LULU – Erfurt, Theater

von Alban Berg (1885-1935), Oper in drei Akten, Text vom Komponisten nach den Tragödien Erdgeist und Die Büchse der Pandora von Frank Wedekind, Deutsche Erstaufführung der Neufassung des 3. Aktes von Eberhard Kloke, UA: 1937 Zürich

Regie: Saskia Kuhlmann, Bühne: Dieter Richter, Kostüme: Susanne Suhr

Dirigent: Samuel Bächli, Philharmonisches Orchester Erfurt, Thüringen Philharmonie Gotha, Statisterie

Solisten: Julia Neumann (Lulu), Stéphanie Müther (Gräfin Geschwitz), Matteo de Monti (Dr. Schön/Jack), Dario Süß (Medizinalrat/Theaterdirektor/Bankier/Professor) Richard Carlucci (Maler/Neger), Markus Petsch (Alwa), Máté Sólyom-Nagy (Schigolch), Sebastian Pilgrim (Tierbändiger/Athlet) u.a.

Besuchte Aufführung: 13. Juni 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Als Zwölfjährige wird Lulu vom einflußreichen Dr. Schön aufgenommen, nachdem sie versuchte ihn  zu bestehlen. Dr. Schön verfällt den jugendlichen Reizen Lulus. Nach dem Tod seiner Ehefrau will er wieder standesgemäß heiraten. Er kann sich aber auch nicht von Lulu trennen, welche er über Jahre in Liebesdingen unterrichten ließ und verheiratet sie mit seinem greisen Freund, einem Medizinalrat, welcher kurz darauf verstirbt. Lulu ist nun reiche Witwe. Dr. Schön verschafft ihr ein zweites Mal einen Ehemann, einen jungen Maler, obwohl Lulu eigentlich Dr. Schön heiraten möchte. Der Maler wird schnell erfolgreich und vergöttert Lulu als seine persönliche Muse. Ihre Liaison mit Dr. Schön ignoriert er. Dr. Schön will nun endlich seine langjährige Verlobte heiraten und berichtet dem Maler die Wahrheit über Lulu. Dieser erträgt die Realität nicht und tötet sich. Lulu beginnt eine Karriere als Tänzerin. Dr. Schön kann ihrem Bann nicht entkommen und läßt sich von ihr einen Abschiedsbrief an seine Verlobte diktieren. Trotz der Ehe mit Lulu verfällt er immer mehr seinem Eifersuchtswahn. Er will Lulu mit einem Revolver zum Selbstmord zwingen, doch diese erschießt ihn. Ein kleiner Kreis von Verehrern kann durch eine List Lulu aus dem Gefängnis befreien und nach Paris bringen. Dort betreiben sie gemeinsam ein Edelbordell. Später geht sie in  London Straßenprostitution nach. Sie wir ein Oper von Jack the Ripper.

Aufführung

Eine Zirkusmanege in Blau und Gold mit Oberlichtern, welche die Decke eines Zeltes imitieren, dominiert die Bühne durch alle drei Akte hindurch. Geschicktes Drehen, Umdekorieren und Verschiebung des Ganzen hinaus aus dem Bühnenausschnitt am Ende der Paris-Szene sowie die teilweise Abtrennung des hinteren Teils der Manege durch eine Spiegelwand ermöglichen eine vielfältige und abwechslungsreiche, an die Szeneninhalte gebundene Nutzung des Bühnenbildes. Das gesamte Bühnenkonzept greift somit auch die dramaturgische Quintessenz des Werkes auf, die Vorführung des Weibes als Naturelement und gefährliches Tier. Lediglich die letzte Szene des Werkes, Lulus Abstieg zur Straßenprostituierten in London, bricht mit dem Gesamtkonzept. Die schwarze, leere Bühne wird nur durch einen kleinen, heruntergekommenen Wohnwagen mit Leuchtherzen und einem alten Sofa dahinter erfüllt. Sänger und Orchester

Unumstrittener Star des Abends war eindeutig die Sopranistin Julia Neumann in der technisch äußerst anspruchsvollen Titelrolle der Lulu. Ihre außergewöhnlich hohe Stimme blieb trotz extremer Intervallsprünge, Stilwechsel und ungewöhnlichster Gesangshaltungen, ob kopfüber an einem Trapez hängend oder flach am Boden auf dem Bauch liegend, ausdrucksstark, klangvoll-voluminös und in perfekter Balance. Ihr zur Seite stand Matteo de Monti als sowohl stimmlich als auch darstellerisch gleichwertiger Dr. Schön. Der Tenor Richard Carlucci (Maler) bewies in dieser Spielzeit zum wiederholten Male sein hinzugewonnenes schauspielerisches Talent. Seiner geschmeidigen Stimme blieb trotz der vorwiegend spröde deklamierenden oder in Extreme ausschlagenden Bergschen Gesangsgestaltung genügend Raum zum Brillieren. Auch die weiteren männlichen Verehrer Lulus, der gewohnt sonore Baß Dario Süß (Medizinalrat) sowie Markus Petsch (Alwa), Máté Sólyom-Nagy (Schigolch) und Sebastian Pilgrim (Tierbändiger/Athlet) überzeugten sowohl stimmlich als auch darstellerisch. Die Mezzosopranistinnen Stéphanie Müther (Gräfin Geschwitz) und Karolina Krogius (Gymnasiast) rundeten das zahlreiche Solistenensemble mit ihren warmen, ausdrucksstarken Stimmen ab.

Die Kooperation aus Philharmonischem Orchester Erfurt und der Thüringen Philharmonie Gotha unter der Leitung von Samuel Bächli konnte an vorherige erfolgreiche Zusammenarbeiten anschließen, wenn auch die leider schon gewohnten Lautstärkedifferenzen zwischen Sängern und Orchestern den Opernabend ein wenig trübten.

Fazit

Wie auch Wedekinds Doppeltragödie in einem scheinbar zeitlosen Raum spielt, so gibt auch die Erfurter Inszenierung keinen eindeutigen Hinweis an Hand von Bühne und Kostümen zur chronologischen Einordnung der Geschehnisse.

Der langanhaltende, ausgiebige Applaus des Premierenpublikums wurde der in sich geschlossenen Inszenierung und vor allem der hervorragenden Leistungen von Solisten und Orchester gerecht.

Josephin Wietschel

Bild: L. Edelhoff

Das Bild zeigt: Julia Neumann (Lulu) und Matteo de Monti (Dr. Schön) am Ende ihrer verworrenen Beziehung

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