Weimar, Deutsches Nationaltheater – DON GIOVANNI

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Dramma giocoso in zwei Akten von Lorenzo da Ponte, UA: 1787, Prag
Regie: Karsten Wiegand & Lydia Steier, Bühnenbild: Bärbl Hohmann
Dirigent: Enrique Mazzola, Staatskapelle Weimar, Opernchor des Nationaltheaters Weimar
Solisten: George Gagnidze (Don Giovanni), Hidekazu Tsumaya (Komtur), Larissa Krokhina (Donna Anna), Yves Saelens (Don Ottavio), Johanna Stojkovic (Donna Elvira), Renatus Meszar (Leporello), Philipp Meierhöfer (Masetto), Ulrike Strömstedt (Zerlina)
Besuchte Aufführung: 21. Mai 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
weimar-don-giovanni.jpgSevilla bei Nacht. Don Giovanni, ein skrupelloser Frauenverführer, stürzt aus dem Haus des Komturs, gefolgt von dessen Tochter Donna Anna. Don Giovanni tötet den sich ihm in den Weg stellenden Komtur. Nun erscheint nicht nur die von Don Giovanni verlassene und liebeskranke Donna Elvira, sondern auch das Brautpaar Masetto und Zerlina. Don Giovanni nähert sich Zerlina, doch Elvira greift ein und beschuldigt Don Giovanni als gefährlichen Schwerenöter. Gleichzeitig erkennt Donna Anna in ihm den Mörder ihres Vaters und schwört, gemeinsam mit ihrem Verlobten Don Ottavio, Rache. Um sich Zerlina zu nähern, greift man zu einer Verwechslungskomödie: Don Giovannis Diener Leporello gibt sich als dessen Herr aus. Später stehen beiden vor der Statue des toten Komturs, die Giovanni in sein Haus einlädt. Die Statue beginnt zu sprechen und fordert von Don Giovanni, seine Untaten zu bereuen. Als dieser sich weigert, öffnen sich die Pforten der Hölle und Don Giovanni stürzt in die Tiefe.
Aufführung
Dieser Don Giovanni spielt auf einer Drehbühne ohne konkrete zeitliche und räumliche Zuordnung. So entstehen ständig neue Perspektiven auf Gänge oder Zimmerfluchten. Auch auf Waffen wird verzichtet: Don Giovanni erschlägt den Komtur brutal mit den Fäusten. Die Darsteller befingern sich öfter gegenseitig. Leporello singt nicht nur von den durch Don Giovanni verführten Schönen, nein, er zeigt die dazu die Schlüpfer der entsprechenden Damen. Unterdessen laufen für Masetto und Zerlina die Junggesellen-Abschiedspartys in getrennten Zimmern, die Drehbühne macht es möglich. Während die Damen Sekt trinken, tritt bei den Herren eine Stripperin auf. Später wird Masetto mit Handschellen für Don Giovannis Fest ruhiggestellt. Als dann Zerlina um Hilfe ruft, zieht sich Don Giovanni mit einem vorgetäuschten Herzanfall aus der Affäre. Nachdem Masetto mit einem Baseball-Schläger verprügelt wurde, fällt Leporello in die Hände der Verfolger und wird von Masetto und Don Ottavio angepinkelt. Zur Stärkung gibt es asiatisches Fastfood aus der Plastiktüte, das auf der zugedeckten Leiche des Komturs verspeist wird. Dann wird Don Giovanni vom Geist des Komturs erschlagen, und zwar nur mit der Faust, also genauso wie Don Giovanni dies am Anfang mit dem Komtur getan hat.
Sänger und Orchester
Musikalisch spricht diese Produktion eine deutlichere Sprache als die Inszenierung, denn Enrique Mazzola macht deutlich was Don Giovanni für ihn ist: Von Anfang an ein Drama mit teuflischen Abgründen. Mit der Staatskapelle Weimar lotet er alle Untiefen in der Partitur aus. Der Einsatz eines Hammerklaviers ist gewöhnungsbedürftig weil zu laut, entspricht aber der zur Zeit favorisierte Ansicht der historischen Aufführungspraxis. Johanna Stojkovic (Donna Elvira) stößt mit der Arie Mi Tradi, quell’alma ingrata –Mich verriet der Undankbare bei den sehr hohen Koloraturen an ihre Grenzen. George Gagnidze (Don Giovanni) ist einer der besten Don Giovanni unserer Tage, wenn er mit der heldischen Strahlkraft seiner Stimme auftrumpfen kann. Dort jedoch, wo lyrisches Piano gefordert ist, fehlt seiner Stimme die Geschmeidigkeit. Yves Saelens ist offensichtlich indisponiert und muß öfters hörbar korrigieren und taucht in den Ensembleszenen ab. Larissa Krokhina (Donna Anna) gibt der jugendlichen Naiven auch stimmlich eine lyrische Note, Renatus Meszar (Leporello) ist ein Bariton mit großer Spielfreude und sicheren Koloraturen. Ulrika Strömstedt (Zerlina) und Philipp Meierhöfer (Masetto) sind wieder einmal solide Hauskräfte – der Rollen wahrlich würdig.
Fazit
Stürmischer Beifall für Sänger und Orchester und freundlicher Applaus für das Regie-Team. Eine alte akademische Diskussion konnte die deutliche Bildersprache dieser Inszenierung nicht entscheiden: Ob Don Giovanni ein Drama oder eher eine augenzwinkernde Komödie ist, wobei der Abend eher irgendwo zwischen lüstern und albern changiert. Lüstern, weil das ständige Gefummel zwischen allen Personen immer mehr langweilte. Albern, weil das hohe Tempo der Drehbühne mit den vielen Regieeinfällen nicht Schritt halten kann.
Oliver Hohlbach

Bild: Charlotte Burchard
Das Bild zeigt: Da haben Don Giovanni und Leporello noch gut lachen, gleich schlägt Donna Elvira zurück.

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