Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein – LUCIO SILLA

von Wolfgang Amadeus Mozart, Dramma per musica in drei Akten, Libretto von Giovanni di Gamerra
U.A: 26. Dezember 1772, Mailand, Regio Ducal Teatro
Regie: Christof Loy, Bühne/Kostüme: Herbert Murauer
Dirigent: Andreas Stoehr, Chor der Deutschen Oper am Rhein
Solisten: Bruce Rankin (Lucio Silla), Simone Kermes (Giunia), Mariselle Martinez (Cecilio), Kerstin Avemo (Lucio Cinna), Romana Noack (Celia), Mirko Roschkowski (Aufidio)
Besuchte Aufführung: 21. Juni 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
duesseldorf-lucio-silla.jpgCecilio, der vom Diktator Lucio Silla verbannte Senator Roms, kehrt in die Stadt am Tiber zurück, um seine Braut Giunia zu treffen. Diese will Silla jedoch selbst zur Frau nehmen. Da Silla der Erzfeind ihres verstorbenen Vaters ist, weigert sich Giunia heftig und trifft sich heimlich mit ihrem Geliebten Cecilio. Gemeinsam mit seinem Freund Cinna hegt dieser Mordpläne gegen Silla, welche aber scheitern. Daraufhin wird Cecilio zum Tode verurteilt und nimmt im Gefängnis Abschied von Giunia. Durch einen plötzlichen Sinneswandel läßt Silla zuletzt doch Gnade walten: Er läßt die Liebenden zueinander kommen, verheiratet auch seine Schwester Celia mit Cinna und legt alle seine Ämter nieder.
Inszenierung
Daß die Wahl der Farben Schwarz und Weiß als alles dominierende Grundtöne nicht zwingend Schwarz-Weiß-Malerei heißt, beweisen Christof Loy und Herbert Murauer mit dieser Inszenierung. Geschickt wissen sie die Bühne mit wenigen Elementen in mehrere Raumebenen aufzuteilen, was die Personenregie zu Charakterstudien durch Personenkonstellationen anregt. Obwohl in Lucio Silla ausschließlich Solo-Arien gesungen werden, ist selten die jeweils seinen Regungen Ausdruck gebende Figur allein auf der Bühne. Häufig befindet sich diejenige Figur, die Auslöser der Emotionen ist, in einer anderen Ebene des Raumes, sei sie auf einer großen Hebebühne, sei sie mit dem Putzen der Kronleuchter beschäftigt. Dies ermöglicht, gleichzeitig mehrere Handlungen nebeneinander ablaufen zu lassen. Einzig die Wahl, Sillas Monolog, in dem sich sein Sinneswandel vollzieht, durch ein Mikrophon singen zu lassen, ist mehr amüsant denn nachvollziehbar, erinnert dies doch stark an die Gebärden eines drittklassigen Schlagersängers.
Ausführende
Wo anfangen mit all dem Lob, wenn im Grunde genommen nur eine Trennung zwischen den Stimmlagen vorgenommen werden kann? Sämtliche Soprane – die Mezzosopranistin eingeschlossen – überzeugen mit einer überwältigenden Stimmgewalt und einer darstellerischen Leistung, daß es einem die Sprache verschlägt. Jede unter ihnen meißelt die Regungen ihrer Seele mit unglaublicher Präzision und absolut treffsicherer Intonation heraus. Simone Kerres (Giunia) erntet frenetischen Zwischenapplaus, den die barockgeschulte Sängerin für die meisterhafte Ausführung ihrer Kadenzen mehr als verdient hat. Mit einer warmen Klangfarbe, die durchaus energische Interpretationen zuläßt, erweist sich Mariselle Martinez als perfekte Wahl für die Besetzung von Cecilio. Ihrer besonders überzeugenden Darstellung kommt Kerstin Avemos (Lucio Cinna) androgynes Erscheinungsbild zu Gute, doch weiß sie auch ihr kaltes, nahezu maskulines Timbre einzusetzen. Romana Noack spielt in der Figur der Celia eher eine Nebenrolle, ihre wenigen Auftritte sind jedoch Beweis genug für ihre hervorragende Sangestechnik.
Dagegen schwächeln die Tenöre: Bruce Rankins (Lucio Silla) Stimme ist zwar frei von jedweden Manieren, er hält sich fern von unangemessen großem Vibrato, doch beherrscht er die italienischen Vokalfärbungen nicht. Dadurch wirkt sein Gesang wie gequäkt, was auch noch dadurch unterstützt wird, daß er in einer Lage, die für einen Tenor keineswegs extrem ist, schon unsauber wird. Man wird ihn wohl eher ob seines schauspielerischen Könnens denn ob seiner Sangeskunst besetzt haben. An solchen Defiziten leidet Mirko Roschkowski (Aufidio) zwar nicht, doch resultiert aus dem Körpervolumen eines jungen Pavarotti noch lange nicht dessen Stimmvolumen. Wenn dem Sänger schon Raum gelassen wird zu eigenen Kadenzen, dann sollten diese nicht verpatzt werden.
Einen Kenner der historisierenden Aufführungspraxis ans Dirigentenpult zu engagieren, stellt sich als überaus treffsichere Entscheidung dar. So klingen unter der Leitung von Andreas Stoehr die an und für sich nicht spezialisierten Düsseldorfer Symphoniker, als hätten sie ihr Lebtag nichts anderes als in einer Opera seria gespielt. Hut ab vor einem so vielseitigen Orchester!
Fazit
Ein Fest der starken Frauen, an dem eine Koloratur brillanter ist als die andere! Für Liebhaber von sehr hoher Sangeskultur ist dieser Opernabend, der auch noch in der kommenden Spielzeit – auch im Schwesterhaus in Duisburg – gegeben wird, geradezu ein Pflichttermin! Darüber war sich auch das Publikum einig. Doch in Sachen Inszenierung scheidet ein Christof Loy erneut die Geister. Fraglich bleibt jedoch, ob die wenigen, dafür lautstarken Buh-Rufe tatsächlich der eigentlich sehr schlichten und wenig Angriffsfläche bietenden Inszenierung gelten, oder dem Phänomen Loy per se.

Chr. Lauter
Bild: Eddy Straub
Das Bild zeigt Bruce Rankin (Lucio Silla), Simone Kerres (Giunia, auf dem Podest), Kerstin Avermo (Lucio Cinna) und Romana Noack (Celia).

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