MEFISTOFELE – Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier

von Arrigo Boito (1842-1918), Oper in einem Prolog, 4 Akten und einem Epilog, Libretto: Arrigo Boito

UA: 5. März 1868, Teatro alla Scala Mailand, 2. Fassung: 4. Oktober 1875 Teatro della Communale, Bologna

Regie: Michael Schulz, Bühne: Dirk Becker, Kostüme: Renée Listerdal, Licht: Jürgen Rudolph, Dramaturgie: Anna Grundmeier, Wolfgang Willaschek

Dirigent: Rasmus Baumann, Neue Philharmonie Westfalen, Opern- und Extrachor, Gelsenkirchener Kinderchor, Einstudierung: Alfred Schulze-Aulenkamp

Solisten: Rüdiger Frank (Gott), Dong-Won Seo (Mefistofele), Ray M. Wade, JR. (Faust), Petra Schmidt (Margherita), Piotr Procherda (Wagner), Almuth Herbst (Martha), Majken Bjerno (Helena), Almuth Herbst (Pantalis), Piotr Prochera (Nereus)

Besuchte Aufführung: 24. September 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Mefistofele wettet mit Gott um Fausts Seele, die er bekommt, wenn dieser den Verlockungen der Welt verfällt. Um seinen Erkenntnishunger zu stillen, läßt Faust sich auf den Pakt mit dem Teufel ein. Mit Mefistofeles Hilfe schafft es Faust, die junge Frau Margherita für sich zu gewinnen, führt diese jedoch auch ins tiefste Unglück. Von Mefistofeles in die griechische Antike versetzt, begegnet Faust der schönen Elena und verliebt sich in sie. Mefistofele ist am Ende überzeugt, Faust nach allen Ausschweifungen auf ewig zufriedengestellt und somit dessen Seele gewonnen zu haben. Himmlische Geister schützen und retten jedoch den nun sterbenden und in den Himmel auffahrenden Faust (Epilog). Mefistofele muß einsehen, die Wette mit Gott verloren zu haben.

Aufführung

Faust und sein Student Wagner sind vor Mefistofeles Verwandlung zwei gebrechliche, ärmlich gekleidete Gestalten: Faust tritt auf Krücken und Wagner im Rollstuhl auf, während das Volk mit Ski-Stöcken, roten Sonnenbrillen und modischen Trainings-Anzügen der 60er Jahre das Osterfest feiert. Die Begegnung zwischen Faust und Mefistofele, mit Margherita und ihrer Mutter Martha spielt auf einer kleinen Bühne mit rotem Vorhang, während dahinter das Bild einer blumigen Landschaft erscheint. Die Kostüme sind in dieser Szene klassisch gehalten. Beim Gang auf den Brocken zur Walpurgisnacht wird die Bühne etwa drei Meter hochgefahren. Mefistofeles und Faust steigen hinab und begegnen neben vier halbnackten lüsternen Weibern zahlreichen, in Karneval-Kostümen verkleideten Gestalten, während auf dem oberen Teil der Bühne Margherita im weißen Kleid ihr neu geborenes Kind tötet und den verstümmelten Säugling in die Unterwelt hinunterwirft. Die klassische Walpurgisnacht beginnt mit der schönen Elena, die auf einer Gondel hineingefahren wird. Die Kostüme hier sind überspitzt klassisch gehalten. Vorbei das Spiel: Fausts Rettung durch die himmlischen Kräfte erfolgt durch die Besteigung von Gottes Thron, der – umgeben von den zwei Engeln – in die Höhe gefahren wird, während Mefistofeles hinausgejagt wird.

Sänger und Orchester

Vor allem die Sopranistin Petra Schmidt überzeugte an diesem Abend mit einer strahlend hellen, warmen und klaren Stimme. Ihre Arie L‘ altra notte – Die andere Nacht (3. Akt) wurde mit viel Pathos, Einfühlsamkeit und Sanftmütigkeit vorgetragen. Auch der Tenor Ray M. Wade in der Rolle des Fausts überzeugte mit einer ausdrucksstarken und farbenreichen Opernstimme. Dong-Won Seo fehlte es etwas an Stimmvolumen und blieb somit etwas blaß. So hätte man bei seiner ersten großen und bekannten Arie „Son spirito che nera sempre“ – Ich bin der Geist, der stets vernein (2. Akt) etwas mehr Dramatik und Ausdruck erwartet. Völlig überzeugend waren hingegen dessen hervorragenden schauspielerischen Leistungen sowie seine starke Bühnenpräsenz: Stets äußerst passend war – wie im übrigen auch bei Rüdiger Frank, der den Gott darstellte – sein mimischer Ausdruck. Die Neue Philharmonie Westfalen konnte ihren nun schon seit längerer Zeit andauernden Aufwärtstrend auch an diesem Abend unter der Leitung des gebürtigen Gelsenkircheners Rasmus Baumann, der auch an diesem Abend wieder mit klarem Dirigat zu überzeugen wußte, bestätigen: Gutes Zusammenspiel, ein grandioses Repertoire an Klangfarben, dynamisch feinfühlig differenziert, sorgten auch die Orchestermusiker dafür, daß der Abend insgesamt zu einem Genuß wurde. Mitreißend der Gelsenkirchener Opern- und Kinderchor mit seinen sehr reinen und klanglich sanften Stimmen.

Fazit

Eine insgesamt sehr beeindruckende Vorstellung im ausverkauften Musiktheater im Revier. Vereinzelt fielen beim langanhaltenden Schlußapplaus einzelnen Buh-Rufe für das Regie-Team, die Bravo-Rufe überwogen jedoch. Großen Applaus gab es für das Orchester und den Opern- und Kinderchor. Daß dieses Werk im Gegensatz zu Italien nur äußerst selten auf deutschen Opernspielplänen steht, ist im Grunde bei dieser affektvollen Musik sowie den faszinierenden Arien und Chorpassagen kaum nachzuvollziehen.

Roman Bonitz

Bild: Pedro Malinowski

Das Bild zeigt: Dong-Won Seo (Mefistofele), Rüdiger Frank (Gott) v.l.n. r.

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