STREET SCENE – Dresden, Semperoper

von Kurt Weill (1900-1950), American Opera in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Giovanni Francesco Busenello, UA: 1947 New York

Regie: Bettina Bruinier, Bühne: Volker Thiele

Dirigent: Jonathan Darlington, Staatskapelle Dresden, Kinderchor Staatsoperette Dresden und der Sächsischen Staatsoper Dresden

Solisten: Sabine Brohm (Anna Maurrant), Markus Marquardt (Frank Maurrant), Carolina Ullrich (Tochter Rose Maurrant), Simeon Esper (Sam Kaplan) u.a.

Besuchte Aufführung: 19. Juni 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Das Stück spielt in der Straße eines Armenviertels von New York zur Zeit der Uraufführung, also Mitte der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Bewohner eines Mietshauses, Einwanderer aller Religionen und Hautfarben, treibt die Hitze auf die Straße, wo sie in vielen kleinen Szenen Einblick geben in ihre Wünsche, die Sehnsüchte aber auch die Hoffnungslosigkeit des amerikanischen Traums und die sozialen Konflikte des Schmelztiegels New York. Man erlebt wie daran eine Liebesbeziehung scheitert, eine Ehe durch Mord aus Eifersucht endet und eine Familie zwangsgeräumt wird, deren Tochter gerade ein Begabtenstipendium erhalten hat.

Aufführung

Das Einheitsbühnenbild zeigt den Platz vor einem größeren Mietshaus in einer gepflegten Wohngegend unserer Tage. Acht Balkone ermöglichen den Einblick in acht Wohnungen bzw. den Blick auf das Leben von acht Mietparteien. Hängelamellen-Jalousien können auf und zugezogen werden, im geschlossenen Zustand dienen sie als Projektionsfläche für alle Arten von Gebäudeflächen oder das Zu-Verkaufen-Schild nach der Zwangsräumung der Wohnung. Im Parterre befindet sich rechts und links ein Reisebüro im Räumungsverkauf. Das Eingangsportal zum Treppenhaus kann seitlich verschoben werden, um zusätzliche Spielflächen für surreale Träume der einzelnen Mietparteien zu schaffen. Das Geschehen findet allerdings in der Hauptsache auf der schmalen Fläche zwischen Haus und Bühnenrampe statt – in der imaginären Hitze der Nacht.

Sänger und Orchester

Bei der völlig unübersichtlichen Vielzahl der Rollen bleibt zunächst festzuhalten, daß das Ensemble der Staatsoper Dresden in der Lage ist, sowohl quantitativ als auch qualitativ eine solche Produktion zu stemmen. Die Hauptdarsteller sind Carolina Ullrich als Rose und Simeon Esper als ihr Freund Sam, die das Liebespaar wohltönend und romantisch zeigen. Markus Marquart, auch stimmlich ihr bösartiger Vater Frank, erschießt seine Frau Anna (Sabine Brohm mit immer noch solider Mittellage) samt ihrem Geliebten (Hagen von der Lieth gibt Steve Sankey einen devoten Unterton) beim Ehebruch. Gerald Hupach als Sams Vater Abraham kann mit seinem unterhaltsamen Parlando-Stil glänzen. Roxana Incontrera und Aaron Pegram als italienische Familie Fiorentino und die beiden Superheldendarsteller Gala El Hadidi und Orlando Niz passen sich stimmlich nichtssagend der szenischen Interpretation ihrer Rollen an. Viele hochkarätige Ensemble-Mitglieder, wie Hans-Joachim Ketelsen (Henry Davis) oder Susanne Plassmann (Shirley Kaplan), haben – wenn überhaupt – nur einen kurzen unauffälligen Gesangsauftritt. Am meisten aus einer solchen Nebenrolle macht Valda Vilson (Jenny Hildebrand), die sowohl körperlich als auch sängerisch eine große Beweglichkeit an den Tag legt.

Jonathan Darlington reiht sich mit der Staatskapelle Dresden nahtlos ein in diesen Kreis der unauffälligen Mitwirkenden. Die überbordende Handlung des Stückes überdeckt die musikalische Begleitung deutlich. Auffallend ist hingegen der kleine Auftritt des Kinderchors, der aber eher als niedlich, denn als musikalisch bedeutend zu werten ist.

Fazit

Die Verlagerung des Spielortes in ein Mietshaus in einer besseren Gegend in Deutschland mit ausschließlich weißen Mietern führt zwangsweise dazu, daß alle ethnischen Probleme und sozialen Brennpunkte ausgeblendet oder verniedlicht werden. So wirkt die Zwangsräumung einer Familie eher wie eine Satire von Loriot, das Problem der Beziehung von Rose zu dem Juden Sam Kaplan wird nicht thematisiert und Probleme mit Menschen anderer Hautfarbe oder Nationalität (außer der Familie Fiorentino, die deutsches Pizzeria-Italienisch als Running Gag spricht) kommen nicht vor. Die Frage, ob diese Produktion die sozialkritischen Fragen von Kurt Weill aufgegriffen hat, wurde vom Publikum wertneutral mit freundlichem Applaus bewertet. Der peppigen Produktion gelang es, mehr als 50 Darsteller in einer Choreographie auf die Bühne zu bringen, die die Produktion weniger an die Oper als vielmehr in die Nähe eines charakterlosen Musical rückt, was das Werk Kurt Weills ad absurdum führt.

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Bild: Roxana Incontrera (Greta Fiorentino), Aaron Pegram (Lippo Fiorentino)

Veröffentlicht unter Dresden, Semperoper, Opern