ROBIN HOOD – Erfurt, Theater

von Albert Dietrich (1829-1908), Oper in drei Akten, Libretto: Reinhard Mosen, UA: 6. April 1879, Frankfurt a.M.

Regie: Jürgen R. Weber, Bühne/Kostüme: Hank Irwin Kittel, Video Artist: Sven Klaus

Dirigent: Johannes Pell, Philharmonisches Orchester und Chor, Choreinstudierung: Andreas Ketelhut Erfurt

Solisten: Peter Schöne (Richard Löwenherz), Markus Petsch (Robin Hood), Sebastian Pilgrim (John), Ilia Papandreou (Marian), Christa Maria Dalby (Ellen), Malwina Makala (Ralf) u.a.

Besuchte Aufführung: 20. März 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Robin Hood lebt mit seinen Freunden als Geächtete im Sherwood Forest und bestiehlt aus Protest gegen die unterdrückende Herrschaft des Sheriffs von Nottingham in Abwesenheit des rechtmäßigen Herrschers König Richard Löwenherz die Reichen, um die Armen zu beschenken. Außerdem ist er in Marian, das Mündel des Sheriffs verliebt. Diese soll gegen ihren Willen verheiratet werden, doch Robin will sie beim Maifest entführen und somit von ihrem Schicksal erlösen. Unerwartet erscheint Richard Löwenherz nach langer Gefangenschaft im Heiligen Land unerkannt im Wald und gibt sich erst später Robin zu erkennen. Er erlaubt den Rebellen im Wald zu walten, aber sie dürfen die Bewohner von Nottingham nicht verärgern. Die geplante Entführung Marians mißlingt und Robin wird von den aufgebrachten Bürgern festgenommen. Sie verlangen vom König die Todesstrafe. Dieser aber stellt Robin auf eine Probe. Er bietet ihm eine Stellung am Hofe an, welche Robin aus Treue zu Marian ablehnt. Damit hat er den Test bestanden. Löwenherz adelt Robin und schenkt ihm die Freiheit.

Aufführung

Wer einen üppigen Wald und mittelalterliche Schloßansichten bei dieser Oper erwartet, wird wohl enttäuscht sein. Das eher Brechtsche Bühnenbild der Erfurter Inszenierung überrascht mit einer amüsanten Videoprojektion, welche über den gesamten Opernverlauf den hinteren Bühnenraum dominiert. Schwarz-weiß skizzierte Bäume müssen für den Wald herhalten und auch das königliche Schloß muß mehr erdacht als gesehen werden. Zwei spitz zueinander laufende Stege führen über den Orchestergraben hinweg bis in die ersten Sitzreihen des Zuschauerraums und bieten den Sängern eine zusätzliche Raumnutzung.

Der Vorhang öffnet sich mit den ersten Klängen des Orchesters, zwei Bühnentechniker räumen unansehnliche Stühle an ihre Plätze und die Videoprojektion zeigt maskierte Waldrebellen im Foyer des Erfurter Theaters Jagd auf unbedarfte Gäste in mondäner Abendgarderobe machen. Das Motto des Opernabends wird von Anfang an klar ersichtlich. Während Robin und seine Gefolgschaft als auch Marian und dessen Freundin Ellen zunächst noch in mittelalterlichen Gewändern aus Samt und Leder auftreten, erscheint König Löwenherz in roter Ausgehuniform very british und die Bürger Nottinghams samt ihres Sheriffs und dessen Familie erinnern in ihren Anzügen, Abendkleidern und den altmodischen Frisuren an die gehobene Gesellschaft der 70er und 80er Jahre.

Sänger und Orchester

Unter der in sich ruhenden, souveränen Leitung von Johannes Pell, die man, dank Videoübertragung, teilweise auch auf der Bühne erleben kann, zeigt sich das Philharmonische Orchester Erfurt erfreulich spielerisch. Dank der Bühnenerweiterung in den Zuschauerraum hinein überlagert der klangvolle Orchesterapparat dieses Mal in keiner Weise die singenden Kollegen. Der österreichische Titelheld Markus Petsch wird sowohl darstellerisch als auch sängerisch den Ansprüchen seiner Rolle gerecht, fällt aber im direkten Vergleich zu Peter Schönes überaus natürlichen, dabei nicht albernd wirkenden, androgynen Darstellung des in dieser Inszenierung wohl Männer liebenden König Löwenherz‘ eindeutig ab. Dessen schmeichelnder, abgerundeter und technisch einwandfreier Bariton berührt trotz des Witzes seines Spieles Herz und Seele des Hörers. Wiederholt überraschte auch seine besondere Textverständlichkeit im Gegensatz zu manch anderem. Sebastian Pilgrims (John) voluminöser Baß und seine Darstellung der treuherzig-spaßigen Kumpane rundete das Männertrio ab. Ilia Papandreou als naiv-laszive Marian eroberte mit ihrem kraftvollen, dunkel timbrierten Sopran das Erfurter Publikum. Ihr zur Seite stand die quirlig-spritzige Christa Maria Dalby als Ellen, deren schwerelose und agile Stimme einen perfekten Ausgleich schaffte. Malwina Makala (Ralf) erfreute mit ihrem jugendlichem Sopran und keckem Spiel. Die raufwütigen, individuell inszenierten und stimmlich harmonisierenden Männer des Erfurter Opernchores als Robins Mannen rundeten das Ensemble gekonnt ab.

Fazit

Es kann nicht verleugnet werden, daß Albert Dietrichs spätromantische Oper in Hinsicht auf Musik und Text eher an einen verspäteten Freischütz erinnert, doch erreicht das parodistische, mit regionalgeschichtlichen Bezügen gespickte Regiekonzept der Erfurter Ausgrabung ein Abschütteln jeglichen Staubes und beweist, daß Vergessenes im richtigen Kontext leicht zu aktuellem Tagesgeschehen einen künstlerisch wertvollen Beitrag leisten kann. Dem Einen oder Anderem können zwar die vielen linksrevolutionären Parolen à la Heul nicht Genosse! Tu was! auf die Dauer zu viel werden, aber am Ende des Abends geht man vergnügt aus dem Kunstpalast.

Josephin Wietschel

Bild: L. Edelhoff

Das Bild zeigt: Peter Schöne (Löwenherz) hat einen Plan zur Rettung Markus Petsch (Robin)

Veröffentlicht unter Erfurt, Theater, Opern