bariton, schon sein Figaro hat spielerische Ausdruckskraft. Er verfügt über die Höhe des Baritons und eine relativ sichere Tiefe – manchmal kommt er dabei aber an Grenzbereiche. Mari Eriksmoen kann der Verzweiflung der Susanne eine Raumwirkung einräumen, ein weicher samtiger, eher lyrischer Sopran, der im Barockfach nicht nur mit Koloraturen überzeugen kann. Ihre Cherubino-Kanzone Voi che sapete – Ihr, die Ihr wißt nimmt sie mit hohem Tempo. Die Zuhörer im Saal stehen vor Begeisterung am Schluß fast auf den Stühlen.

Eine vollständige Aufführung der 41. Sinfonie Mozarts folgte am 15. Juni im Konzert der Bamberger Symphoniker unter Leo Hussain. Es dient als Vergleich zum ersten Teil des Konzertes. Wolfgang Rihms Lichtes Spiel ist ein Auftragswerk von Anne-Sophie Mutter aus dem Jahr 2009 und ist im Zusammenhang mit Mozarts Violinkonzerten zu sehen. Auch die hohen Anforderungen in Hinsicht auf Transparenz und Fragilität sind für die Solovioline mit Bart Vandenbogaerde kein wirkliches Problem. Zusammen mit den Bamberger Symphonikern werden die verwandten Strukturen und Klangbilder zu Mozart deutlich.

Die solistische Hauptlast der Konzertarien Mozarts und Mendelssohn Bartholdys trägt Christiane Karg. Ihr dramatischer Sopran klingt vor allem im accelerando oder forte zu scharf und neigt zum Tremolieren. Sie überzeugt am ehesten im Pianobereich. Erwähnenswert ist der ausgeprägte Auftritt der Solovioline in der Konzertarie Infelice.

Herbert Blomstedt beging am 11. Juli seinen 90. Geburtstag. Mit den Bamberger Symphonikern gibt er eine Reihe von Konzerten mit Bruckners 5. Sinfonie quasi als Nachtrag zum Mozartfest im Würzburger Kiliansdom – also in Kirchen in Bamberg, Würzburg, Passau und Linz. Und so erlebt das seit Wochen vollständig ausverkaufte Konzert, wie sich Bruckners Tönende Kathedrale mit dem Hall arrangiert – auch dank Blomstedt. Dieser Nachhall schafft sakrale Atmosphäre, die Abschlüsse gelingen gewohnt exakt, Generalpausen laufen langsam aus, die Struktur bleibt klar hörbar, Bruckners tief in der religiösen Tradition der katholischen Kirche verwurzelnde Weltsicht ist jederzeit, auch wohl im Innersten des Zuhörers spürbar. Diese Komposition, dieses Orchester, diese Orchestrierung, dieses Konzert sind für große Säle, auch Kirchen, wie geschaffen. Blomstedt dirigiert von einem Stehhocker aus, ohne einen Blick in die Noten, mit einem auch in der letzten Reihe fühlbares Lächeln – doch immer klar strukturiert. Er, führt die Bamberger Symphoniker, die ihm einfühlsam folgen. Blomstedt – für Bruckner ein Meister der nonverbalen Kommunikation.

Fazit

Der künstlerische Anspruch des Mozartfestes in Würzburg ist hoch, und es wird sicherlich auch sein hundertjähriges Jubiläum im nächsten Jahrzehnt würdig begehen. Regionale Sponsoren und die Professoren der Universität Würzburg werden auch weiterhin hochkarätige Veranstaltungen mit weltbekannten Künstlern ermöglichen. Abgesehen davon, daß der Bezug zu Mozart etwas heikel ist, bleibt das Mozartfest ein Geheimtip für Kulturfreunde: kleine Spielstätten mit bis zu 24 Sitzreihen in den historischen Räumen der Residenz und im Dom mit schwierigen Sichtverhältnissen und heikler Akustik führen dazu, daß die Nachfrage aus dem Großraum Würzburg das Angebot an Karten bereits übersteigt. Auch wenn es damit ein regionales Kulturprojekt bleibt und kaum in Konkurrenz zu den großen Kulturleuchttürmen treten kann – das Angebot ist groß und die Nachfrage des regionalen Publikums sich im Konzertbereich weiterzubilden überwältigend. Der donnernde Applaus nach den Konzerten und die anregenden Pausengespräche sind ein beredtes Zeichen dafür.

Oliver Hohlbach

Bild: Wikipedia

Veröffentlicht unter Opern