LA BOHEME – Bremen, Theater am Goethetheater

von Giacomo Puccini (1864-1924), Oper in vier Bilder nach Henri Murgers Scènes de la vie de bohème, Libretto: Guiseppe Giacosa und Luigi Illica, UA: 1. Februar 1896 Turin, Teatro Regio

Regie: Benedikt von Peter, Bühne: Katrin Wittig, Kostüme: Geraldine Arnold

Dirigent: Markus Poschner, Bremer Philharmoniker, Choreinstudierung: Daniel Mayr, Jinie Ka

Solisten: Luis Olivares Sandoval (Rodolfo), Marcello (Raymond Ayers), Patrick Zielke (Schaunard), Christoph Heinrich (Colline), Nadine Lehner (Mimi), Marysol Schalit (Musetta)

Besuchte Aufführung: 26. Januar 2014 (Premiere)

Bremen  BohemeKurzinhalt

Vier Bohemien Rodolfo, Marcello, Schaunard und Colline gestalten ihr armes Leben mit Kunst und Freude. Rodolfo lernt seine kranke Nachbarin Mimì kennen und lieben. Als der Freundeskreis im Café Momus beisammen sitzt, entdeckt Marcello seine einstige Freundin, die kokette Musetta, die in seine Arme zurückkehrt. Mimì belauscht ein Gespräch Rodolfo und Marcello, worin Rodolfo erklärt, daß er sich für Mimìs Krankheit verantwortlich fühlt. Als er Mimì entdeckt, schwören dennoch beide, zusammen zu bleiben. Die Freunde feiern fröhlich und fragen sich, was wohl aus Mimì und Musetta geworden ist, die sie seit langem verlassen haben. Atemlos tritt Musetta ein und erklärt, daß Mimì zu Tode erkrankt sei. Zärtlich bettet Rodolfo sie auf ein Lager, aber sie stirbt in seinen Armen.

Aufführung

Bevor die Oper beginnt, steht Mimi alleine auf der hinteren Bühne. Dann verschwindet sie und singt hinter einem Gazevorhang. Zum Schluß, als sie schon tot ist, schaut sie ihren Liebhaber Rodolfo zum ersten Mal an. Musetta bleibt wie auch der Chor unsichtbar. Die vier ursprünglichen Künstler treten als Männerclub auf, bringen Gegenstände zur Einrichtung und zum Malen mit. Die leere Bühne füllt sich über die Hauptbeschäftigung, bunte Farbe aus Plastiktuben zu verspritzen, gewürzt mit einigen Schüssen aus der Luftschlangenpistole. Boden, Kleidung, Mund und Gesicht, Haare und Körper – alles wird einbezogen, natürlichen fehlen auch sexuelle Anspielungen nicht. Nach dem zweiten Akt sieht es auf der Bühne wie nach der Love Parade aus. Ein wichtiges Requisit ist ein pinkfarbenes Kleid, das auf eine Holzplatte getuckert wird, mit einer Tüte oder einem Stück Fell als angedeutetem Kopf. Rodolfo und Marcello ziehen sich dieses Kleid auch an, als es um ihre Liebe zu Mimì und Musetta geht. So singt Rodolfo sein Liebeslied Marcello vor, als er mit ihm kuschelnd unter dem Tisch liegt. Der Besuch des Vermieters Benoit wird als Spiel im Spiel inszeniert, Colline verkörpert ihn mit über den Kopf gezogenem Pullover.

Sänger und Orchester

Die Bremer Philharmoniker bewältigen die von Stimmungswechseln bestimmte Komposition mit ihren Gegensätzen von Leichtem und Tragischem gut. Überlagert das Orchester zuerst noch die Stimmen der Sänger, gelingt es allen, sich selbst bei ganz leisen Tönen immer besser aufeinander einzustellen. Beeindruckend ist der krasse Gegensatz, den sie damit zu den derben Bühnenaktionen schaffen. Dafür sind vor allem ihre fast sphärisch anmutenden Klänge in den beiden traurigen Akten verantwortlich. Luis Olivara Sandoval füllt die Rolle des Rodolfo mit leicht ironischem Unterton, und es gelingt ihm, seine Tenorstimme trotz Steigerungen nicht zu laut einzusetzen. Raymond Ayers (Marcello) hält sich zwischen den Draufgängern zurück, ist weniger der wutentbrannte Liebhaber Musettas als ein in Duetten und Quartetten anpassungsbereiter Sänger. Patrick Zielke (Schaunard) liegt stimmlich auf gleichem Niveau wie seine Kollegen. Der vollklingende Bariton des Christoph Heinrich (Colline) ist aufgrund mangelnder Möglichkeiten zu selten hörbar, doch in der Hymne an seinen alten Mantel anrührend.

Allen vorweg singt Nadine Lehner (Mimì) als Projektion des Rodolfo mit klarem und in den traurig-melancholischen Passagen leichtem Sopran, mit dem sie in den beiden mittleren fröhlichen Akten auch dramatisch dominieren kann. Mit in ein fast unhörbares Piano zurückweichender Stimme singt sie die Arie Sono andati , bevor sie stirbt. Marysol Schalit gibt der vorgestellten Musetta aus dem Off mit ihrem Mezzosopran selbstbewußten Ausdruck.

Fazit

Puccinis originelle Darstellung des schrecklich-schönen Lebens der Bohemiens machte diese Oper so überaus beliebt. Romantik mit Realität, Tragödie und Komödie verbindend ersetzte er mit einer faszinierenden Atmosphäre den fehlenden Handlungsfaden.

Von all dem läßt sich in der Inszenierung von Benedikt von Peter nicht mehr viel finden. Dafür gibt es eine um Unbeschwertheit bemühte Männergruppe, die mit viel Aufwand versucht, drohender Leere zu entgehen, die im Fall der sterbenden Mimì Kleiderstoffe knetend auf dem Boden herumkriecht. Faszinierend ist das alles nicht, spontan und verstörend schon eher. Das Bremer Publikum bejubelte die musikalische Leistung und meinte solch schöne Musik kann keiner kaputtmachen.

Carola Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg

Das Bild zeigt: Luis Olivares Sandoval (Rofolfo), Raymond Ayers (Marcello), Patrick Zielke (Schaunard), Christoph Heinrich (Colline), v.l.n.r.

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