REGINA – Ludwigshafen, Theater im Pfalzbau

von Albert Lortzing (1801-1851), Oper in drei Akten, Text vom Komponisten, UA der Originalfassung: 14.03.1998 Gelsenkirchen

Regie/Bühne/Kostüme: Hansgünther Heyme

Dirigent: Uwe Sandner, Orchester, Chor und Extrachor des Pfalztheaters, Choreinstudierung: Ulrich Nolte

Solisten: Christoph Stegemann (Fabrikbesitzer Simon), Adelheid Fink (Regina, dessen Tochter), Daniel Ohlmann (Richard, Geschäftsführer), Daniel Henriks (Stephan, Werkmeister), Daniel Kim (Kilian, Bediensteter), Daniel Böhm (Wolfgang, Freischärler-Anführer), Ludovica Bello (Beate, Bedienstete), Geertje Nissen (Barbara, Kilians Mutter), Daniel Ewald (Freischärler)

Besuchte Aufführung: 21. November 2013 (Premiere Ludwigshafen)

Ludwigshafen ReginaVorbemerkung

Albert Lortzings letzte Oper als spannendes Dokument der „deutschen Revolution“ von 1848. Koproduktion mit dem Theater Pfalztheater Kaiserslautern

Kurzinhalt

Ein außer Kontrolle geratender Streik der Arbeiter kann durch das Verhandlungsgeschick des Geschäftsführers Richard beigelegt werden, weshalb der Unternehmer Simon dem ergebenen Richard die Hand seiner Tochter Regina gibt. Aber auch Werkmeister Stephan wirbt um Regina, wird jedoch abgewiesen. Dieser schließt sich den Freischärlern an und entführt Regina. Während der folgenden Revolutionskämpfe, in denen auch Simons Fabrik in Flammen aufgeht, kann Regina eine Katastrophe verhindern: Bevor ihr Entführer Stephan den Pulverturm sprengen kann, erschießt sie ihn.

Aufführung

Hansgünther Heyme stellt den Freiheitsgedanken in den Mittelpunkt, die revolutionäre Handlung und deren politische Aspekte versucht er neutral zu halten. So sind die Arbeiter kein „Lumpenproletariat“, sondern schwarz gekleidete Arbeiter mit einer Stirnlampe und gelbgekleidete Erntehelfer. Es gibt keine marodierende Soldateska, sondern einen eher harmlosen Schützenverein in nicht mehr weißen Lumpen. Die Hauptdarsteller tragen zeitlose Anzüge, Regina ein weißes Rüschen-Kleid und Wanderstiefel. Ihr Mantel rutscht immer wieder herunter. Zum Schlußchor zeigt sich das Volk in Kleidern der ausgehenden Biedermeier-Zeit mit schwarz-rot-goldenen Fahnen. Diese drei Farben bilden auch über weite Strecken den Bühnenhintergrund einer weitgehend leeren Bühne, die immer nur mit den nötigsten Requisiten bestückt wird.

Sänger und Orchester

In dieser Freiheitsoper nimmt der vergrößerte Chor eine zentrale Rolle ein, bestens eingestimmt, harmonisch und klangschön vorbereitet von Ulrich Nolte: Zunächst als Arbeiterchor: Beschlossen ist, zu Ende sei die Knechtschaft und die Tyrannei, später als Volk im walzerseligen Finale. Die musikalische Wiederauferstehung der Lortzing Oper wird genüßlich von Uwe Sandner zelebriert, besonders die heiteren Ansätze einer Spieloper arbeitet er heraus, aber ebenso die Harmonien einer romantischen Oper klingen mit revolutionärem Pathos (auch ein wenig düster!) schon im Vorspiel an. Leider klappert es im Graben aber etwas zu häufig, jedoch die Sänger mühen sich redlich: Über einen tollen heldenbaritonal gefärbten Baß verfügt der Wagner erprobte Christoph Stegemann als Fabrikbesitzer Simon, der rings im Lande Sturmgebraus feststellt. Daniel Henriks ist der revolutionäre Eiferer Stephan, der zwar vom irdischen Paradies singt, jedoch das Publikum mit Nun ist mein Los entschieden mit baritonaler Wucht traumatisiert. Nicht verdient hat Daniel Ohlmann als Richard, daß er Regina bekommt, denn sein kleiner Tenor kann nicht durchdringen und ist in den tenoralen Höhenlagen spätestens ab der Kopfstimme nicht mehr tragend. Wie er die Arbeiter mit der Feststellung Verstand! Frei geboren sind wir alle! überzeugen will? Überzeugen kann auch nicht Adelheid Fink, die sehr blaß blieb, ihr Sopran ist nicht frei von Schärfen. Symptomatisch ihr Duett mit Richard: Oh steh uns bei!

Insgesamt gelungen die Besetzung der Nebenrollen. Da ist der dritte Tenor dieser Oper Daniel Böhm, der sehr zurückhaltend und lyrisch weich den Räuberhauptmann Wolfgang spielt. Besonders zu nennen der sehr bewegliche und ausdrucksstarke Spieltenor Daniel Kim als Kilian, der den Aufruf an die Obrigkeit singt: Hinaus, Diridum, was nicht dem Land zu nutze ist… der mit gestohl‘nem Glanz umhüllt, nur stets den eigenen Säckel füllt!

Fazit

Es ist das große Verdienst von Hansgünther Heyme, diese wichtige (und eigentlich einzige) deutsche Freiheitsoper der Vergessenheit entrissen zu haben. Es ist unfaßbar, daß dies erst die zweite unzensierte vollständige Produktion ist. Ebenso schlimm, daß viele Deutsche mit den Ereignissen des Vormärz 1848 wenig anfangen können, einen fragenden Schüler setzt Heyme daher an den Bühnenrand. Wenn der „Freiheit großer Morgen“ heraufdämmert, badet die Inszenierung in den Revolutionsfarben Schwarz, Rot und Gold, der Schlußchor ist die „Deutsche Volkshymne“ des Paulskirchenparlaments von 1848: Heil Freiheit dir … und einig seid! Auch musikalisch ist der Abend eine Entdeckung, Lortzing ist viel mehr als die heitere Spieloper Zar und Zimmermann. Beim Applaus orientiert sich das Publikum zunächst an der etwas zu sehr in den Vordergrund gerückten konturlosen Dreiecks-Liebes-Geschichte, feiert jedoch die musikalische Ausgrabung. Eine Musik- und Geschichtsstunde, die man gehört haben muß: Das Stück wartet auf bessere Zeiten (Lortzing)!

Oliver Hohlbach

Bild: Hans-Jürgen Brehm-Seufert (Pfalztheater Kaiserslautern)

Das Bild zeigt: v. l.n.r. Christoph Stegemann (Simon), Adelheid Fink (Regina), Daniel Ohlmann (Richard), Daniel Henriks (Stephan), Mitglieder des Chores

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