BREGENZER FESTSPIELE

Schwerpunkt der Bregenzer Festspiele waren neben Puccinis Tosca auf der Seebühne einige zu Unrecht selten gespielte Werke von Ernst Krenek. Gezeigt wurde Karl V. (im Festspielhaus) und Kehraus um St. Stephan (in der Operette am Kornmarkt).

Aufführung
tosca-bregenz.jpgEigentlich war es nicht wirklich schade, daß es geregnet hat und deshalb Tosca im Festspielhaus stattgefunden hat. So blieb von der tollen Bühnenshow mit dem beweglichen riesigen Auge fast nichts übrig, nur ein farbenprächtiges Bühnenbild – kaum vergleichbar mit der Show auf dem See. Dafür konnte man ohne Mikroports und Lautsprecherübertragung sich vollständig auf Sänger und Orchester konzentrieren, wie sich im Nachhinein als Vorteil herausgestellt hat, denn auf der Seebühne hätte man Catherine Naglestad als Tosca niemals so gehört wie im Festspielhaus. Sie stellt auch an diesem Abend unter Beweis, daß sie über eine durchschlagsstarke Stimme verfügt, die eine beispiellose Eloquenz und Wortverständlichkeit bereithält und dabei traumhafte Koloraturen vorführt. Da können ihre beiden männlichen Gegenspieler kaum dagegen halten (auch hinsichtlich der Lautstärke!), weder Carlo Barricelli als Cavaradossi noch Scott Hendricks als Scarpia. Mit der Übertragungstechnik hätte man das wohl ausgleichen können. Dafür demonstrieren aber alle Beteiligten eine perfekte Personenführung, eben eine perfekte Bühnenshow. Es ist daher empfehlenswert, die Vorstellung im Festspielhaus zu verfolgen – wenn man den Schwerpunkt auf die musikalische Darstellung legt. Und wenn man die Inszenierung sehen will: die Höhepunkte sind im nächsten Bond-Film zu sehen.

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, daß Bregenz „mehr ist“, als eine tolle Show auf der Seebühne. Im Festspielhaus und auf den kleineren Bühnen in Bregenz wird so solide gearbeitet, so daß der Seitenblick auf Salzburg oder Baden-Baden durchaus zulässig ist. Dieses Jahr lag der Schwerpunkt auf den (selten gespielten) Opern von Ernst Krenek.

Am meisten Aufsehen hat Karl V. in der Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg hervorgerufen: Ein Drama, das sich im Vordergrund abspielt, als Beichte Karls bei seinem Beichtvater bzw. dem Jesuiten Francisco Borgia (toller Tenor: Christoph Homberger). Im Hintergrund laufen die wichtigsten Szenen aus seinem Leben ab, quasi als Beweisstücke zur Rechtfertigung.

Die Handlung wird aus der Renaissance in die Neuzeit verlegt: sie beginnt in den dreißiger Jahren wie die Feuerzangenbowle in einem Schulzimmer mit Karl V. als Lehrer (Dietrich Henschel bleibt zwar blaß, meistert aber die gewaltige Partie recht gut) und endet mit der Staatsgründung Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese verschiedenen Handlungen und Handlungsstränge werden zusammengepreßt, was optisch eindrucksvoll ist, sich jedoch nicht sinnvoll zusammenführen läßt. Und spätestens wenn Moritz von Sachsen (ein Führer der Lutheraner, dargestellt vom großartigen Ludwig Boettger) als Nazigeneral Karls Mutter auf Karls Totenbett vergewaltigt, bleibt ein unverdaulicher Gesamteindruck. Der wahre Gewinner ist Lothar Koenigs, der die Wiener Symphoniker durch ein wahrlich bewegendes Meisterstück der 12-Ton-Technik führt.

Ganz anders Kehraus um St. Stephan, das völlig zu Recht in der Operette am Kornmarkt herauskam., passend als „Satire mit Musik“ tituliert. Michael Scheidl läßt die Geschichte, wie vom Komponisten gewünscht, in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg spielen und führt den Aufstieg der „rechten Kräfte“ vor Augen, Anleihen an Cabaret sind in der Inszenierung als Nummern-Revue deutlich spürbar. Die Charaktere werden mit österreichischem Charme gezeichnet: Der Spielbariton Albert Pesendorfer ist ein typischer Weinbauer, der auch mal zur Querflöte greift. Sebastian Holecek ist der typische Lebemann, der die Firma wieder aufbaut. Wolfgang Gratschmaier ist der schmierige Schwarzmarkthändler, Lars Woldt der unsympathische Piefke, ein reicher Industrieller aus Berlin und Gerhard Ernst der dumme Polizist, der einem Lebenden einen Totenschein ausstellt. Gesanglich freut man sich über eine sehr einheitliche und ausgewogene Leistung, die alle Ansprüche erfüllt. Und unter John Axelrod stellt sich mit dem Symphonieorchester Vorarlberg und dem Schrammel-Quartet auch das heitere „Schrammeln-Gefühl“ ein.

Fazit
Mag auch das eine Stück erfolgreicher in Szene gesetzt worden sein als das andere: Die Bregenzer Festspiele beweisen damit eindrucksvoll, daß Kreneks Opernschaffen völlig zu Unrecht in Vergessenheit zu geraten droht.
Hochkultur in einer bisher typischen Genuß- und Ferienregion? Ein Kultur-Event als Alternative zum Urlaub in den Bergen oder zum Bummel in Lindau, Mainau oder Dornbirn? Warum eigentlich nicht! Nur um die Übernachtungsmöglichkeit sollte man sich rechtzeitig kümmern.

Oliver Hohlbach

Veröffentlicht unter Bregenzer Festspiele, Opern