ARTASERSE – Paris, Théâtre des Champs-Élysées

Oper in drei Akten,  Musik von Leonardo Vinci, Librettp: Pietro Metastasio, U.A:, 4. Februar Rom 1730, Teatro delle Dame

Dirigent: Diego Fasolis, Concerto Köln

Solisten: Philippe Jaroussky (Artaserse), Max Emanuel Cenčić (Mandane), Daniel Behle (Artabano), Franco Fagioli (Arbace), Valer Barna-Sabadus (Semira), Yuriy Minenko (Megabise)

Besuchte Aufführung 10. Dezember 2012 (Premiere , konzertant)

Einführung

Seit der „Wiederentdeckung“ von Albinonis Adagios 1958 ist es bei Musikologen und Sängern immer wieder üblich gewesen, lang vergessene oder wenig gehörte Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts erneut auf die Bühne oder in die Konzertsäle zu bringen. Die neuesten „Entdeckungen“ dieser Art sind Agostino Steffani (durch Cecilia Bartoli) und in diesem Fall Leonardo Vinci (Co-Produzent M. E. Cenčić).

Leonardo Vinci stammte aus Kalabrien und wurde später Nachfolger Alessandro Scarlattis an der Königlichen Kapelle in Neapel. Pergolesi war sein Schüler, Vivaldi und der junge Händel wurden durch ihn beeinflußt, Porpora war sein erbitterter Gegenspieler. Er galt im 18. Jahrhundert, und weit über seinen Tod hinaus als einer der beliebtesten Opernkomponisten an den europäischen Höfen.

Seine Musik ist voll bunter Lebensfreude, Anmut und Leichtigkeit. Sogar tragische Ereignisse auf der Bühne werden von fröhlichen Tanzweisen begleitet, als sei das Leben nur Spiel und das Spiel das eigentliche Leben. Und so wird er wohl auch gelebt und geliebt haben. Denn Artaserse ist seine letzte und bekannteste Oper. Es hält sich das Gerücht, daß er 35jährig durch den Gifttrunk eines von ihm gehörnten Ehemanns starb.

Kurzinhalt

Artabano ermordet den Perserkönig Serse, um sich des Throns zu bemächtigen. Doch man findet bei Artabanos Sohn Arbace das Mordschwert und dieser wird festgenommen. Er beteuert seine Unschuld, aber alle, selbst sein eigener Vater und auch des neuen König Artaserses Schwester Madane, die ihn liebt, lassen ihn im Stich. Artabano und der General Megabise komplottieren weiter den Umsturz. Artabano will seine Tochter Semira zwingen, Megabise zu heiraten, doch sie liebt Artaserse. Semira fleht um Gnade für ihren Bruder Arbace, der aber nicht aussagen will, um seinen Vater zu schützen. Artaserse, der seinen Freund Arbace für unschuldig hält, läßt ihn frei. Dieser stimmt die Rebellen um und tötet Megabise. Bei der Krönung Artaserses reicht Artabano dem König einen Giftbecher. Um seine Unschuld endgültig zu beweisen, will aber Arbace den Becher austrinken. Doch sein Vater hindert ihn daran und gesteht schließlich den Mord an Serse. Arbace erwirkt, daß sein Vater nicht getötet, sondern nur verbannt wird. Artaserse und Semira wie auch Arbace und Madane finden zueinander.

Sänger und Orchester

Wegen eines päpstlichen Dekrets war es im Rom des 18. Jahrhunderts verboten, daß Frauen auf der Bühne auftreten, so ist die Oper (und auch diese Aufführung) mit fünf Kontratenören und einem Tenor besetzt.

Philippe Jaroussky, besonders bewegend in den lyrischen Szenen, ist mit seiner glockenklaren, reinen Stimme ein feinfühliger Artaserse, wie in Redimi il caro amico im zweiten Akt. Franco Fagioli als Arbace begeistert durch seine volle, weiche Stimme und die scheinbare Leichtigkeit, mit der er die oft schwierigen Melismen seiner Rolle durchläuft. Hinreißend in der berühmten Schlußarie des ersten Akts Vò solcando un mar crudele. Max Emanuel Cenčić überzeugt mit wohlklingender, souveräner Interpretation der Mandane, wie im Lamento Se d’un amor tiranno (2. Akt). Doch entfaltet sich seine sonst so weiche Stimme mit dem diskreten Vibrato nicht immer zu seiner üblichen Pracht durch eine angekündigte Indisposition. Valer Barna-Sabadus singt Semira mit samtenem, tiefem und vollem Timbre, (das einer weiblichen Altstimme sehr nahe kommt), wie in Bramar di perdere troppo affetto (2. Akt). Daniel Behles  temperamentvoller Tenor als Artabano und Yuriy Mynenkos heroischer Kontratenor als Megabise ergänzen das hervorragende Ensemble.

Diego Fasoli dirigiert mit Eleganz und Virtuosität das Concerto Köln, welches unter seiner Leitung eine südländische Leichtigkeit und Klangfarbenprächtigkeit entwickelt.

Fazit

Dieses Kleinod der Opernliteratur hat die Opéra National de Lorraine in Nancy am 2. November 2012 in einer prächtigen Inszenierung wieder auf die Bühne gebracht. Das Théâtre des Champs-Élysées in Paris hat es nun in derselben Besetzung, aber leider nur  in einer konzertanten Version, für zwei Abende übernommen. Ein ganz besonderes musikalisches Vergnügen auf sehr hohem künstlerischem Niveau!

Da es keine Inszenierung zu beschimpfen gab, war der Applaus des Publikums auch einhellig und begeistert.

Alexander Jordis-Lohausen

Bilder: Philippe Jaroussky: Philippe Matsas,  Max Emanuel Cencic: Cencic – DR.

 

 

 

 

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