Peter Grimes – Köln, Oper

von Benjamin Britten (1913-1976), Oper in drei Akten, Libretto: Montagu Slater, UA: 7. Juni 1945 London, Sadler’s Wells Theatre

Regie: Frederic Wake-Walker, Bühne/Kostüme: Anna Jones

Dirigent: Nicholas Collon und das Gürzenich-Orchester Köln
Solisten: Marco Jentzsch (Peter Grimes), Ivana Rusko (Ellen Orford), Robert Bork (Balstrode), Malgorzata Walewska (Auntie), Monica Dewey (1. Nichte), Kathrin Zukowski  (2. Nichte), Dino Lüthy (Bob Boles), Lucas Singer (Swallow), Rebecca de Pont Davies (Mrs. Sedley), Philip Sheffield (Horace Adams), Wolfgang Stefan Schwaiger (Ned Keene)

Besuchte Aufführung: 25. November 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Fischer Peter Grimes steht vor Gericht, da sein Lehrjunge ums Leben gekommen ist. Der Vorfall wird als Unfall bewertet, die Dorfgemeinde verurteilt Peter Grimes aber trotzdem als Mörder. Nur die Lehrerin Ellen Orford hält zu ihm. Ein neuer Lehrjunge kommt in Peter Grimes Obhut. Ellen kümmert sich um ihn und entdeckt an ihm Spuren der Mißhandlung durch Peter Grimes. Als sie ihn zur Rede stellt, gibt er die Mißhandlung zu und holt den Jungen ab, um mit ihm in See zu stechen. Beim Klettern von einer steilen Klippe stürzt der Junge und stirbt. Die Bewohner suchen nach Grimes, von dem seit zwei Tagen jede Spur fehlt und wollen ihn bestrafen. Grimes folgt Balstrodes Aufforderung und fährt mit seinem Boot aufs Meer um sich umzubringen.

Aufführung

Hölzerne Kirchenbänke, eine Balustrade und kaputte Kirchenfenster deuten das Innere eines Gotteshauses an. Der Orchestergraben ist auf eine Seite des Saals 1 im Staatenhaus verlegt. Auf Lokalkolorit in Form von Fischeratmosphäre oder Meereselementen wird verzichtet. Stattdessen liegt der Fokus der Inszenierung auf der Darstellung der bigotten Dorfgemeinschaft, die durch Choreografien, wechselnde Kleidung (bei den Männern Anzüge, bei den Frauen Röcke und Blusen) und einstudierte Gesten als eine einheitliche Masse mit großer gesellschaftlicher Macht präsentiert wird. In diesem Gefüge wirkt Peter Grimes in Jeanshemd und schmutzigen Hosen als Außenseiter, der nicht dazugehört. Das Symbol des toten Kindes schwebt wie ein Mahnmal über der gesamten Aufführung. Zuerst in Form einer Puppe, die auf den Kirchenbänken sitzt, später durch ein echtes Kind mit Maske; zum Schluß trägt das ganze Ensemble Kindermasken.

Sänger und Orchester

Von Anfang an sorgt der Chor als Dorfgemeinschaft für große Bühnenpräsenz – und das sowohl gesanglich wie auch schauspielerisch. Im ersten Akt sitzen alle auf den Kirchenbänken und schauen wie hypnotisiert in den Zuschauerraum, dabei singen sie zunächst sehr legato mit großer dynamischer Entwicklung von piano zu fortissimo, später mit scharfer Akzentuierung und viel Stimmgewalt in den lauten Partien und ahmen durch Aufstehen und Hinsetzen die Wellenbewegungen in der Melodie nach. Das Orchester bringt die wellenartigen Läufe in den Streichern und Bläsern dank des sehr pointierten und rhythmisch präzisen Dirigats von Nicholas Collon ebenfalls hervorragend auf den Punkt.

Marco Jentzsch (Peter Grimes) bleibt in seiner Rolle bewußt rätselhaft: auf der einen Seite sitzt er als Außenseiter zusammengekauert in der Ecke, auf der anderen Seite packt er seinen Lehrjungen grob an und zwingt ihn zur Arbeit. Dabei schmettert er in den Gesangspartien mit seinem blechernen Tenor sehr selbstbewußt in der Höhe. Die lauten Töne liegen ihm aber mehr als die leisen; im zweiten Akt versagt ihm die Stimme in den sotto voce gehauchten Teilen das ein oder andere Mal. Dafür kann er in seiner Abschlußarie im letzten Akt überzeugen. Hier schreitet er mit weit aufgerissenen Augen in ein Wasserbecken und besingt symbolisch seinen Untergang, mit gefühlvoll intonierter Stimme und dynamischer Steigerung.

Ivana Rusko (Ellen Orford) bringt mit die beste Leistung des Abends: ihre sanfte, fast lyrische Sopranstimme klingt auch in den Spitzentönen zu keiner Zeit angestrengt. Dabei gelingt ihr das An- und Abschwellen der Stimme besonders gut. In ihrer Rolle strahlt sie sehr viel Sicherheit und Wärme aus, was gut zu der unschuldigen Lehrerin paßt. Ebenfalls hervorzuheben ist Robert Bork (Balstrode) dessen dominanter Baßbariton sehr rauh klingt und besonders im ersten Akt knarrend und donnernd von ihm eingesetzt wird, um Peter Grimes ins Gewissen zu reden.

Fazit

Wenn man sich damit abfinden kann, daß der Schauplatz nicht im Vordergrund der Handlung steht, dann ist diese Inszenierung ein gelungener Versuch, der rätselhaften Figur Peter Grimes auf den Grund zu gehen. Besonders die Unfähigkeit mit der Zwiespältigkeit zwischen „guter Bürger“ und „fehlgeleiteter Mörder“ umzugehen, wird durch die exzellente gesangliche und schauspielerische Leistung des Chors sehr gut hervorgehoben. Das Publikum spendet den größten Applaus und Bravorufe für den Chor, Ivana Rusko, Marco Jentzsch und das Orchester mit Nicholas Collon. Eine Inszenierung, die auf jeden Fall nachdenklich stimmt!

Melanie Joannidis

Bild: Bernd Uhlig

Das Bild zeigt: Robert Bork (Balstrode), Marco Jentzsch (Peter Grimes), Ivana Rusko (Ellen Orford)

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