London, Covent Garden – Royal Opera House, LA BOHÈME

von Giacomo Puccini, Oper in vier Akten, Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach einem Roman von Henri Murger.
U.A.: 1. Februar 1896, Turin.
Regie: John Copley, Bühnenbild Julia Trevelyan Oman, Licht: William Bundy
Dirigent: Christian Badea, Orchester und Chor des Royal Opera House, Chorleitung: Renato Belsadonna
Solisten: Roberto Aronica (Rodolfo), Cristina Gallardo Domas (Mimì), Franco Vassallo (Marcello), Roderick Williams (Schaunard), Matthew Rose (Colline), Nicole Cabell (Musetta), Jeremy White (Benoît), Donald Maxwell (Alcindoro) Alan Duffield (Parpignol), u.a.
Besuchte Aufführung: 15. Juli 2008 (Premiere der Londoner Inszenierung: 6.2.1974, Wiederaufnahme 13. Juli 2008)

Kurzinhalt
30708-london-la-boheme.jpgEin Dichter, ein Maler, ein Musiker und ein Philosoph leben in einer ärmlichen Pariser Mansardenwohnung. Das Geld ist knapp und der Dichter Rodolfo bietet sein neuestes Theaterstück zum verfeuern an, um an diesem Weihnachtsabend wenigstens ein paar Augenblicke Wärme genießen zu können. Da kommt der Musiker Schaunard mit seinem frisch erworbenen Honorar heim und bringt körbeweise guten Wein, Essen und Brennholz mit. Die vier entledigen sich des überraschend aufgetauchten Vermieters Benoît ohne die geforderte Miete zu zahlen und beschließen, den Weihnachtsabend im Restaurant zu verbringen. Während die anderen drei losziehen bleibt Rodolfo zurück, um noch ein Gedicht zu schreiben. Mimì, Rodolfos kranke Nachbarin, klopft und bittet ihn ihre erloschene Kerze neu anzuzünden. Ein Windzug löscht beide Kerzen, die beiden verlieben sich und folgen gemeinsam den Freunden ins Quartier Latin.
Rodolfo stellt Mimì seinen vier Freunden vor. Während sie im Café Momus essen, erscheint Musetta, die ehemalige Geliebte des Malers Marcello. Sie kommt in Begleitung von ihrem älteren, aber reichen Freund Alcindoro, den sie ständig quält, da er ihr überdrüssig ist. Unter dem Vorwand, ihr Schuhe besorgen zu müssen, schickt sie Alcindoro fort und verliebt sich erneut in Marcello. Gemeinsam mit den anderen fliehen die beiden und hinterlassen dem alten Herrn die beiden unbezahlten Rechnungen.
Einige Zeit später kommt Mimì zu der Grenzstation Enfer, wo Marcello und Musetta in einem Gasthof wohnen. Sie bittet Marcello um Rat für ihre Problembeziehung zu Rodolfo. Da erscheint Rodolfo und Mimì versteckt sich hinter einem Baum. Rodolfo erklärt seinem Freund Marcello den wahren Grund für die zerbrechenden Beziehung: Mimì ist schwer krank. Aber er liebe Mimì, fühle sich jedoch schuldig da ihm die Mittel fehlten, Mimì adäquat versorgen zu können Mimì è tanto malata. Mimì die heimlich zugehört hat, tritt aus ihrem Versteck hervor und bezeugt Rodolfo weinend ihre Liebe und ihre Trennung.
Die beiden Freunde Marcello und Rodolfo sind wieder in ihrer Mansardenwohnung und versuchen sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren um Ihre jeweiligen Geliebten zu vergessen. Schaunard und Colline kommen mit Brot und Heringen heim, überschwenglich gefeiert von allen vieren. Das Fest endet jäh als Musetta mit der sterbenden Mimì herein kommt, die Rodolfo noch einmal vor ihrem Tod sehen will. Marcello zieht mit Musettas Ohrringen los, um Arznei und einen Doktor zu holen. Rodolfo und Mimì versöhnen sich. Die anderen kehren mit Arznei und dem von Mimì so sehnlich gewünschten Muff zurück. Mimì stirbt jedoch während der Zubereitung der Arznei.
Aufführung
John Copleys vierunddreißig Jahre alte Inszenierung ist ein Klassiker, aber keinesfalls langweilig. Liebevoll und mit vielen Details inszeniert, bilden Bühne und Geschichte eine Einheit. Eine üppige zweite Szene mit Küchenaktivität und darüber Poolbilliardspiel im Café Momus, daneben ein Straßenverkauf mit allen Unsinnigkeiten wie auch heute noch im Quartier Latin, boten dem Auge ein abwechslungsreiches aber nie überanstrengendes Gewusel.
Die Interpretation ist oft ernst, überraschend häufig heiter, aber stets passend. So wirkt Alcindoro mit den beiden Rechnungen von links und dem offenbar nicht mehr erwünschten Hündchen Musettas von rechts wahrhaft überrumpelt – wie ein begossener Pudel.
Ein fast gleichmäßig hohes Niveau wurde auch von der Sängerschar geboten, abfallend allenfalls bei einigen kleineren Rollen wie Donald Maxwell (Alcidoro) und Jeremy White (Benoît), die beide jedoch ihren an diesem Abend etwas schwächelnden Baß mit exzellenter Schauspielerei und viel Witz wettmachten. Cristina Gallardo Domas überzeugte als schöne und kränkelnde Mimì mit einem wunderschönen, klaren und kraftvollen Sopran. Ein knieverletzter Roberto Aronica hinkte sehr überzeugend als Rodolfo mit Krückstock über die Bühne und gab dem Stück eine ungeahnte Authentizität, die kein Regieeinfall hätte besser machen können. Sein klarer, nie gepreßter Tenor war einfühlreich geführt. Nicole Cabell (Musetta) überzeugte schon durch ihre raumeinnehmende und freche Bühnenpräsenz, stimmlich der Musetta angemessen, jedoch wenig überraschend.
Insgesamt dirigierte Christian Badea das präzise spielende Orchester des Royal Opera Houses sehr einfühlsam. Ein großer Abend!

Dr. Dominik Zenner Bild: Catherine Ashmore
Das Bild zeigt eine Szene im 2. Akt: Musetta in Orange (oben) darunter (rechts) der Tisch mit Mimi und den Freunde (von l nach r: Marcello, Rodolfo, Mimi, Schaunart und Colline), links daneben der Tisch mit Alcindoro.

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