Stabat Mater – Köln, Philharmonie

Die Redaktion von OPERATPOINT hat sich vorgenommen, mehr Konzerte zu besprechen, die entweder für die betreffende Stadt wichtig und darüber hinaus auch landesweit von Interesse ist. Zudem wollen wir das eine oder andere Mal vom biographischen Werdegang des betreffenden Komponisten, den Umständen der Entstehung des oder der Werk berichten. Da in Köln Chormusik immer schon in verschiedenen Chorgemeinschaften gepflegt wurde, beginnen wir hier mit dem Rheinischen Kammerchor.

Antonín Dvořák (1841–1904)

DvorakStabat Mater op. 58 B 71, lateinische Sequenz (Hymnus) für Soli, Chor und Orchester, Text: Überlieferung aus dem Mittelalter

Dirigent: Wolfgang Siegenbrink, Rheinischer Kammerchor, Bochumer Symphoniker

Solisten: Melanie Maennl (Sopran), Rena Kleifeld (Alt), Markus Francke (Tenor), Thomas Laske (Baß)

UA: 23. Dezember 1877 Prag

Besuchte Aufführung: 28. Februar 2016

Antonín Dvořák bevorzugte in seinem Schaffen symphonische und kammermusikalische Gattungen, so auch die Oper (Rusalka) und symphonische Werke (u.a. Aus der Neuen Welt). Mit seinen Kompositionen bekam die Tschechei eine nationale musikalische Identität. Er folgte damit Bredřich (1824-1884). Folkloristische Melodien charakterisieren seine Werke. Unbeirrt von ideologischen Strömungen ging er seinen eigenen Weg. Heimatliebe, Naturverbundenheit, tiefe Religiosität, aber ebenso berauschende Lebensfreude kommen in Dvořáks Werk zum Ausdruck. Von den großen Vokalwerken sind das Stabat mater und das Requiem bekannt.

Weitere Einzelheiten zur Geschichte des Oratorium und zum Stabat mater finden Sie in Heft 2 OPERAPOINT, das am 2. Mai 2016 im Druck erscheint. Sie können das Heft beim Verein zur Pflege klass. Musik per Internet bestellen verein@operapoint.de

In seinem Stabat mater betont Dvořák vor allem das Chorische. Allein schon der ausgedehnte Chor zu Anfang zeigt dies durch seine Ausdehnung. Es ist ein Viertel der Gesamtlänge.

Struktur

Im ersten Teil imponiert ein markantes Hauptthemas. Ein umfangreicher Mittelteil schließt sich an, gefolgt von einer Wiederholung des Anfangsteils (Reprise). Der Satz ähnelt dem Aufbau einer Symphonie. Während im Anfangschor alle Solisten auftreten, können sich in den nachfolgenden Sätzen die Solisten einzeln präsentieren. Es folgen, immer wieder vom Chor unterbrochen, zehn Sätze, ein Solisten-Quartett, Soli von Baß, Tenor, Sopran-Tenor (Duo), Alt. Der Abschluß des Hymnus bildet ein Quartett mit Chor. Im Verlauf hören wir einen Trauermarsch, eine Pastorale und zum Schluß ein monumentales Amen mit dem Motiv des Anfangschors. Der Komposition verleihen die immer wieder auftauchenden Reprisen der einzelnen Sätze sowie das Wiederauftreten des Anfangsmotivs im Schluß-Amen eine große Geschlossenheit.

Aufführung

Die Aufführung in der Kölner Philharmonie leitete Wolfgang Siegenbrink, Organist zweier Kölner Kirchen und seit 20 Jahren Dirigent des Rheinischen Kammerchors Köln. Siegenbrink hatte seinen Chor mit dem Berner Kammerchor, den Jörg Ritter einstudierte, ergänzt, und zwar sehr zum Vorteil der der gesamten Aufführung.

Beim mächtigen Eingangschor fielen sowohl die dynamische Führung und als auch die gekonnt eingepaßten Pianissimi vielversprechend auf. Alles paßte sich – und das war des Dirigenten Verdienst – in den Ablauf des Orchesterparts gelungen ein. Jeder Solist hatte eine besondere Möglichkeit sich darzustellen, da Dvořák, ein hervorragender Kenner des Gesangs, für jeden Solisten eine besondere Möglichkeit vorgesehen. Schon bei den solistischen Stellen im Eingangschor fiel die Homogenität im Zusammenspiel der Solisten mit dem großen Chor auf. Durch den im Programmheft erfreulicherweise wiedergegebene Text in lateinischer und deutscher Sprache war es für die Zuhörer ein Leichtes, dem Verlauf ohne Anstrengung zu folgen.

Im Quartett nach dem Eröffnungschor konnte man das Zusammenspiel der Solisten untereinander gut verfolgen. Zunächst fiel bei allen Solisten die klare Aussprache des Textes auf. Weiterhin war das Zusammensingen makellos, zumal die Stimmen im Timbre gut zusammenpaßten. Im vierten Satz hatte der Baß das Solo. Hier bewährte sich der Bassist des Abends Thomas Laske über die Maßen gut. Mühelos bewältigte er die Höhen, rund kamen die Tiefen. Das anfängliche Vibrato vermied er bald, so daß sein Gesang sich auch verhalten in den immer wieder eingestreuten vierstimmigen Chorgesang einbettete.

Mit wiegendem pastoralem, sattem Orchesterklang verabschiedete sich der Chor (Nr. 5) in die Pause, was die Zuhörer mit dankbarem Applaus quittierten.

Mit klarer, heller Tenorstimme meldete sich Markus Francke mit Fac me vere tecum flere – laß mich wahrhaft mit dir [Maria] weinen im sechsten Stück für Tenor und Chor zurück, wobei das Sanfte seiner Stimme uns alle für ihn einnahm. Die in der Tat bezaubernde Komposition vermittelt ja durch die schlichte, ja fast fromme Melodieführung und dem Wechselgesang von Tenor und Chor eine große Intimität, dem kaum ein Musikliebhaber widerstehen kann. Es folgt ein Duett von Sopran und Tenor, wobei Dvořák die beiden Stimmen ganz als Person damit charakterisieren, Maria in ihrem Schmerz unter dem Kreuz anzuschauen. Die Verse, die der Tenor singt, hat Dvořák eigenmächtig gegenüber dem üblichen Stabat-Mater Text verändert, was ihr eine sehr persönliche Färbung verleiht. Melanie Maennl besitzt eine klare Sopranstimme. Leider muß sie sich bei den Höhen ziemlich anstrengen. Ihre Piani sind ausgewogen, doch wenn sie ins Forte gelangt, wird ihre Stimme metallisch-farblos. Im Duett gelingt ihr der gemeinsame Gesang ausgewogen.

Zuletzt gestaltet Rena Kleifelds biegsamer Alt mit Energie die Worte Fac me cruce custodiri – mach, daß mich sein Kreuz bewache (9. Stück). Es ist eine elegant anmutende Komposition mit dem dreimal wiederholten Anfangsmotiv. Dabei fällt auf, daß die oft ziemlich tiefe Stimmführung der Altistin über die Maßen gut rund und wohltönend gelingt. Manchmal übertönt das Orchester diese Stellen, doch ist das, aufs Ganze gesehen, erträglich. Schließlich dann ein Quartett mit Chor mit Amen als genialem Schluß.

Es war ein Konzert von hohem Niveau aller Beteiligten, das auch so gut in den jetzigen kirchlichen Jahresabschnitt gehört. Nicht endend wollender Beifall der begeisterten Zuhörer.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Roger van der Weyden, Christus am Kreuz mit Maria und Johannes ca. 1460, vom Konzert-Programm

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