DIE HOCHZEIT DES FIGARO – Stralsund, Theater Vorpommern

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Opera buffa in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte nach der Komödie La folle journée von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1778), UA: 1. Mai 1786 Wien, Burgtheater

Regie: Horst Kupich, Bühne/Kostüme: Christopher Melching, Dramaturgie: Stephanie Langenberg

Dirigent: Golo Berg, Philharmonisches Orchester Vorpommern

Solisten: Alexandru Constantinescu (Graf Almaviva), Anette Gerhardt (Gräfin Almaviva), Thomas Rettensteiner (Figaro), Linda van Coppenhagen (Susanna), Anna Wagner (Cherubino), Doris Hädrich-Eichhorn (Marcellina), Johannes Richter (Basilio), Tye Maurice Thomas (Bartolo), u. a.

Besuchte Aufführung: 10. Mai 2014 (Premiere)

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Am Vorabend der Hochzeit zwischen Figaro, Kammerdiener des Grafen Almaviva, und Susanna, Zofe der Gräfin, äußert Susanna Bedenken, der Graf würde ihr nachstellen. Dazu hat die Haushälterin Marcellina eigene Pläne für sich und Figaro und verklagt ihn vor dem Grafen wegen einer ausstehenden Schuld. Der junge Cherubino ist verrückt nach allen Frauen und wird deshalb vom Grafen zur Armee geschickt. Die Gräfin ist unglücklich über die Untreue ihres Gatten. Aus dieser Situation heraus entspinnt sich eine verwickelte Geschichte aus Versteckspielen, Verkleidungen und Rollentausch, bis endlich alles sich in Wohlgefallen auflöst, der Graf sich entschuldigt, die Gräfin ihm verzeiht, Marcellina einen verloren geglaubten unehelichen Sohn wiederfindet und Figaro seine Susanna heiraten kann.

Aufführung

Bei dieser Aufführung gibt es keine Aktualisierungen oder Problematisierungen des unterhaltsamen Stoffs. Die Ausstattung und die Kostüme sind traditionell am 18. Jahrhundert orientiert. Auf einer Drehbühne sind schlichte, helle, teilweise fragmentarische Wände so angeordnet, daß sich drei kleinere Zimmer und ein größerer Saal ergeben. Letzterer wird auch als Garten genutzt. Überall gibt es Durchsichtmöglichkeiten, so daß problemlos in zwei Zimmern gleichzeitig gespielt werden kann. Diese Bühne wird sehr variabel eingesetzt und sogar während der Szenen gedreht, was für einen sehr dynamischen Gesamteindruck sorgt. Verschiedene Tageszeiten und Stimmungen werden allein durch die Beleuchtung geschaffen.

Sänger und Orchester

Die Rollenbesetzung ist durchgehend sehr passend, obwohl ausschließlich mit den am Haus angestellten Kräften gearbeitet wird. Alexandru Constantinescu (Graf Almaviva) und Anette Gerhardt (Gräfin Almaviva) bilden ein gutes Paar – beide treten souverän auf, er mit sanftem, klangvollem Bariton, sie mit hellem, ausdrucksstarkem Sopran. In der Hosenrolle gibt Anna Wagner (Cherubino) mit ihrer dunkleren Stimmfarbe einen überzeugenden Knaben ab. Daß sie die Arie Voi che sapete che cosa è amor im zweiten Akt auf Italienisch singt, obwohl der Rest der Oper auf Deutsch dargestellt wird, ist ein geschickter Schachzug, der diese Arie wie ein Liedzitat wirken läßt. Doris Hädrich-Eichhorn (Marcellina) zeichnet sich besonders durch ihre zickig-arrogante, stellenweise selbstironisch kokettierende Rollenausdeutung aus. Insgesamt zeigen alle Sänger eine überzeugende Leistung, keiner fällt negativ auf. Anzumerken wäre lediglich, daß der Text in den Ensembleszenen schlecht zu verstehen ist, was aber in erster Linie an der Tatsache liegt, daß eben hierbei verschiedene Texte gleichzeitig gesungen werden – einzeln artikulieren alle deutlich.

In den beiden Hauptrollen überragen Thomas Rettensteiner (Figaro) und Linda van Coppenhagen (Susanna). Beide ergänzen sich als Paar hervorragend. Er setzt seinen kernigen, kraftvollen Bariton burschikos, gelegentlich beinahe rüpelhaft ein. Manchmal übertönt er damit fast das Orchester. Sie brilliert  mit glockenklarem, beweglichen Sopran. Die Rolle scheint ihr, dank ihrer schwungvollen, jugendlichen Art wie auf den Leib geschnitten. In ihrer Verkleidungsszene im Schlußakt gelingt es ihr sogar, die Stimme von Anette Gerhardt nachzuahmen, und so der Gräfin noch ähnlicher zu sein.

Besonders gut werden von allen Sängern die Rezitative, gerade das Parlando, gestaltet. Der Textfluß ist ausgezeichnet, manchmal wird auf natürliche Weise zum Sprechgesang übergegangen. Man ahnt, daß bei der Einstudierung darauf großer Wert gelegt wurde.

Wie immer glänzend in die Handlung eingebunden und sehr engagiert agierend ist der Chor, einstudiert von Rustam Samedov. Chorsänger besetzen auch die kleineren Rollen. Zusammen bieten alle, die auf der Bühne auftreten, eine hervorragende schauspielerische Leistung und bestechen vor allem durch ihr gutes Zusammenspiel.

Das Orchester ist dynamisch gut mit den Sängern abgestimmt, allerdings zeitlich nicht immer präzise zusammen. Während der Ouvertüre entsteht der Eindruck, die Musiker müßten erst richtig in Fahrt kommen. Golo Berg dirigiert aber schwungvoll und musikalisch ansprechend.

Fazit

Eine gelungene, sehenswerte historische Adaption, bei der die Möglichkeiten des kleinen Hauses optimal ausgenutzt werden. Gerade der Gestaltungsschwerpunkt bei den Rezitativen sorgt für ein schwungvolles, abwechslungsreiches Opernerlebnis. Das Publikum im ausverkauften Haus nahm die eingängige Aufführung sehr dankbar und wohlwollend auf. Den langanhaltenden Applaus hatte sich das gesamte Ensemble verdient!

Maria Sokoll und Anna-Juliane Peetz-Ullman

Bild: Barbara Braun für MuTphoto/Theater Vorpommern

Das Bild zeigt v. l. n. r.:  Anette Gerhardt (Gräfin Almaviva), Thomas Rettensteiner (Figaro), Linda van Coppenhagen (Susanna)

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