AIDA – Berlin, Deutsche Oper

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Opera lirica in vier Akten, Libretto: Antonio Ghislanzoni nach einem Entwurf von Auguste Mariette, ausgearbeitet von Camille du Locle in Zusammenarbeit mit Giuseppe Verdi. UA: 24. Dezember 1871 Kairo

Regie: Benedikt von Peter, Bühne: Katrin Wittig, Kostüme: Lene Schwind, Licht: Ulrich Niepel,

Dirigent: Andrea Battistoni, Orchester der Deutschen Oper sowie Chor und der Extrachor der Deutschen Oper, Choreinstudierung: William Spaulding, Berlin

Solisten: Ante Jerkunica (Der König), Anna Smirnova (Amneris), Tatiana Serjan (Aida), Alfred Kim (Radames), Simon Lim (Ramfis), Markus Brück (Amonasro), Attilio Glaser (Ein Bote), Adriana Ferfezka (Eine Priesterin)

Aufführung: 21. November 2015 (Premiere)

DeutscheOperAida

Kurzinhalt

Ägypten befindet sich im Krieg mit Äthiopien. Der ägyptische Hauptmann Radames wird von der Pharaonentochter Amneris begehrt, liebt aber seinerseits die Gefangene Aida, die sich später als Tochter des äthiopischen Königs Amonasro entpuppen wird. Auf Geheiß ihres Vaters entlockt Aida dem Geliebten seinen geheimen Angriffsplan. Dieses Gespräch belauscht Amneris, die sofort nach den Wachen ruft. Während Aida und Amonasro fliehen können, wird Radames als Verräter gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Aida versteckt sich in der Grabkammer des Tempels, in dem Radames lebendig begraben werden soll, um gemeinsam mit ihm in den Tod zu gehen.

Aufführung

Auf der eigentlichen Bühne spielt, hinter einem Gazevorhang, das Orchester. Davor steht neben einer großformatigen Projektion und vielen kleinen Bildschirmen nur ein Tisch mit Stühlen. Eine Nilkarte, Reiseführer und Zeitungen liegen darauf, mit Bildern von Krieg und Vertreibung. Sie werden dem siegreich zurückkehrenden Radames wie Orden an die Brust geheftet. Keine prächtigen Triumphmärsche und exotischen Tempelszenen. Der Chor ist auf Parkett und Ränge verteilt, auch Könige und Priester singen aus dem OFF. Auf der Bühne agiert das Dreiecksgespann. Während Radames und Amneris als Mann und Frau am Tisch gezeigt werden, findet zwischen Aida und Radames keinerlei Interaktion statt. Aida bleibt bloße exotische Projektion eines verträumten Anti-Helden.

Sänger und Orchester

Die Sopranistin Tatjana Serjan verkörperte eine ätherische, in ihrem Kleid aus weißem Tüll fast körperlose, Titelheldin mit wenig Bühnenpräsenz. Dabei ist ihre Stimme berückend schön. Sie beherrscht das Pianosingen, die schwebenden Pianissimi, meisterlich. Mit reiner, flüssiger Tongebung und genau geformten Linien verwandelte Serjan die Klagen der Sklavin in ein inniges Gebet. Zart und mit schön fokussiertem Ton sang sie das hohe C der Nil-Arie Qui Radames verrà – Hier werde ich Radames sehen (3. Akt). Demgegenüber wirkten ihre dramatischen Gesten oft verfehlt und nicht im Einklang mit der Musik, was vermutlich einer mangelnden Personenführung der Regie anzulasten ist. Gleiches traf auf Alfred Kim als

Radames zu, der eigentlich nichts mehr zu brauchen schien als Aidas Tüllkleid, in das er sein Gesicht vergraben konnte. Ein farbloser Träumer, der passiv über die Bühne geisterte und keinerlei dramatische Intensität vermitteln konnte. Zur Verkörperung eines strahlenden Heldentenors verfügt der Koreaner weder über ausreichend stimmliche Mittel noch über ausreichend musikalische Möglichkeiten.

Schon in der schwierigen Anfangsarie Celeste Aida – Holde Aida (1. Akt) wurde deutlich, dass es dem Tenor an expressiver Innigkeit, Klangschönheit und Glanz fehlt. Die Töne wurden mit Kraft gestemmt und waren weder intensiv, noch lyrisch. Der Schlußton dieser Arie, ein hohes B, ist in der Partitur mit einem pp morendo versehen, doch wie so viele Tenöre schmetterte Kim den Ton aus vollem Hals. Dabei hätte ein ersterbendes B verraten können, daß der Heerführer sich trotz seines militärischen Ehrgeizes in seiner Liebe zu Aida verlieren wird. Die einzige Bühnenfigur aus Fleisch und Blut verkörperte Anna Smirnova als Amneris im königsblauen Hausfrauenkleid. Ihr gehörten die Bühne und der vierte Akt. Mit Autorität und tiefem Pathos interpretierte die Mezzosopranistin die Rolle der ungeliebten Rivalin. Ihr verzweifeltes Ringen um den geliebten Heerführer transportierte sie in L’aborrita rivale a me sfuggia – Die verhaßte Rivalin ist mir entflohen (4. Akt) durch düstere Stimmkraft und furiose Färbung. Aus dem OFF beeindruckte Ante Jerkunica (König) mit sonorem Timbre und dynamischer Spannung. Jede Silbe füllte der Bass mit Klang und ohne Druck. Für wahrhaft bewegende Szenen sorgten der Chor und Extrachor der Deutschen Oper Berlin. Mitten im Publikum, mitten unter uns, schleuderten die Sänger mit drohenden Gebärden ihre kriegerischen Parolen ins Publikum. Eindrucksvoll führten sie den Irrsinn eines Krieges vor, der sich nicht zwingend auf dem Schlachtfeld abspielen muß, sondern in beängstigende Nähe rücken kann. Nicht minder intensiv waren die leisen Gebetsszenen, die als inniges Requiem den Saal fluteten. Ein Dank an Chorleiter William Spaulding!

Fazit

Verdis Aida ist mit ihrer Opulenz und Exotik ein bißchen aus der Mode gekommen. Sie sind uns heute auch nicht mehr ganz geheuer. Also hat sich Regisseur Benedikt von Peter überlegt, mal alles, was die Oper an Herrlichkeit und Prachtentfaltung hergibt, zu extrahieren – die Aida auf eine Dreiecksgeschichte zu reduzieren. Ähnliches hatte schon Konwitschny 1994 in Graz gemacht. Und die Musik? Ob der ästhetische Genuß einer Oper durch Regietheater beschädigt wird oder nicht, wurde auch an diesem Abend und bereits vor der Pause leidenschaftlich zwischen Buhs und Bravos ausgefochten. Das allein sagt noch lange nichts über die Qualität der Inszenierung. Regisseur von Peter ist sich laut Programmheft bewußt, daß man ein hohes Risiko eingeht, wenn man einen Großteil der Handlung der Phantasie des Zuschauers überläßt. Dann ist schnell nichts mehr los. Und genau so ist es gekommen.

Norma Strunden

Bild: Marcus Lieberenz

Das Bild zeigt: Alfred Kim (Radames) li., Anna Smirnova (Amneris), Tatiana Serjan (Aida) re.

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