Kiel, Opernhaus – HÄNSEL UND GRETEL

von Engelbert Humperdinck (1854–1921), Märchenoper in drei Akten, Libretto: Adelheid Wette; UA: 23. Dezember 1893, Hoftheater, Weimar
Regie: Jörg Diekneite; Bühnenbild: Eckhard Reschat; Dramaturgie: Joscha Schaback; Kostüme: Sabine Keil; Beleuchtung: Martin Witzel
Dirigent: Johannes Willig, Philharmonisches Orchester und Kinder- und Jugendchor
Solisten: Merja Mäkelä (Hänsel), Heike Wittlieb (Gretel), Jörg Sabrowski (Vater Peter), Claudie Iten (Mutter Gertrud), Steffen Doberauer (Knusperhexe), Şen Acar (Sand-, Taumännchen)
Besuchte Aufführung: 13. Dezember 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
kiel-hansel-u-gretel.jpgHänsel und Gretel, Kinder eines armen Besenbinders, müssen Aufgaben im Hause erledigen. Statt dessen machen sie lieber Unsinn, weswegen die wütende Mutter sie zum Beerensuchen in den Wald schickt. Als der Vater nach Hause kommt und von den weggeschickten Kindern erfährt, ängstigt er sich sehr, wohnt doch im Wald die böse Knusperhexe. Hänsel und Gretel haben sich im Wald verirrt. In der Dunkelheit lauern ein seltsames Echo und geheimnisvolle Nebelfrauen. Doch dann taucht das Sandmännchen auf und bereitet den Kindern einen sorglosen Schlaf. Am nächsten Tag werden Hänsel und Gretel vom Taumännchen geweckt.
Plötzlich entdecken die beiden hinter sich ein buntes Lebkuchenhaus, wovon sie naschen.
Dann taucht die Knusperhexe auf und versetzt die beiden in eine Starre. Hänsel soll gemästet werden und Gretel muß im Haushalt helfen. Als Gretel gebacken werden soll, kann sie die Hexe überwältigen und ins Feuer stoßen.
Plötzlich sind auch alle anderen Kinder befreit, die die Hexe je gebacken hat und der Spieß wird umgedreht – nun ist sie selbst ein Lebkuchen. Zum Schluß ist die Familie wieder glücklich vereint.
Aufführung
Der Vorhang wird erst nach dem ersten Drittel des Vorspiels emporgehoben. Zum Vorschein kommt eine karge Holzstube mit einem Fenster, anfangs in ein dunkles Licht getaucht. An den Wänden lehnen lediglich einige Besen. Der zweite Akt empfängt den Zuschauer mit einem riesigen, in blauen, grünen und braunen Tönen gehaltenen Wald. Der Himmel im Hintergrund wechselt je nach Tageszeit seine Farben – von prachtvollem dunklem Blau über kräftiges Lila und Rosa. Auch blinkende Sterne sind am Firmament zu entdecken. Es tauchen liebevoll und kindgerecht gekleidete kleine Elfen auf. Der dritte Akt zeigt das Knusperhäuschen, es besticht durch seine Farbenfreude. Neben dem Haus tut sich der Ofen auf. Die Knusperhexe mit den feuerroten Haaren fliegt auf ihrem Besen quer über die ganze Bühne. Nachdem die Hexe vernichtet und das Knusperhaus zusammengestürzt ist, endet das Szenario mit allen Figuren in harmonischer, fröhlicher Atmosphäre auf der Bühne.
Sänger und Orchester
Merja Mäkelä (Hänsel) und Heike Wittlieb (Gretel) glänzen in ihren Rollen. Sie können einerseits die kindliche Sorglosigkeit und andererseits ihre Furcht stimmlich gut umsetzen. Leider gelang es ihnen bisweilen nicht, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Vor allem Claudia Iten (Mutter) überzeugt in ihrer Rolle. Sie spielt eine gereizte, überforderte und in Existenznöten gefangene Mutter, was sie mit leiser Dynamik umsetzt: Nichts hab‘ ich zu leben […] Müde bin ich, müde zum Sterben. Herrgott, wirf Geld herab! Jörg Sabrowski setzt als Vater mit seiner Stimme zunächst die betrunkene Arglosigkeit durch Lallen um: Ralalala, ralalala, heissa Mutter, ich bin da! Bringe Glück und Gloria! Daraufhin folgt ein dynamisch leiser Umschwung auf Sorge. Şen Acar stellt in ihrer Doppelrolle ein liebevolles Sandmännchen und bezauberndes Taumännchen dar. Auch wenn diese Rollen klein ausfallen, bemerkt der Zuschauer ihr schauspielerisches Talent sofort. Steffen Doberauer (Knusperhexe) ist mit einer weiblichen Rolle betraut. Aber trotzdem wirkt die Rolle wie für ihn geschrieben. Die Darstellung und der Gesang sind überzeugend, mitreißend, unheimlich. Weiß man doch, wie das Märchen endet, will man die Kinder am liebsten persönlich seiner (stimmlichen) Macht entreißen.
Das Orchester unter der Leitung von Johannes Willig schafft es, den Zuschauer bei Vor- und Zwischenspielen in die Märchenwelt zu entführen. Die Kieler Philharmonie spielt mit dynamischem Einfühlungsvermögen, wobei insbesondere die Blechbläser hervorzuheben sind.
Was den Kinder- und Jugendchor betrifft, so kann die Befreiung der Lebkuchen-Kinder als Höhepunkt der Aufführung bezeichnet werden. Die Kinder bringen mit ihren reinen, hohen Sopranstimmen in makelloser Intonation die Freude über die Befreiung zum Ausdruck.
Fazit
Die Inszenierung bringt Jung zum Lachen und Alt zum Schmunzeln – genau die richtige Einstimmung auf Weihnachten. Die Leistung wird zum Schluß seitens der Zuschauer mit starkem Beifall und sogar Fußgetrommel belohnt.

Frederike Arns

Bild: Olaf Struck
Das Bild zeigt Heike Wittlieb (Gretel), Steffen Doberauer (Knusperhexe) und Merja Mäkelä (Hänsel).

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