MADAMA BUTTERFLY – Stockholm, Königliche Oper

von Giacomo Puccini (1858-1924), Oper in zwei Akten, Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica,

UA: 17. Februar 1904 Mailand, Teatro alla scala

Regie: Kirsten Harms, Bühnenbild/Kostüm: Herbert Murauer, Licht: Torben Lendorph

Dirigent: Lawrence Renes, Königliche Hofkapelle, Chor der Königlichen Oper, Einstudierung: James Grossmith

Solisten: Asmik Grigorian (Cio-Cio-San), Katarina Leoson (Suzuki), Daniel Johansson (B.F. Pinkerton), Karl-Magnus Fredriksson (Sharpless), Niklas Björling Rygert (Goro), u.a.

Besuchte Aufführung: 8. November 2014 (Premiere)

Asmik GrigorianKurzinhalt
Der amerikanische Marineoffizier Pinkerton heiratet die Geisha Cio-Cio-San (oder Madama Butterfly), in die er sich während seines Aufenthaltes in Japan verliebt hat. Vermittelt vom Heiratsmakler Goro hat Pinkerton ein Haus gemietet und berichtet seinem Freund, dem Konsul Sharpless, daß sowohl Miet- als auch Heiratsvertrag jederzeit aufgelöst werden können. Die Hochzeit wird von Cio-Cio-Sans Onkel, einem buddhistischen Priester, unterbrochen, der die Braut verflucht und aus der Familie verstößt.

Drei Jahre sind vergangen. Pinkerton ist in die USA zurückgekehrt und Cio-Cio-San, die in seiner Abwesenheit ihren gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht hat, erwartet seine Rückkunft. Tatsächlich kehrt er nach Japan zurück. Allerdings trifft er gemeinsam mit seiner neuen amerikanischen Frau ein, um sein Kind mit nach Amerika zu nehmen. Aus Scham wagt er es zunächst nicht, Cio-Cio-San gegenüberzutreten. Als sie begriffen hat, daß ihr alles genommen werden soll, begeht sie in dem Moment, in dem er sein Haus betritt, Selbstmord.

Aufführung
Das Bühnenbild ist über die gesamten drei Akte hinweg ähnlich. Man sieht ein zeitloses, sparsam eingerichtetes Interieur mit japanischen Bildmotiven. Auch die Kostüme sind zeitlos, d.h. neben traditionellen fernöstlichen Elementen sind ebenso Mode und Frisuren des frühen 20. Jahrhunderts oder der Gegenwart zu sehen. Der Verfall von Pinkertons Haus in den beiden letzten Akten wird mit dem Zerlegen des Bühnenbildes angedeutet: Der Hintergrund wie auch der Boden der Bühne weisen immer mehr Lücken auf. In ihrer Verzweiflung tobt Cio-Cio-San im letzten Akt durch die vorderen Lücken im Boden, die mit Wasser gefüllt sind. Ihr Onkel ist mit einer für das japanische Theater typischen Maske geschminkt. Tänzer und Statisten kommen zum Einsatz, die die Szene vor allem im ersten Akt, beleben. Mit dieser Produktion weiht die Stockholmer Oper ihre neue Bühnentechnik ein, die eine vielfältigere Gestaltung des Hintergrunds und erstmals auch die Verwendung schwebender Elemente erlaubt.

Sänger und Orchester
Dieser Abend gehörte ganz den Sängern, also in erster Linie Asmik Grigorian, der Sängerin der Titelpartie. Ihre Stimme ist ideal für Puccinis Musik, denn sie verfügt neben der notwendigen Stärke, die es braucht, um gegen das Orchestertutti anzukommen, auch über eine enorme dynamische und klangliche Bandbreite. Vom das Flüstern streifenden Ton über das Brechen der Stimme – auch im vollen Fortissimo – den Schrei, bis hin zum kräftigen, breiten Aussingen der Kantilenen, scheint ihr nichts an dieser Partie Schwierigkeiten zu bereiten. Die Rückhaltlosigkeit, mit der sie sich dabei darstellerisch in ihre hochtragische Rolle hineinsteigerte, war beinahe schon beängstigend. Katarina Leoson als Suzuki hat eine recht reife Stimme, in der sich eine gewisse Schärfe bemerkbar macht, die aber zu ihrer Rolle paßt. Daniel Johansson (B.F. Pinkerton) meisterte seine Partie souverän. Er und Asmik Grigorian gaben in ihrem Duett im ersten Akt nicht nur ein schön singendes, sondern auch ein schön anzuschauendes Liebespaar ab. Karl-Magnus Fredriksson gab den Sharpless stimmlich tadellos, darstellerisch wirkte er jedoch ein wenig steif. Das kann man von dem äußerst beweglichen Niklas Björling Rygert (Goro) hingegen nicht behaupten. Er sang seine Partie klar und deutlich und bereicherte im ersten Akt die Handlung mit etlichen burlesken Einlagen. Sie waren, wie auch die übrige Inszenierung, exakt auf die Musik abgestimmt. Chor und Orchester lieferten an diesem Abend eine solide Leistung.

Fazit
Kirsten Harms
’ Inszenierung ist auf angenehme Art und Weise unprätentiös. Sie verzichtet ganz auf eine politische Deutung und stellt stattdessen ein psychologisches Drama auf die Bühne, das im dritten Akt von beklemmender Intensität ist. Sowohl die Sänger als auch die Zuschauer bekommen in ihrer Produktion genügend Freiraum und werden nicht in das Korsett einer „Regie-Idee“ gezwängt. Das Publikum dankte es mit stehenden Ovationen und donnerndem Beifall. Eine großartige Produktion mit großartigen Sängern! Zur Festspielatmosphäre dieses Abends trug neben den zahlreichen anwesenden Prominenten aus Kultur und Politik – unter ihnen der neugewählte Staatsminister Stefan Löfven – auch das schwedische Königspaar bei, das von Publikum und Opernorchester der Tradition entsprechend mit dem Königslied Ur svenska hjärtans djup en gång begrüßt wurde.

Dr. Martin Knust

Bild: Markus Gårder

Das Bild zeigt: Asmik Grigorian – Cio Cio San (Madama Butterfly)

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