von W.A. Mozart (1756-1791), Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte, in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln, UA: 29. Oktober 1787, Ständetheater, Prag
Regie: Beatrice Lachaussee, Bühne & Kostüme: Maria Lena Schönborn
Dirigent: Mark Rohde, Philharmonisches Orchester und Chor des Landestheaters Coburg, Choreinstudierung: Alice Lapasin Zorzit
Solisten: Daniel Carison (Don Giovanni), Michael Lion (Leporello), Jinwook Jeong (Il Commendatore), Galina Benevich (Donna Anna), Jaeil Kim (Don Ottavio), Emily Lorini (Donna Elvira), Francesca Paratore (Zerlina), Bartosz Araszkiewicz (Masetto), u.a.
Besuchte Aufführung: 17. Juli 2024
Der Komtur, Donna Annas Vater; wird im Duell von Don Giovanni getötet. Sein Diener Leporello berichtet Donna Elvira von den unzähligen Erfolgen seines Herrn bei den Frauen. Don Giovanni macht auf einer Bauernhochzeit der Braut Zerlina den Hof und lädt alle zum Fest auf sein Schloß ein. Dort versucht er Zerlina zu verführen. Doch Donna Elvira, Donna Anna und ihr Verlobter Don Ottavio erkennen in ihm den Mörder des Komturs. Er kann mit Leporello fliehen, sie finden Zuflucht auf einem Friedhof. Dort wird Don Giovanni von der Steinstatue des Komturs zur Rede gestellt. Don Giovanni lädt ihn leichtfertig zu Abendessen ein. Donna Elvira macht einen letzten, vergeblichen Versuch, ihren ehemaligen Geliebten zu retten, als der Komtur eintritt und ihn zur Hölle schickt.
Aufführung
Die Bühne ist eigentlich eine Brechtbühne. Es gibt keine Farben, keine wirkliche Ausstattung, sie bleibt schwarz, wenn man vom Feuerschein der Hölle absieht. Es gibt kein Festmahl (Don Giovanni und Leporello unterhalten sich auf leerer Bühne), keinen Festball für die blumenlose Hochzeitsgesellschaft. Spektakulär die zeitlosen Kostüme der Darsteller, die die Jahrhunderte der Inszenierungs-Geschichte Don Giovannis reflektieren, wie die Verfolgergruppe Masettos in zeitloser heller Landkleidung mit Heugabeln und Dreschflegeln. Vor dem schwarzen Bühnenrund stehen zwei drehbare Wände, die zusammen geschoben die Bühne in Vorder- und Hintergrund teilen. Auf der Vorderseite gibt es Fenster und Türen, die sich öffnen lassen, so daß Don Giovanni seine Arie an die Zofe singen kann. Die Rückseite ist offen, so daß ein zweistöckiger begehbarer Raum entsteht.
Die Handlung beginnt mit einer Vorgeschichte: Don Giovannis Mutter stirbt früh, am Grab trifft er seinen Vater und seinen Erzieher Leporello. Der Vater stirbt später auf einer seiner zahlreichen Eskapaden mit Frauen und Alkohol.
In der Rückwand öffnet sich eine Tür, davor eine Portaltreppe. Aus dem Haus und über die Treppe betreten nacheinander Don Giovanni, Donna Anna und der Komtur zum Duell, das für den Komtur tödlich endet. Die beiden drehbaren Wände bilden immer neue Räume und Zugänge. Besonders spektakulär der Friedhof: In zwei Reihen stehen die Statuen vor den Grabnischen übereinander, halten die Buchstaben des Wortes Vendetta in den Händen. Der Komtur im hellen Anzug singt direkt auf der Bühne. Im gleichen Anzug steht er auch auf der Bühne im Finale, als er Don Giovanni verdammt. Er zieht ihn aber nicht in die Hölle, denn eine Versenkung gibt es nicht, so zieht Don Giovanni ein schwarzer Bewegungschor in den feuerrot beleuchteten Bühnenhintergrund.
Sänger und Orchester
Die Hauptrolle zu besetzen ist meist problematisch: Als Darsteller des Don Giovanni benötigt man einen „durchschlagsstarken Helden-Bariton“, der den Furor und die dramatischen Ausbrüche glaubhaft gestalten kann, hingegen für den weichen zarten Schmelz der süßlichen Liebesarien benötigt man einen eher lyrischen samtigen Bariton. Daniel Carison ist ein überzeugender Sängerdarsteller, vor allem die die zahlreichen Liebeshändel und sein empathischer Umgang mit seiner Umgebung ist eindrucksvoll und glaubhaft. Die Stimme verfügt über eine dramatische Durchschlagskraft, für die lyrischen Momente wäre mehr tenoraler Schmelz schön.
Der Haus-Baß Michael Lion gibt dem Leporello eine sagenhafte Tiefe und glaubhafte Höhe, die Zahlenarie am Anfang bleibt etwas statisch und wirkt wie eine große Arie. In der letzten Inszenierung war er der Komtur und als große statische Mozart-Arie singt Jinwook Jeong die Friedhofsarie. Ebenso zieht er Don Giovanni mit großer stimmlicher Wucht in die Hölle – ohne akustische Tricks nur mit der durchschlagsstarken tiefen Stimme. Jaeil Kim als Don Ottavio verfügt über eine leuchtende baritonale Mittelage, aus der heraus er sich in die tenoralen Höhen aufschwingt. Galina Benevich als Donna Anna ist ein jugendlicher, leicht dramatischer Sopran und tritt mit sicheren Koloraturen in Erscheinung. Emily Lorini ist ausdrucksstark in den dramatischen Momenten, lyrisch verhalten mit technischem Glanz – und fast immer mit einer Ekstase, die den Rahmen des Dramatik Mozarts sprengt. Aufmerksamkeit erregt das Hochzeitspaar, Francesca Paratore als jugendliche naive Zerlina ist mit hellem Timbre mit hauchzarter Intonation gut unterwegs. Marcello Mejia-Mejia ist ein Masetto mit hoher Leidensfähigkeit, der sich mit fester Stimme zu wehren weiß. Mark Rohde ist etwas zu verhalten und statisch, allerdings kehrt er die Raffinesse und Feinheiten Mozarts nicht unter den Teppich. Das steigert die Spannung beim Publikum fühlbar.
Fazit
Musikalisch ist dieser Don Giovanni ein würdiger Endpunkt einer Spielzeit im neuen Haus, dem Globe. Das Haus hat sich bewährt, das Publikum strömt in das neue Haus, die Anreise über den Schotterplatz im abgelegenen Bahnhofviertel ist Normalität. Der Imbiß eines Supermarktes bietet keine empfehlenswerte Pausengastronomie. Der weitere Ausbau steht an, die Renovierung des alten Hauses steht noch in weiter Ferne. Das neue Haus bewegt sich weiterhin auf hohem musikalischem Niveau. Wieder wird eine lange Fassung gespielt mit der großen Arie der Donna Elvira. Szenisch reift die Erkenntnis, daß kleinere Einschränkungen bei der Bühnentechnik kein Hindernis sind, das Publikum mit einer durchdachten Inszenierung mitzureißen. Heftiger und langanhaltender Applaus nach einem das Publikum fesselnden Opern-Abend.
Oliver Hohlbach
Bild: Christina Iberl
Das Bild zeigt: Daniel Carison (Don Giovanni), Francesca Paratore (Zerlina)