MANON LESCAUT – Freiburg, Theater

von Giacomo Puccini (1858-1924), Oper in vier Akten, Libretto: Ruggiero Leoncavallo, Marco Praga, Domenico Oliva, Luigi Illica, Giuseppe Giacosa, Giulio Ricordi, Giuseppe Adami, UA: 1. Februar, 1893, Turin, Teatro Regio

Regie: Yona Kim, Bühne: Evi Wiedemann, Kostüme: Hugo Holger Schneider, Dramaturgie: Dominica Volkert

Dirigent: Gerhard Markson, Orchester: Philharmonisches Orchester, Opernchor und Extrachor des Theater Freiburg, Choreinstudierung: Bernhard Moncado

Solisten: Christina Vasileva (Manon Lescaut), Juan Orozco (Lescaut), Gaston Rivero (Des Grieux), Jin Seok Lee (Geronte), Christoph Waltle (Edmond), Susana Schnell (Musiker), Kyungmin Cha (Wirt), Volker Stief (Ballettmeister), Christoph Waltle (Lampenanzünder), Marcelo de Souza-Felix (Sergeant), Lorenz Minth (Kapitän)

Besuchte Aufführung: 26. November 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Sowohl der arme Student Des Grieux als auch der reiche Geronte begehren die junge und schöne Manon Lescaut. Diese läßt sich zunächst mit Des Grieux ein. Als Des Grieux jedoch nach einer Weile das Geld ausgeht, wendet sie sich Geronte zu und lebt nun mit diesem zusammen in Luxus und Reichtum. Ihrem Bruder Lescaut gesteht sie jedoch, daß sie die Leidenschaft von Des Grieux vermißt. Der erscheint bald darauf aufs Neue und erliegt Manon wiederum. Gemeinsam planen sie die Flucht, wobei sie aber von Geronte ertappt werden, weil Manon zuviel Zeit damit verbringt, Schmuck und Geld einzupacken. Des Grieux‘ Versuch, Manon aus dem Gefängnis zu befreien, scheitert. Manon in Liebe ergeben, folgt er ihr in die Verbannung nach Amerika, wo sie in seinen Armen in der Wüste stirbt.

Aufführung

Yona Kims aktualisierende Sichtweise auf Puccinis erste Erfolgsoper bedient die Stereotypen des sogenannten „Regietheaters“: Bis auf seltene Violett-Töne ist alles grau, silbern oder grausilbern, selbst der Vorhang. Die bis auf wenige Requisiten meist leere Bühne verändert sich über alle vier Akte kaum. Das bunte Treiben im ersten Akt weist unter anderem eine Modenschau auf. Manon ist gekleidet wie eine Prostituierte, ihr Bruder Lescaut wie ein Zuhälter. Allgegenwärtig sind Dollarscheine, die entweder gezählt, zerknüllt, in Münder geschoben oder auf den Boden geworfen werden. So ist ab dem zweiten Akt der Boden mit Geldscheinen übersät. Manons Tanzunterricht besteht in Anlehnung an eine Szene aus David Lynchs Film Lost Highway darin, daß ihr zwei Männer jeweils eine Pistole an den Kopf halten. Am Ende schließlich verläßt der drogensüchtige Des Grieux die sterbende Manon, die er nun wie eine Bettlerin behandelt und schließt sich wieder der Gesellschaft an. Die Aufführung endet wie sie begann, mit dem stummen Chor, der von der Rampe aus dem Publikum wie ein Spiegelbild entgegenstarrt.

Sänger und Orchester

Die musikalischen Ereignisse an diesem Premierenabend sind Christina Vasileva und das Philharmonische Orchester Freiburg unter Gerhard Markson. Vasilevas stimmliche Tragfähigkeit vereint sich gemeinsam mit ihrer glanzvollen Höhe sowie ihrer schauspielerischen Qualität zu einem nahezu perfekten Portrait der Manon Lescaut. In den expressiven Ausbrüchen ihrer Partie bereitet ihr das mit Präzision, Flexibilität, kantabler Wärme und Italianità agierende Orchester eine schillernde Basis. In Sachen Präsenz und Beweglichkeit hält Gaston Riveros Des Grieux mit Vasileva durchaus mit, jedoch wirkt sein Tenor in der Höhe gelegentlich gepreßt. Schauspielerisch bleibt er ähnlich unauffällig wie Jin Seok Lees offizieller Geronte, dessen großer Baß nicht nach einem Bösewicht klingt, der aber eine angenehme baritonale Färbung aufweist. Juan Orozco gibt als Lescaut eine gewohnt starke Vorstellung, wohingegen die kleineren Rollen, wie Christoph Waltles Edmondo, kaum auffallen, weil sie stimmlich wenig Individualität verstrahlen. Gewaltvoll und wuchtig klingt der auch schauspielerisch im Vordergrund stehende Opern- und Extrachor des Theater Freiburg, der im Tutti etwas kantig tönt, gleichwohl eine unnachgiebige Präsenz ausstrahlt.

Fazit

Die zynische wie zeitgemäße Inszenierung von Puccinis Oper traf beim Publikum nicht nur auf Zustimmung. Erwartungsgemäß mischten sich in den begeisterten Schlußapplaus daher einige Buhs für die Regie. Musikalisches konnte der Premierenabend beinahe uneingeschränkt begeistern.

Aron Sayed

Bild: Maurice Korbel

Das Bild zeigt: Christina Vasileva (Manon Lescaut)und Chor

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