DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – Dresden, Semperoper

von Richard Wagner, Romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: Richard Wagner, nach Heinrich Heines Die Memoiren des Herren von Schnabelewopski; UA: 2. Januar 1843 Dresden, Königliches Sächsisches Hoftheater

Regie: Florentine Klepper, Bühne: Martina Segma, Kostüme: Anna Sofie Tuma, Video: Bastian Trieb

Dirigent: Constantin Trinks, Sächsische Staatskapelle, Sächsischer Staatsopernchor,, Vocalensemble Theodore Gouvy, Chor: Pablo Assante

Solisten: Georg Zeppenfeld (Daland), Marjorie Owens (Senta), Will Hartmann (Erik), Tichina Vaughn (Mary), Simeon Esper (Steuermann Dalands), Markus Marquardt (Der Holländer),u.a.

Besuchte Aufführung: 15. Juni 2013 (Premiere)

Dresden-HollaenderKurzinhalt

Der fliegende Holländer ist dazu verdammt, auf ewig die Weltmeere zu befahren, bis er durch die Liebe einer Frau seine Erlösung im Tod findet. Daland, der in einer Bucht auf ihn trifft, als er Schutz vor einem Sturm sucht, ist von seinen Schätzen beeindruckt und verspricht ihm die Hand seiner Tochter, die ihm auch die erhoffte ewige Treue verspricht. Als der Holländer jedoch mitanhören muß, wie der Jäger Erik sie an ein einst ihm gegebenes Treueversprechen erinnert, fühlt er sich betrogen, kehrt auf sein Schiff zurück und lichtet die Anker. Senta stürzt sich ins Meer. Das Schiff des Holländers versinkt, Sentas Tod aus Liebe bringt dem Holländer die Erlösung.

Aufführung

Optisch eindrucksvoll ist das im mystischen Halbdunkel gehaltene Einheitsbühnenbild, das eine Klippe an einer namenlosen Küste zeigt. Nach links verschwindet ein Steg im Nirgendwo, hinten links sitzt Senta im schwarzen Kleid mit einem Koffer auf einem kieloben abgelegten Ruderboot und starrt träumend in den Hintergrund, auf dem Regen, Wolken und Meeresvögel projiziert werden. Vorne rechts befindet sich eine Bar, über der Schwertfische herab hängen. Hier versammeln sich die Norweger jeden Abend im gelben dreckverschmierten Overall,  um mit den Bardamen ein Bier zu kippen. Für Dalands Haus senkt sich eine Wand mit gardinenverhangenen Öffnungen. Statt Spinnrädern steht hier ein Bett, in dem die Hebamme Mary – im Akkord – von jeder Spinnerin ein Kind entbindet. Unter diesem Bett kriecht der Jäger Erik (mit Kitz im Rucksack) hervor, um Senta zu bedrängen. Zum Schlußbild hebt sich die Wand wieder, die Norweger warten im Frack auf die Hochzeit und die Beerdigung. Zum Finale gehen Erik nach rechts, der Holländer nach links ab, während Senta mit Koffer sich davonmacht.

Sänger und Orchester

Warum Constantin Trinks als „Meister im Wagnerfach“ gehandelt wird, ist offensichtlich: Mit viel Dynamik energisch zupackend wird hier Wagner zelebriert ohne ihn mystisch zu überhöhen – zu zerdehnen. Hier lebt die Romantik mit ihren Emotionsausbrüchen, die Trinks mit Tempoverschärfungen und Lautstärkesteigerungen fühlbar zu machen weiß. Die Staatskapelle klebt fühlbar an seinen Lippen. Das Erlösungsmotiv erklingt mit Verve – und findet auf der Bühne keine Entsprechung. Viel Erfahrung mit Wagner hat auch der Chor der sächsischen Staatsoper, der jede Note pointiert auskostet und mit einer Einheit glänzt, die seinesgleichen sucht.

Das erwartete Niveau einer Staatsoper können die Solisten nur eingeschränkt erfüllen, denn wegen der Dresdener Uraufführungstradition sind die Erwartungen sehr hoch. Sicherlich, Markus Marquardt verfügt über ein wunderbares baßbaritonales Stimmmaterial, allein es fehlt die Durchschlagskraft um einen Holländer mit seinem hoffnungsvollen Bangen stimmlich zu gestalten. Dazu kommt, daß er in der Auftrittsarie Die Frist ist um auch technisch zu kämpfen hat. Marjorie Owens singt die Senta mit voller Durchschlagskraft, ihr hochdramatischer Sopran kennt nur wenige Lautstärkevariationen: Es fehlen die Farben, die Nuancierung der Stimme. Auch Georg Zeppenfeld hatte in dieser Premiere  Probleme. Will Hartmann ist als Erik eingesprungen, kann auch mit tenoral glänzendem Material aufwarten, aber auch hier muß noch (technisch!) an der Rolle gearbeitet werden. Tichina Vaughn chargiert in der Rolle der Mary etwas zu sehr, kann aber technisch überzeugen und voll aussingen. Simeon Esper ist mit dem Steuermann überfordert.

Fazit

„Stehen die Möwenschreie in der Partitur?“, murmelt ein Zuschauer, als ein Trauerzug mit einem Sterbebild Dalands die Musik nach der Ouvertüre unterbricht. Nachdem er auch noch die Vergewaltigung der Senta als Kind durch den Steuermann, die gescheiterte Hochzeit Sentas mit Erik und den Kreissaal der geburtsfreudigen Spinnerinnen erlebt hat, wird er mehrmals gelangweilt auf die Uhr geblickt haben. Diese romantische Oper, in der es um die Erlösung durch Liebe geht, in einem Kampf Sentas um Emanzipation umzuinterpretieren, ist so ungeschickt aufgesetzt, daß das Ergebnis durchaus als frauenfeindlich gewertet werden kann. Das gelangweilte Publikum verpaßt beinahe den Auftritt der Regie beim Schlußvorhang, buht sie aber dennoch in selten erlebter Heftigkeit ab. Musikalisch dagegen ist der Abend weniger aufregend, die Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Constantin Trinks und der Staatsopernchor stehen für Spitzen-Niveau.

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Die kleine Marjorie Owens (Senta) sucht Schutz bei einer Traumfigur vor den bösen Matrosen und Georg Zeppenfeld (Daland).

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