ALCINA – Oper Köln, Palladium

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oper in drei Akten, Libretto: unbekannter Bearbeiter von Antonio Fanzaglia Textbuch, das auf Ludovico Ariostos Orlando furioso beruht, U.A: 16. April 1735 London, Theatre Royal,  Covent Garden

Regie: Ingo Kerkhof, Bühne: Anne Neuser, Kostüme: Stephan von Wedel, Dramaturgie: Tanja Fasching Licht:  Nicol Hungsberg

Dirigent: Peter Neumann, Orchester Gürzenich-Orchester Köln

Solisten: Claudia Rohrbach (Alcina), Franziska Gottwald (Ruggiero), Anna Palimina (Morgana), Katrin Wundsam (Bradamante/Ricciardo), John Heuzenroeder (Oronte), Wolf Matthias Friedrich (Melisso), Adriana Bastidas Gamboa (Oberto)

Aufführung:  16. Juni 2012  (Premiere, Ort: Palladium, Köln-Mühlheim)

Kurzinhalt

Nach Amadigi (1715), Orlando (1733), Ariodante (1735) und) Hänels letzte „Märchenopern“.

Bradamante findet auf der Zauberinsel zusammen mit Melisso ihren Verlobten Ruggiero in Alcinas Armen. Es gelingt den beiden trotz vieler Widerstände – z.B. hatte sich Alcinas Schwester Morgana in Bradamante alias Riccardo verliebt – Ruggiero von seinem Liebeswahn zu befreien und mit ihm zu fliehen, nachdem Ricciardo die Urne zerstört hatte, wodurch die verzauberte Insel im Meer versank zusammen mit Alcina und ihrem Hofstaat.

Aufführung

Die offene Bühne zeigt zwei Tische mit weißen Decken und einigen Stühlen. Im zweiten Akt agieren die Sängerinnen und Sänger vor einer grauen Wand im vorderen Bühnendrittel. Diese Wand ist im dritten Akt nach hinten versetzt und zeigt davor die leere Bühne. Alcina kleidet ein enges schwarzes, langes Kleid, das später vom kleinen Schwarzen (Etuikleid) abgelöst wird. Ihre Schwester Morgana kommt in Stiefeln, brauner Lederjacke und kurzem, schwarzen Rock daher. Bradamante trägt als Ruggiero zunächst Trenchcoat, im dritten Akt ein weißes schulterfreies Hochzeitskleid. Die anderen kommen in Schlabberlook oder grauen Anzügen daher. Keine Andeutung eines Zauberreichs.

Sänger und Orchester

Peter Neumann leitete das Gürzenich-Orchester mit genauer Kenntnis barocker Rhythmik, Tempos und Dynamik. Das Orchester setzte diese Vorgaben genau um, doch konnten die Streicher vieles nur sehr breit und forciert wiedergeben. Meist aber fehlte die schwebende Eleganz, was eigentlich die bezaubernde Wirkung dieser tänzerisch bestimmten Musik ausmacht. Das ist nun mal mit heutigen Streichern kaum möglich, und man frage sich, warum nicht auf eins der in Köln vorhandenen auf Barock spezialisierten Orchester zurückgegriffen wurde?

Mit der ersten Arie O s’apre al riso – ob es lächelt – schätzte man Anna Palimina (Morgana), die zuviel Tremolo und Schärfen bei den Acuti (Spitzentöne) aufwies, falsch ein. Denn in der Folge sang sie durchweg mit guter Intonation, ausgewogen und die Atemtechnik entsprach den Anforderungen: das Tremolo war verschwunden, besonders in Credete al mio dolore – glaubt mir meinen Schmerz (3. Akt). War es zu Anfang Premierenfieber? John Heuzenroeder (Oronte) konnte aber im ganzen Opernverlauf weder das Kehlige seiner Stimme, noch seine Tontreffsicherheit oder seine Aspirationen, besonders in Semplicetto – Einfallspinsel an den längeren Triolenstellen, ausgleichen. Doch bei Adriana Bastidas Gamboa war die schwierige Partie des Oberto in den richtigen Händen. Die Kolumbianerin konnte diese in allen ihre Facetten gut umsetzten: Hoffnungslosigkeit, Bangen zwischen Freude und Schmerz oder heftigen Zornesausbruch in Barbara – Unmenschliche. Katrin Wundsam (Bradamante) machte ihre Darstellung und Gesangsdarbietung gut. Aber sie trennte die unbedingt non-legato zu singenden Koloraturen nur ungenügend. Ansonsten war ihre Atemtechnik und Intonation tadellos.

Claudia Rohrbach (Alcina) gestaltete ihre schwierige und gesanglich sehr „gefährliche“ Partie ansprechend und zum Teil sogar vollendet, etwa in dem hochberühmten Ah, mio cor – ach mein Herz. Hier gelang ihr der A-Teil besonders gut. Doch im B-Teil ließ sie der Dynamik allzu freien Lauf. Ebensogut gelang ihr Ombre pallide – bleiche Schatten. Hierbei wurde ein riesiger Schatten auf die karge Wand projiziert, die ihre Bewegungen nachzeichnete, was den musikalischen Ausdruck ungemein belebte. Mit Wolf Matthias Friedrich war die Rolle des Melisso gut besetzt.

Franziska Gottwald (Ruggiero) war ein Kunstgriff der Sängerauswahl: sie wurde zum Glanzpunkt des Abends. Nach anfänglichen kleineren Unsicherheiten in Di te mi rido – über dich lache ich (1. Akt), wobei aber schon ihre gute Atemtechnik bei den Triolen bemerkbar wurde, steigerte sie sich mit ihrem angenehmen Timbre immer mehr und erreichte mit Sta nell’ircana pietrosa tana – in ihrem Felsloch in Hyrkania den Gipfel, In diesem musikalischen Kleinod meisterte sie – trotz des enorm schnellen Tempos – die unangenehmen Dreiklangsintervallen und geschwinden Noten mit vollendeter Bravour.

Fazit

Eine sängerisch rundum gelungene Aufführung, besonders auch, da man fast ausschließlich Ensemblemitglieder auftreten ließ, etwas, was der Intendanz Uwe Eric Laufenbergs zu danken ist.

Hätte man diese Märchenoper im rechten Rahmen gebracht (nichts von Händels beabsichtigter Zauberoper war übrig geblieben),  so wäre es für Köln eine Sternstunde geworden. Verdienter anerkennender Applaus.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Klaus Lefebvre

Das Bild zeigt: Adriana Bastidas Gamboa (Oberto), Claudia Rohrbach (Alcina), Katrin Wundsam (Bradamante)

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