CARMEN – Paris, Opéra Bastille

von George Bizet (1838-1875), Opéra comique in 4 Akten, Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, UA: 3. März 1875 Paris, Opéra-comique (Salle Favart)

Regie: Yves Beaunesne, Bühne: Damien Caille-Perret, Kostüme: Jean-Daniel Vuillermoz, Licht: Joel Hourbeigt, Dramaturgie: Marion Bernéde, Choreographie: Jean Gaudin

Dirigent: Philippe Jordan,  Orchester und Kinderchor de l’Opéra National, Maîtrise des Hauts-de-Seine. Chorleinstudierung: Patrick Marie Auber

Solisten: Nikolai Schukoff (Don José), Ludovic Tézier (Escamillo), Edwin Crossley-Mercer (Le Dancaïre)

François Piolino (Le Remendado), François Lis (Zuniga), Alexandre Duhamel (Morales), Anna Caterina Antonacci (Carmen), Genia Kühmeier (Micaëla), Olivia Doray (Frasquita), Louise Callinan (Mercedes) u.a.

Besuchte Aufführung :  4. Dezember 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Soldat Don José erhält Besuch von seiner Jugendfreundin Micaëla, die ihn liebt und hofft ihn zu heiraten. Doch die gefangene Zigeunerin Carmen verführt mit verliebten Versprechungen den Soldaten, sie freizulassen. Daraufhin wird er in der Kaserne in Haft genommen.

Nach seiner Freilassung  trifft José Carmen in einer Spelunke. Sie versucht vergeblich, ihn zu überreden, mit ihr und ihren Schmugglerfreunden in die Berge zu ziehen. Schließlich, in einen Kampf mit einem Kameraden verwickelt, bleibt ihm keine andere Wahl als zu desertieren.

Im Nachtlager der Schmuggler streiten Carmen und Don José. Sie kann seine ständige Eifersucht nicht mehr ertragen. Der Stierkämpfer Escamillo, der Carmen den Hof macht, erscheint. Die Schmuggler verhindern gerade noch den blutigen Ausgang beim Zweikampfs der beiden Rivalen. Micaëla taucht plötzlich auf, um Don José zu seiner sterbenden Mutter zu holen. José folgt ihr. Vor der Arena tummelt sich eine bunte Menge. Escamillo lädt alle zum Stierkampf ein. Doch Carmen bleibt allein zurück und trifft. Doch Carmen bleibt allein zurück und trifft Don José.  Da er sie nicht zurückgewinnen kann, tötet er sie.

Aufführung

Ein altes Gemäuer mit halb eingestürztem Gebälk umrahmt die Bühne und ist von Akt zu Akt Tabakfabrik, Spelunke, Schmugglerversteck oder Platz vor der Stierkampfarena. Durch eine sehr gelungene Choreographie füllte sich dieser Raum in allen Akten sehr bühnenwirksam. Die Szene der Spelunke ist mit viel Glitzerkleidern wie ein moderner Nachtklub, das Nachtlager der Schmuggler sehr stimmungsvoll und die Volkszene im letzten Akt ein buntbewegter, verkleideter Karnevalrummelplatz mit vielen Kindern, Jongleuren Stelzenmenschen, sich bewegenden Riesenpuppen und dergleichen.

Doch die Carmen, die darin auftritt, ist nicht die traditionelle wilde, leidenschaftliche, sinnlich-provozierende, südländische Zigeunerin mit buntem Rock und langen schwarzen Haaren. An ihrer Stelle erscheint ein kühl-erotischer, Zigaretten rauchender Vamp mit einfachem, schwarzen, kurzen Kleid, schwarzen Stöckelschuhen und Platin blonden kurzen Haaren. Diese Carmen steht im Gegensatz zu  den Arbeiterinnen, den Schmuggler und  dem Volk, bei denen noch viel südliches Temperament und viel sonnige Buntheit übrig geblieben sind. Micaëla, das brave Mädchen mit Zöpfen in hellblauem Regenmantel und gleichfarbener Baskenmütze reist per Fahrrad. Escamillo in voller Toreropracht oder in weißem Anzug. Don José unscheinbar gekleidet.

Sänger und Orchester

Auch musikalisch war diese Carmen eher zurückhaltend. Anna Caterina Antonaccis schöne, reiche Sopranstimme  entfaltete sich zwar in all ihren Nuancen, auch in den für ihren Sopran oft sehr tiefen Stimmlagen der Rolle, doch schwang dabei wenig feurige Leidenschaft oder Dramatik mit. Vielleicht noch am ehesten im unheimlich-düsteren Terzett mit den Kartenlegerinnen Melons! Melons! (3. Akt). Die berühmte Habañera L’amour est un oiseau rebelle (1. Akt) dagegen sang sie sehr schön, aber nicht als provozierende Liebes-Bravourarie. Als der eigentliche Star des Abends entpuppte sich Genia Kühmeier mit weichem, strahlendem Sopran in der Rolle der Micaëla. Besonders in der Arie Je dis que rien ne m’épouvante (3. Akt), in der ihre Stimme sowohl in den lyrischen, wie in den dramatischen Stellen, makellos zum Ausdruck kam. Nikolai Schukoffs, in der schwierigen Rolle des Don José, klang manchmal etwas forciert, und sein sonst so warmes Timbre trat nicht immer voll hervor. Das Pariser Dezemberwetter mag ihn  indisponiert haben. Völlig rollengerecht Ludovic Téziers als Escamillo hingegen mit seiner gewaltigen Baritonstimme. Alle übrigen Solisten fügten sich harmonisch in das ausgezeichnete Ensemble ein. Zu erwähnen seien noch die Chöre, von denen der dramatische Frauenchor der sich raufenden Arbeiterinnen besonders begeisterte.

Philippe Jordan dirigierte Solisten, Chor und Orchester mit viel Schwung und Präzision durch die schwierige, mitreißende Folge von Tempi, Rhythmen und Melodien.

Fazit

Im Juni 2012 brachte die Opéra Comique in Paris die selten gespielten Perlenfischer, eine der ersten Bühnenwerke Bizets, zur Aufführung. Es folgte nun in der Bastille sein Meisterwerk Carmen. Bizet war 37 Jahre alt, als er es schrieb. Er hat nur noch den Skandal der ersten Aufführungen miterlebt, nicht mehr den internationalen Siegeszug, der dieses Werk heute zu den meistgespieltesten Opern der Welt macht.

Diese Neuinszenierung  der Opéra Bastille brachte die ursprüngliche Version mit den gesprochenen Dialogen. Trotz des nicht ganz überzeugenden Versuchs die Figur Carmen anders zu sehen, war es im Ganzen eine schöne Aufführung, und es gab viel Applaus.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Charles Duprat/Opéra national de Paris

Das Bild zeigt : Nikolai Schukoff (Don José) et Anna Caterina Antonacci (Carmen)

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