EINE STRASSE, LUCILE (Uraufführung)/DANTONS TOD – Karlsruhe, Badisches Staatstheater

Szene für Sopran und Orchester (2010/2011) von Wolfgang Rihm (*1952), Text aus Dantons Tod von Georg Büchner/Gottfried von Einem (1918-1996), Oper in zwei Teilen, Text: Boris Blacher und vom Komponisten, nach Georg Büchners Drama, UA 6. August 1947, Salzburger Festspiele

Regie: Alexander Schulin, Bühne: Bettina Meyer, Kostüme: Ursina Zürcher, Dramaturgie: Annabelle Köhler, Licht: Stefan Woinke

Dirigent: Jochem Hochstenbach, Badische Staatskapelle und Staatsopernchor, Choreinstudierung: Ulrich Wagner,

Solisten: Diana Tomsche (Lucile); Stefan Stoll (George Danton), Bernhard Berchtold (Camille Desmoulins), Andreas Heideker (Hérault de Séchelles), Klaus Schneider (Robespierre, Mitglied des Wohlfahrtausschusses), Ulrich Schneider (St. Just, Mitglied des Wohlfahrtsausschusses), Edward Gauntt (Herrmann, Präsident des Revolutionstribunals), u.a.

Besuchte Aufführung: 9. Juli 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Eine Straße Lucile

Über den Verlust ihres Mannes durch die Schreckensherrschaft Robespierres dem Wahnsinn verfallen, sinniert Lucile über das Recht auf Leben und die Ohnmacht gegenüber dem Schicksal. Mit den Worten Es lebe der König! folgt sie ihrem Mann und den zahllosen Opfern der Revolutionsführung in den Tod.

Dantons Tod

Camille Desmoulins überbringt Danton und Hérault de Séchelles die Nachricht, daß auf Befehl Robespierres zahlreiche Unschuldige hingerichtet worden sind. Danton, der sich eigentlich vom politischen Geschehen zurückgezogen hat, sucht dennoch Robespierre auf, um das Ende der Schreckenherrschaft zu erflehen. St. Just überzeugt Robespierre aber von der drohenden Gefahr durch Danton, Hérault de Séchelles und Camille Desmoulins; Robespierre läßt daher alle drei verhaften. Die Gefangenen werden vor das Revolutionstribunal geführt und zum Tode verurteilt. Das Volk auf dem Revolutionsplatz singt die Carmagnole, während Danton und seine Freunde auf dem Schafott die Marseillaise anstimmen. Nach der Hinrichtung betritt – dem Wahnsinn verfallen – Lucile die Stufen der Guillotine und singt Es ist ein Schnitter der heißt Tod….

Aufführung

Zu sehen ist eine halbrunde, hölzerne, mit Gerüsten versehene Wand. Darauf ist die Aufschrift Was ist das was in uns lügt stiehlt und mordet zu lesen. Lucile betritt die Bühne und beginnt ihren Monolog. Das Gerüstgebilde wird dabei so verschoben, daß es von vorne sichtbar wird: Ein Parlament wird gezeigt mit Menschen in Kleidern aus der Zeit der Französischen Revolution. In der Mitte ist eine Leiche ohne Kopf aufgebahrt. Zu ihren letzten Worten wird Lucile von drei Männern von den Tribünen gepackt und symbolisch hingerichtet.

Nahtlos knüpft hier die Oper Datons Tod an. Die verschiedenen Podeste des parlamentarischen Sitzungssaales können mittels Drehbühne unabhängig voneinander bewegt werden, so daß verschiedene Räume entstehen. Abstrakt lassen sich dadurch die verschiedenen Schauplätze (z.B. Szene im Gefängnis und im Hause Camilles) darstellen. Am Ende ist das Parlament wieder wie zu Beginn der Oper zu sehen, inklusive des Geköpften.

Sänger und Orchester

Ein starkes Ensemble stand gestern auf der Bühne. Allen voran ist Stefan Stoll als George Danton zu nennen. Mit seinem sonoren Bariton und seiner tiefgründigen Rolleninterpretation überzeugte er auf ganzer Linie. Besonders die flammende Rede vor der Tribunal, zugleich auch die eindrucksvollste Szene der ganzen Oper, bot er mit enormer Intensität dar. An seine Seite waren ihm mit Bernhard Berchtold (Camille Desmoulins) und Andreas Heideker (Hérault de Séchelles) zwei ebenbürtige Mitstreiter seiner Sache gestellt. Berchtold glänzte mit großartiger Ausdruckstärke und Emotionalität, Heideker mit Nachdrücklichkeit und Klangfülle. Klaus Schneider, in der Rolle des Robespierres, fehlte es mitunter an der nötigen Durchschlagskraft. Dennoch gefiel sein angenehmes Timbre und fügte sich sehr gut ins Gesamtkonzept. Ebenso hervorragend war auch Ulrich Schneider (St. Just), der mit seinem kräftigen Baß die Rolle des intriganten Gegenspielers authentisch beleuchtete. Als Lucile war Diana Tomsche gleich zweimal zu erleben. Bemerkenswert war ihre Darstellung einer dem Wahnsinn verfallenen Frau; besonders in der monologischen Szene Wolfgang Rihms, konnte sie ihr Können unter Beweiß stellen. Scheinbar mühelos absolvierte sie die Anforderungen der Partitur und glänzte mit klarem Sopran. Hervorragend einstudiert war der Badische Staatsopernchor, der die imposanten und gewaltigen Chorszenen fabelhaft meisterte. Ebenso beeindruckend präsentierte sich die Badische Staatskapelle unter der Leitung Jochem Hochstenbachs. Mit viel Sensibilität und Weitsicht demonstrierte er sein sicheres Gespür für Neue Musik.

Fazit

Der stürmische Beifall, Bravo-Rufe für das ganze Ensemble und Orchester zeigten, daß eine gelungene Uraufführung und Premiere zu erleben war.

Isabell Seider

Bild: Jochen Klenk

Das Bild zeigt: Diana Tomsche (Lucile), im Hintergrund: Bernhard Berchtold (Camille Desmoulins), Stefan Stoll (George Danton), Klaus Schneider (Robespierre), Andreas Heideker (Hérault de Séchelles), Badischer Staatsopernchor

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